Corona und kein Ende in Sicht
Diese |transkript-Ausgabe, liebe Leser, markiert zwar den Abschluss des 26. Jahrganges, ist aber trotzdem eine Premiere: Zum ersten Mal wurde das Heft komplett im sogenannten Homeoffice erstellt, denn Verlag und Redaktion waren wegen eines COVID-19-Falls im familiären Umfeld eines Mitarbeiters geschlossen. Einerseits toll, dass das funktioniert, aber andererseits ziemlich lästig, wenn ausgefeilte Arbeitsabläufe plötzlich nicht mehr möglich sind. Und damit reihen wir uns in die lange Schlange derjenigen ein, die fragen: Wie lange dauert das bloß noch?
Das ist zunehmend eine Frage der Biopolitik. Während der US-amerikanische Präsident seinen Anhängern weiterhin vorgaukelt, noch vor dem Wahltermin im November stünde ein Impfstoff zur Verfügung, steigen witterungsbedingt die Fallzahlen und mindestens drei der großen, internationalen klinischen Studien wurden schon wegen des Auftretens von Nebenwirkungen zeitweise gestoppt. Was Trump nicht sagt: Selbst wenn ein Impfstoff zugelassen wäre, ist die Pandemie damit keineswegs beendet. Klügere Köpfe weltweit denken darüber nach, wer überhaupt wo und wann geimpft werden kann, selbst wenn Millionen Dosen zur Verfügung stehen. Wie oft muss geimpft werden? Wie wirksam sind die Impfungen? Muss die Vakzine – wie bei den mRNA-Impfstoffen zu erwarten – bei -70° Celsius gekühlt werden? Wie lange brauchen Ärzte und Impfzentren, um die zur Beendigung der Seuche notwendigen 60% einer Millionenbevölkerung zu impfen?
Mitglieder der Ständigen Impfkommission (Stiko) beim Robert-Koch-Institut werden in der Presse mit Schätzungen zitiert, dass es mindestens noch ein bis zwei Jahre dauert, bis sich das Leben hierzulande wieder einigermaßen normalisiert. Vorausgesetzt, dass es überhaupt wirksame und sichere Impfstoffe geben wird, versteht sich. Die Wirtschaft arbeitet jedenfalls weltweit mit Hochdruck daran. Unzählige Milliarden fließen in Forschung, Entwicklung und auch Produktionsanlagen. Corona verändert offenbar nicht nur die Reisegewohnheiten von Managern und Touristen, sondern auchspeziell im Pharmabereich die im Zuge der Globalisierung entstandenen Strukturen.
Eine strukturelle Erneuerung ist auch dringend dem Nobelpreis zu wünschen. In diesem Jahr wird einmal mehr deutlich, wie veraltet die Preiskategorien sind. Große Freude ist darüber angezeigt, dass mit Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna zwei Frauen ausgezeichnet wurden – was leider immer noch der Erwähnung wert ist. Doch dass die beiden Molekularbiologinnen für ihre Entwicklung der Genschere CRISPR/Cas mit dem Nobelpreis für Chemie geehrt wurden, kann einen auf die Palme bringen. Die großen Innovationen unserer Zeit bringt die Biologie hervor, was der Herr Nobel im 19. Jahrhundert noch nicht wissen konnte. Hallo Stockholm, Ihr da in der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften, wir leben im 21. Jahrhundert!
Zwei Hausmitteilungen zum Schluss: Mitten im Corona-Shutdown der vergangenen Tage hat ein neuer Kollege bei uns begonnen. Erschwerte Bedingungen für Tobias Thieme, der ab sofort die |transkript-Redaktion verstärkt. Und auch das 33. BioTechnologie Jahrbuch ist von Corona betroffen: Der ursprüngliche Erscheinungstermin im Juni verschiebt sich in diesem Ausnahmejahr auf Anfang Dezember.