Im Rahmenprogramm der Labvolution/Biotechnica fand die Konferenz „3D Printing in Science“ statt. Für LABORWELT haben zwei der dort vortragenden Experten den Stand der Forschung um das Thema Bioprinting zusammengefasst. Das Drucken mit lebenden Zellen gibt der Grundlagenforschung im Bereich Gewebeorganisation einen kräftigen Schub. Darüber hinaus wird aber auch anwendungsorientiert geforscht – und das nicht nur in der medizinischen Biotechnologie.
LABORWELT
Wie funktioniert Bioprinting und wo lauern die Fallstricke beim Drucken von Geweben?
Kluger
Die extrusionsbasierten Verfahren, mit denen wir mittlerweile fast ausschließlich arbeiten, funktionieren im Prinzip wie ein Spritzbeutel beim Backen. Über Druck oder andere Verfahren wird Material einer gewissen Mindestviskosität strangweise gezielt abgelegt. So kann Schicht für Schicht die Zielstruktur aufgebaut werden. Der Vorteil dieses 3D-Plottens: Mit der Methode können relativ schnell größere Konstrukte aufgebaut werden. Im Gegensatz dazu wird beim Tintenstrahl- beziehungsweise Inkjet-Verfahren das Material tröpfchenweise abgelegt. Das dauert zwar länger, aber man kann im Normalfall eine größere Auflösung erreichen. In beiden Fällen müssen die Materialien immer noch vernetzt werden, damit sie auch die gewünschte Form behalten. Das kann über verschiedene Verfahren zum Beispiel mit UV-Licht oder über die Temperatur geschehen.
Das Druckmaterial besteht ganz allgemein gesprochen aus einer Trägermatrix und den Zellen. Als wir vor knapp zehn Jahren hier am Institut mit dem Bioprinting angefangen haben, wurden synthetische Polymere als Matrix verwendet. Dann kamen die ersten Biotinten wie Alginat auf. Hier am Institut wollten wir immer so biobasiert wie möglich arbeiten. Deswegen haben wir uns auf die extrazelluläre Matrix konzentriert, die ja je nach Gewebe für verschiedene Eigenschaften sorgen kann: hart und porös wie bei Knochen oder elastisch wie bei der Haut. Ein Beispiel für so eine Biotinte ist Gelatine, die nichts anderes als denaturiertes Kollagen ist. Und Kollagene stellen mit 30% der Proteinmasse bekanntermaßen den Großteil der Proteine beim Menschen dar. Kollegen hier am Institut machen die Gelatine durch den Zusatz von Methacrylgruppen vernetzbar. Das Verfahren ist patentiert und man kann damit Gelatine-Hydrogele mit Festigkeiten von Fettgewebe bis hin zu Nasenknorpel herstellen. Eine Weiterentwicklung dieser Methode ist die Beimischung von Hydroxyapatit, um eine knochenähnliche Biotinte zu erhalten. Dabei muss man natürlich immer im Auge behalten, dass das Material druckbar bleibt. Kurzum: Unser Ziel ist es, gewebespezifische Biotinten zu designen.
Beim Tissue Engineering gibt es eine natürliche Grenze, ab der die Zellen innerhalb der Struktur nicht mehr über Diffusionsvorgänge versorgt werden können. Die Versorgung mit Blutgefäßen wie in echten Organen ist bis heute nicht nachbildbar. Hier werden in meinen Augen Hoffnungen geschürt, die in absehbarer Zeit nicht erfüllbar sind, zum Beispiel was gedruckte Ersatzorgane angeht. Sicherlich ist zum Beispiel die Lebernachbildung von Organovo, dem Marktführer im kommerziellen 3D-Gewebedruck aus den USA, ein sehr gutes Konstrukt. Bis zu einer gedruckten Leber, die zum Beispiel an die Stelle der vorgeschriebenen Tierversuche bei den Toxizitätstests neuer Wirkstoffe treten kann, ist es aber noch ein weiter Weg. Unter den Organen und Geweben haben Haut und Knorpel eine gewisse Ausnahmestellung. Beide kommen ohne eine starke und engmaschige Blutversorgung aus. Folglich ist spanischen Forschern vor wenigen Wochen bei der Haut ein Durchbruch beim Organdrucken gelungen.
Wir hier in Stuttgart forschen weiter an Möglichkeiten, wie wir die Vaskularisierung, also die Blutgefäßversorgung, nachbilden können. Erfolgversprechende Ergebnisse haben wir bei unseren vaskularisierten Knochen. Da haben wir mit zwei Biotinten gedruckt. In die eine waren Endothelzellen gemischt, in die andere Knochenzellen. Je nach Zelltyp kommt unter Umständen auch eine anderes Druckmaterial zum Einsatz. Das muss man bei der Herstellung der Biotinten immer beachten. In solchen Co-Kulturen mehrerer Zelltypen sehen wir übrigens die Zukunft im Bereich Biofabrication. Allein durch das Zusammenbringen von nur zwei Zelltypen sehen wir schon viel bessere Ergebnisse, als wenn wir nur mit einem der beiden Zelltypen arbeiten.
Obwohl es schon einige Start-ups im Bereich Biofabrication gibt, dürfte der kommerzielle Erfolg beim Organdruck noch ein paar Jahre ausbleiben. Im Bereich präklinische Tests und Toxizitätsstudien für die Pharmaindustrie dürfte eher Geld zu verdienen sein. Als Fraunhofer-Institut sind wir diesbezüglich immer auf der Suche nach Industriekooperationen.
LABORWELT
In welche Richtungen wird beim Thema Bioprinting derzeit am intensivsten geforscht?
Gelinsky
Beim extrusionsbasierten 3D-Druck mit Biomaterialien stehen aktuell die folgenden zwei Aspekte im Vordergrund: Zum einen ist das die Entwicklung geeigneter Biomaterialien. Im Prinzip kann man jedes bei Raumtemperatur pastöse Material verarbeiten. Von der Konsistenz wären beispielsweise Schmelzkäse oder Zahnpasta ziemlich ideal. Die Kunst – speziell beim Bioprinting, also dem 3D-Drucken mit lebenden Zellen – besteht darin, biokompatible Materialien ausfindig zu machen, die sich nach dem Druck auch noch stabilisieren lassen, ohne die Zellen dabei zu schädigen. Diese Stabilisierung oder auch Vernetzung ist zwingend notwendig. Ein Beispiel: Eine an der Luft gedruckte Zahnpastastruktur würde ohne eine solche Vernetzung bei Lagerung in einer physiologischen Lösung einfach zerfallen. Das Drucken mit Biomaterialien geht natürlich umso schneller, je fester das zu verarbeitende Material ist, weil so dickere Stränge abgelegt werden können. Noch wurden keine großvolumigen, klinisch relevanten Strukturen durch Bioprinting erzeugt. In unserem Labor können wir 1 cm3 große Strukturen komplett an Luft drucken, bevor sie vernetzt werden müssen. Eine clevere Idee zum Drucken größerer Strukturen ist das Absenken der Plattform in eine Vernetzungslösung während des Druckvorgangs.
Es gibt aber noch einen zweiten großen Forschungstrend, der zu beobachten ist. Das Thema Bioprinting erobert über den medizinischen Bereich hinaus neue Anwendungsfelder. Auch wir hier in Dresden haben dazu beigetragen. Eher nebenbei haben wir es geschafft, 3D-Strukturen mit lebenden Mikroalgen zu drucken. Da waren wir weltweit die ersten. In meinen Augen eröffnen sich hiermit spannende biotechnologische Anwendungen. Das sieht übrigens auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft so, die uns Forschungsgelder für das Thema 3D-Druck von Pflanzenzellen bewilligt hat.
Co-Kulturen aus Algen- und Säugetierzellen
Dass wir uns mit den Algen beschäftigt haben, kam nicht von ungefähr. Wir wollten die Thematik der unzureichenden Sauerstoffversorgung in gedrucktem Humangewebe einmal von einer anderen Seite angehen. Vor etwa zehn Jahren wurde das Thema Co-Kulturen aus Algen- und Säugetierzellen schon einmal von einer israelischen Gruppe bearbeitet. Da haben wir wieder angesetzt. Wenn die Algenzellen beleuchtet werden, produzieren sie Sauerstoff, den wiederum die Säugerzellen benötigen. Wir hoffen, dass wir damit autarke Lebendimplantate herstellen können. Denkbar wäre eine Kombination aus Mikroalgen und humanen Zellen für extrakorporale oder komplett abgekapselte Organersatzsysteme, zum Beispiel für die Diabetestherapie. Entsprechende Ansätze, zur Zeit aber noch mit externer Sauerstoffversorgung, werden am Dresdner Uniklinikum erforscht.
Das Drucken von Pflanzenzellen eröffnet biotechnologische Anwendungsperspektiven. Ein potentielles Thema sind Kaskadenreaktionen. Bei diesen komplexen, mehrstufigen Reaktionen verarbeiten verschiedene Zelltypen in einer festgelegten Reihenfolge eine Ausgangssubstanz zu einem Endprodukt. Das wird bisher in mehreren Bioreaktoren mit je einer bestimmten Pflanzenzellkultur peu à peu nacheinander gemacht. Wenn man nun aber die Pflanzenzellen mit Bioprinting-Verfahren in einem mehrschichtigen Konstrukt geschickt immobilisiert und das Substrat dort hindurchdiffundieren lässt, dann könnte man das Produkt in einem kostengünstigeren Durchflussverfahren herstellen. Für den extrusionsbasierten 3D-Druck ist das Upscaling übrigens keine große Hürde. In China und Dubai wurden jüngst erste richtige Häuser aus Beton mit Hilfe von riesigen Extrusionsdruckern gebaut.
Ich denke, man hat jetzt einen Punkt erreicht, an dem nicht mehr ausschließlich an der Technologie gefeilt werden muss. Jetzt geht es an die Anwendung des Bioprintings. Einer unserer Kooperationspartner druckt zum Beispiel Biofilme aus Mikroorganismen, um deren Aufbau und Organisation besser verstehen zu können. Im Moment geht es fast ausschließlich um medizinische Anwendungen, doch jetzt beginnen auch Forscher aus der Weißen und Grünen Biotechnologie, die Möglichkeiten des Bioprintings wahrzunehmen und aufzugreifen. Wenn diese Disziplinen ihre eigenen Entwicklungen beitragen, so kommt das am Ende auch der medizinischen Forschung zugute, die dadurch ihrerseits einen weiteren Schub bekommen wird.