
Biotech-Investment Lockdown
Am 25. März veröffentlichte die Europäische Kommission die „Guidance to the Member States concerning foreign direct investment and free movement of capital from third countries, and the protection of Europe’s strategic assets, ahead of the application of Regulation (EU) 2019/452 (FDI Screening Regulation)”. Am 25. Mai trat die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) vorgelegte und vom Bundeskabinett beschlossene 15. Novelle der Verordnung zum Außenwirtschaftsgesetz (AWV) in Kraft.
Seither unterliegt jede Beteiligung eines EU-fremden Erwerbers in Höhe von 10% oder mehr an einem deutschen Unternehmen, das für die „… gesundheitliche(n) Versorgung der Bevölkerung wesentliche Arzneimittel … einschließlich deren Ausgangs- und Wirkstoffe, entwickelt, herstellt oder in Verkehr bringt…“ (AWV §55(1)9.), der Zustimmung des BMWi. Aufgrund der breiten Formulierung ist die Mehrzahl aller deutschen Biotechnologie-Unternehmen betroffen. Gemäß AWV §55(1)10. und 11. gilt diese Zustimmungspflicht auch für Entwickler von Diagnostika und medizintechnischen Geräten mit Anwendung im Bereich schwerer Infektionskrankheiten.
Als unionsfremd gilt auch ein in der EU ansässiger Erwerber, wenn ein unionsfremder Investor daran einen Anteil von 10% oder mehr hält (AWV §56(3)). Dies gilt vermutlich für die überwiegende Mehrzahl der in der EU tätigen privaten Venture-Capital-Investoren, deren Beteiligungen an deutschen Biotechnologie-Unternehmen nunmehr der Zustimmung des BMWi unterliegen. Auch Nachfinanzierungen bei existierenden Portfoliounternehmen unterliegen dieser Zustimmungspflicht.
Ein Antrag auf Zustimmung kann beim BMWi nur durch den Investor gestellt werden und erst dann, wenn die Struktur der Beteiligung bereits geklärt ist. Die Prüfung durch das BMWi dauert ab Antragstellung bis zu zwei Monate, bei Initiative des BMWi vier Monate oder länger. Während dieser Zeit darf der Investor keinerlei vertrauliche Informationen mehr vom Zielunternehmen erhalten, also zum Beispiel auch keine Due Diligence durchführen.
Eine Antragstellung durch ein Biotechnologieunternehmen auf Unbedenklichkeitsbescheinigung gemäß AWV vor Beginn einer Finanzierungsrunde ist nicht möglich. Ebenso können Venture Capital-Fonds keine generelle Unbedenklichkeitsbescheinigung für ihre Investitionstätigkeit in Deutschland beantragen.
Der Gesetzgeber hat damit eine neue, extrem hinderliche bürokratische Hürde für die Kapitaleinwerbung von deutschen Biotechnologieunternehmen geschaffen. Speziell diejenigen Unternehmen werden von der Kapitalzufuhr abgeschnitten, die aufgrund ihrer Bedeutung für Deutschland und die EU vor dem Zugriff durch unionsfremde Erwerber geschützt werden sollten. Aber auch die Finanzierungs- und Exitaktivitäten aller anderen Biotech-Unternehmen werden unnötigerweise erheblich erschwert. Insgesamt leidet die Attraktivität des Life-Sciences-Standorts Deutschland in noch nicht absehbarem Ausmaß.
Kommentar aus |transkript 4/2020