Die Plastik-Apokalypse droht
Eine Flut schwappt auch schon mal zurück, das ist physikalisch nichts ungewöhnliches. Trotzdem schwant jetzt selbst den hartnäckigsten Ignoranten Übles: Seit China seine Grenzen für Plastikmüll geschlossen hat, droht die Plastikmüllflut nicht nur die Meere, sondern auch die Erzeugerländer zu überschwemmen. Das unfassbare Ausmaß des Problems haben amerikanische Wissenschaftler beziffert, wie Sciences Advances unlängst berichtete. Mehr als 8 Milliarden Tonnen Plastik sind weltweit bislang produziert worden, von denen nur 9% recycelt wurden. Bis 2030 könnten 111 Mio. t Plastikmüll sozusagen herrenlos werden, wenn der Handel mit dem Zeug zusammenbricht – das ist ein Drittel einer globalen Jahresproduktion. Geschätzt bis zu 11 Mio. t landen schon jetzt in den Weltmeeren, pro Jahr! Natürlich setzt die Kunststoff-Industrie auf eine höhere Recycling-Quote, obwohl das in den meisten Entwicklungs- und Schwellenländern eine noch größere Luftnummer ist als bei uns. Und geradezu rührend mutet die Initiative der EU-Kommission an, Plastik für verschiedene Einwegprodukte wie Wattestäbchen und Trinkhalme zu verbieten.
Immerhin gibt es in den Entwürfen für das 9. Forschungsrahmenprogramm der EU einen neuen Schwerpunkt, der sich „Global Challenges“ nennt. Vielleicht hilft ja der Blick auf das große Ganze bei der Problembewältigung. Ich hätte überhaupt nichts gegen Plastik auch für Einweggeschirr, wenn es denn aus nachwachsenden Rohstoffen bestünde und biologisch vollständig und unter Normalbedingungen auch an Land abbaubar wäre. Michael Carus vom nova-Institut schrieb kürzlich dazu in European Biotechnology: „Die EU-Kommission und auch die Mitgliedsländer haben in den letzten zehn Jahren etliche Millionen ausgegeben, um solche Kunststoffe zu entwickeln, zu zertifizieren und zu labeln. Heute gibt es etliche Produzenten, doch diese neuen Kunststoffe sind halt noch etwas zu teuer, um zum Selbstläufer zu werden.“ Er fordert, den biologisch abbaubaren Kunststoffen im Markt eine Chance zu geben. Nicht nur bei den üblichen Einmal-Produkten, sondern auch bei den vielen Plastiksachen, die grundsätzlich in der Umwelt landen, etwa Mulchfilme, Baumschutzhüllen, Pflanzenclips, Trägerpolymere für Dünger und Pflanzenschutzmittel, Kunststoffköder im Meer und vieles andere. Es wäre in der Tat ein Irrwitz, wenn biologisch abbaubare Kunststoffe unter das Plastikverbot fallen würden.
Welchen Anreiz könnte der Staat geben, um Bioplastik in den Markt zu drücken? In meinem biopolitischen Beitrag im neuen BioTechnologie Jahrbuch 2018 schlage ich einen ungewöhnlichen Weg vor: einen Wettbewerb! Der Wettbewerb ist nicht nur im ökonomischen, sondern auch im spielerischen Sinne eine unglaublich starke Triebfeder des menschlichen Verhaltens. Man denke nicht nur an das aktuelle Brimborium um die Fußball-Weltmeisterschaft, sondern auch an frühere Wettbewerbe um technologische Glanzleistungen. Immer wurden große Ziele gesetzt, ein ideeller oder materieller Preis ausgelobt und es der Kreativität oder Genialität der Teilnehmer einschließlich ihrer Finanziers überlassen, welche Lösung sich durchsetzt. Also, es müsste ein saftiger Preis von, sagen wir mal, 100 Mio. Euro ausgelobt werden, den das Industrie-Konsortium bekommt, das als erstes 100 Mio. Tonnen derartigen Bioplastiks im freien Markt verkauft! Den Ruhm gibt es gratis dazu.