Ein deutsch-japanisches Forschungsteam hat herausgefunden, wie die Venus-Fliegenfalle die von Beutetieren ausgehenden Reize anhand von Kalziumwellen zählt.
Rainer Hedrich, Professor an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg, hat in Kooperation mit einem japanischen Forschungsteam um Professor Mitsuyasu Hasebe von der Universität Okazaki herausgefunden, wie die Venus-Fliegenfalle (Dionaea muscipula) zählt. Dass die Pflanze bis fünf zählt, hat das Team des deutschen Biophysikers bereits 2016 herausgefunden und dafür weltweit Aufmerksamkeit sowie 2019 den Koselleck-Forschungspreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erhalten. Das Preisgeld finanzierte nun die Anschlussforschung, deren Ergebnisse Anfang Oktober in Nature Plants publiziert wurden.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Sinneshaare auf der Innenseite der Falle bei Berührung (durch Beutetiere) elektrische Signale aussenden – sogenannte Aktionspotentiale. Diese breiten sich wellenartig durch die ganze Falle aus und werden von einer Erhöhung des zellulären Kalziumspiegels begleitet. Solche "Wellen" schwellen nach Berührung sehr schnell an und sind nach etwa einer Minute nahezu wieder verebbt.
Wenn innerhalb von 30 Sekunden kein weiteres Signal auf das vorhergehende folgt, passiert daher nichts, die Pflanze vergisst es also sozusagen wieder. Letzte Chance für die Beute, denn folgt ein zweites Signal innerhalb dieses Zeitraums, übersteigt der Kalziumwert eine kritische Schwelle, die Falle schnappt zu. Folgen weitere Reize, kurbelt die Pflanze zunächst die Biosynthese eines Berührungshormons an, ab der fünften Erregung leitet die Venus-Fliegenfalle den Verdauungsprozess ein, mit dem die Beute zersetzt wird.
Dass dieses zählende Gedächtnis auf einer zellulären Kalziumuhr beruht, konnten die Wissenschaftler mithilfe von Kalziumsensoren nachweisen, die in die Pflanzen eingebaut wurden. Diese Proteine leuchten auf, wenn die Kalziumkonzentration in den Zellen einen bestimmten Wert überschreitet. Um diese Biosensoren in das Pflanzengewebe einzuschleusen, entschlüsselten Hasebe und Hedrich zuvor erfolgreich das Genom der Fleischfresserin, um funktionsfähige "Ableger" zu generieren.
Ob der Zählvorgang ab dem dritten elektrischen Signal auch von der Kalziumuhr gezählt wird, und wenn ja wie, wollen die Wissenschaftler nun weiter erforschen.
Bedrohte Spezies
Ein internationales Forschungsteam hat derweil kürzlich den Rote-Liste-Naturschutzstatus für alle bekannten 860 Arten von fleischfressenden Pflanzen im 21. Jahrhundert ermittelt. Demnach sind 25% von ihnen vom Aussterben bedroht. Denn die Pflanzen reagieren besonders empfindlich auf menschengemachte Einflüsse wie Klimawandel, Lebensraumzerstörung und Umweltverschmutzung. Die Ergebnisse, die auch ermittelte Verbreitungsgebiete und Bedrohungen der Pflanzen umfassen, haben die Forscher nun in Global Ecology and Conservation veröffentlicht. "Durch unsere Arbeit konnten wir 100% aller weltweit bekannten fleischfressenden Pflanzen zusammen mit ihrem Rote-Liste-Naturschutzstatus erfassen", so Seniorautor der Studie, Andreas Fleischmann, Botaniker an der Botanischen Staatssammlung München sowie dem GeoBio-Center der Ludwig-Maximilians-Universität.
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