Joachim Wegener und seine Gruppe an der Fraunhofer EMFT entwickeln und optimieren zellbasierte Assays und Sensoren für die Zellanalytik. Es gibt bereits viele ausgereifte Technologien, doch noch kommen sie trotz all ihrer Vorteile nicht flächendeckend zum Einsatz.
LABORWELT: Woran arbeiten Sie aktuell?
Wegener: Was mich umtreibt, ist, Sensorik viel mehr als bisher in mikrofluidische Zellkulturen zu integrieren. Wir bearbeiten das Problem bislang nur von der sensorischen Seite.. Organ-on-a-chip, body-on-a-chip und so weiter – verschiedene Gewebe mikrofluidisch hintereinander zu schalten, ist brandaktuell. Bereits jetzt können die Zellen mehrerer Organe integriert auf einem Chip miteinander kultiviert werden.
LABORWELT:Warum wird das Thema Sensoren hier immer wichtiger?
Wegener: Das Potential dieser Kultivierungstechnologien wird derzeit im Hinblick auf das kontinuierliche Monitoring der Zellen nicht voll ausgenutzt. Es lassen sich bereits verschiedene Gewebe züchten, zum Teil auch aus Stammzellen. Die modernen Möglichkeiten der sensorischen Überwachung durch akustische, impedimetrische oder optische Sensoren werden aber meist nicht ausgeschöpft. Das Wohlbefinden der Zellen könnte mit einer viel besseren lateralen und zeitlichen Auflösung verfolgt werden, als es gemeinhin getan wird. Das will unser Team unter anderem gemeinsam mit der Firma Presens ändern.
LABORWELT: Nehmen wir ein Beispiel: Biopsiematerial von Krebspatienten wird in einem Mikrofluidiksystem kultiviert und die Wirkung möglicher Therapeutika an diesem System getestet. Wie kann hier eine bessere Sensorik helfen?
Wegener: In einem solchen Szenario könnte die Sensitivität des Zellmaterials auf verschiedene therapeutische Wirkstoffe parallel untersucht werden. Bei Krebs stellt sich natürlich die Frage: Wachsen die Zellen in Gegenwart des Wirkstoffes weiter, bleiben sie unverändert, sterben sie – und mit Blick auf ihre Fähigkeit, Metastasen zu bilden: Bewegen sie sich? Zellformveränderungen und Zellbewegungen lassen sich sehr exakt mit einer Impedanzanalyse auslesen, ohne die Zellen dabei zu beeinflussen. Solche generischen, universell einsetzbaren Sensoren sind unsere Spezialität in der Gruppe. Sie sind nicht-invasiv, markerfrei und automatisierbar. Die beschriebene Impedanzsensorik basiert auf dünnen Filmelektroden, auf denen die Zellen wachsen.
LABORWELT: Was gibt es neben den Impedanzsensoren noch für Optionen?
Wegener: Die pH- und Sauerstoffsensorfilme. Mit der gleichzeitigen Messung beider Parameter erhält man einen differenzierten Eindruck über den Stoffwechsel der Zelle oder des Gewebes. Etablierte, elektrochemische Verfahren sind für Mikrofluidiken nicht geeignet, weil sie Sauerstoff verbrauchen – nicht so die auf Luminiszenz basierenden optischen Sauerstoff- und pH-Sensoren, die wir gemeinsam mit Presens auf zellbiologische Fragestellungen anwenden. Da sie in das Wachstumssubstrat integriert werden können, wachsen die Zellen auch auf den Sensoren. Damit erreicht das System eine hohe örtliche und zeitliche Auflösung der pH- und Sauerstoffsituation innerhalb des Chips. Ein gutes Einsatzfeld dieser Sensoren ist die Vitalitätsbestimmung während eines Experimentes. Die Zellen sollten in einem Zustand kultiviert werden, der der In-vivo-Stituation möglichst nahe kommt. Bei manchen Set-ups leidet die Zelle an Sauerstoffüber- oder -unterversorgung – und nicht aufgrund des veränderten experimentellen Parameters. Die optischen Sensoren können helfen, dieses Problem zu erkennen.
Erschienen in |transkript 1/2019