Die Lösungen sind schon da
Pessimismus wabert durch das Land, Angst soll laut Presse selbst die Mittelschicht erfasst haben. Klima, Corona und Energie legen sich im Dreierpack auf die Stimmung einer überalterten Bevölkerung, die ohnehin Veränderungen jeder Art skeptisch gegenübersteht. Manchmal frage ich mich, wie sich eigentlich die Zeitgenossen früherer Hochkulturen gefühlt haben, wenn ihnen klar wurde, dass die Kipppunkte ihrer wohlhabenden Gesellschaften überschritten waren? Wie war das in Rom, Athen, Karthago, Tenochtitlan oder Cusco? Wahrscheinlich haben sie die Tragweite der Entwicklungen genauso verdrängt wie wir heute.
Unser aktuelles Hauptproblem ist nicht der ebenso furchtbare wie total sinnlose Krieg in der Ukraine mit seinen weltweiten Folgen, sondern die Klimakatastrophe. Das Problem ist seit Jahrzehnten international als solches anerkannt, nur bekommen wir es einfach nicht in den Griff. Nach Berechnungen des New Climate Institute kann überhaupt keine Rede mehr davon sein, dass die Länder dieser Welt den CO2-Ausstoß bis 2030 halbieren. Im Gegenteil, es wird befürchtet, dass wir zu diesem Zeitpunkt sogar doppelt so viel CO2 in die Atmosphäre abgeben wie zur Erreichung des 1,5°-Zieles notwendig wäre. In der Folge dürfte die Durchschnittstemperatur bis zum Ende des Jahrhunderts um 3,5° steigen. Das liegt innerhalb der statistischen Lebenserwartung der heute geborenen Kinder! Nur dass die dann wohl durch eine öde Halbwüste stapfen, wenn sie nicht in den unweigerlichen Verteilungskämpfen vorher zu Tode gekommen sind.
Als notorischer Optimist will ich einfach nicht glauben, dass es soweit kommt. Leider muss es meist erst schlimmer werden, bevor es besser werden kann: Die Menschheit muss auf Ebene des Individuums erst richtig unter Druck kommen, bevor etwas zur Lösung getan wird. Corona war ein gutes Beispiel, wozu Wissenschaft und Wirtschaft in der Lage sind, wenn ein Problem nicht nur prognostiziert, sondern schmerzlich fühlbar wird. Dieser Ablauf wird im Falle der Klimagase die Biosphäre unseres Planeten grausam schädigen, doch er ist zumindest ein vager Lichtblick.
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass in Form der mRNA-Impfstoffe die Rettung in der Corona-Krise aus der Biotechnologie kam. Diese Erfahrung hat man in der aktuellen Energiekrise sofort wieder vergessen. Kaum jemand spricht mehr von der Biologisierung der Indus-trie, dem Einbetten unseres Wirtschaftens und Lebens in die natürlichen Kreisläufe unserer Erde. Vielen Dank, Wladimir, für Deinen diesbezüglichen Beitrag in diesem Jahr. Wir Deutschen hatten auch schon mal einen Führer, der lieber sein ganzes Land untergehen ließ, als von seinen schwachsinnigen Ideen zu lassen.
Das Gute kommt zum Schluss: Bei der INDUSTRIA BIOTEC (S. 30 ff) waren auffallend viele junge Leute voller Ideen und Tatendrang. Nach den „Solutions for an endangered planet“ gefragt, lautete deren Antwort: Die Lösungen haben wir längst parat, woran es mangelt sind Skalierung, Finanzierung, Rahmenbedingungen, politischer Rückhalt. Ineffiziente Behörden, träge Kapitalmärkte und vor allem die immer noch riesige Marktmacht der Fossilindustrien lassen den Kampf Biotechnologie gegen Öl an die klassische Geschichte von David gegen Goliath erinnern. Und wie die ausging, gibt uns dann doch wieder Hoffnung.
Das Editorial ist der aktuellen Ausgabe von |transkript entnommen.