Raus aus der Endlosschleife!
> Geht Ihnen das allgegenwärtige Gequatsche auch auf den Wecker, liebe Leser? Haben Sie auch das Gefühl, dass schier endlos über immer die gleichen Themen gelabert wird, währenddessen alles stillsteht? Nur ein paar Beispiele aus den zurückliegenden Wochen. Da ist Deutschland nun nach jahrzehntelangen Debatten und Gesetzen endlich aus der unbezahlbaren Uralttechnologie ausgestiegen, mit Kernspaltung nebst ionisierender Strahlung Wasser zu kochen – und was machen Wichtigtuer wie der Herr Söder? Er fordert bayrische Landes-Atomkraftwerke und alle berichten darüber. Dass der hochrisikobehaftete Atomstrom mindestens dreimal so teuer ist wie erneuerbare Energien? Dass Frankreich im Sommer nicht einmal seine vorhandenen AKWs noch kühlen kann? Dass die Ukraine mit dem AKW Saporischschja quasi in nukleare Geiselhaft genommen wird? Alles egal, Hauptsache, man kommt in die Schlagzeilen. Ruhe jetzt, möchte man ausrufen, der Drops ist gelutscht!
Oder die Sache mit dem „Inflation Reduction Act“, der die europäischen Firmen nun reihenweise in die USA lockt. Das wird allerorten lautstark be-klagt und auf das konkurrierende EU-Förderprogramm verwiesen, doch an die Beseitigung des großen Unterschiedes macht sich niemand: Während die Amerikaner das Ganze über eine einfache Steuergutschrift regeln, muss hierzulande eine Flut von Anträgen gestellt werden. Überhaupt ist Europa fördertechnisch in der Zeit des Absolutismus steckengeblieben: Der Bürger muss einen Antrag bei der Obrigkeit einreichen, diese befindet dann irgendwann darüber und schüttet im Falle der Zustim-mung ihr Füllhorn aus. So werden wir die globalen Herausforderungen niemals stemmen können.
In Deutschland kommt erschwerend ein fataler Hang zur Planwirtschaft dazu. (Das Scheitern der DDR ist wohl schon zu lange her.) Die Regierung maßt sich an, festzulegen, was der technische Stand im nächsten Jahrzehnt ist. Statt ambitionierte Ziele vorzugeben und streng zu kontrollieren, Belohnungen auszuloben und dann die Wissenschaft, die Wirtschaft und die Bürger machen zu lassen. Ein Vorschlag: Für jedes mit Solarkollektoren vollgestellte Flachdach in Deutschland gibt es einen großen Steuernachlass X, verbunden mit einem Y, wenn die Module aus europäischer Produktion stammen. Irgendjemand hat ausgerechnet, dass unser Energieproblem damit komplett gelöst wäre.
Noch mal zurück: Ein Nebeneffekt dieser Endlosschleife ist, dass kaum Raum für Neues bleibt. Wenn immer wieder über längst Entschiedenes diskutiert wird, spricht keiner mehr über Alternativen, die noch nicht in aller Munde sind. Darunter leidet auch die Biotechnologie: Ihre Lösungen in der aktuellen Klimakrise werden viel zu wenig wahrgenommen. Unsere Titelgeschichte ist ein gutes Beispiel dafür.
> Auch die INDUSTRIA BIOTEC, die am 21. und 22. September wieder in Berlin stattfindet, will die Biologisierung der Industrie durch Sichtbarmachung der Lösungen vorantreiben. In diesem Jahr steht am zweiten Tag der Dialog mit der Politik und der Öffentlichkeit im Mittelpunkt.
> Start-ups gehört die Zukunft! Premiere in diesem Heft: CATALYSER, das Start-up-Magazin aus dem Hause Sartorius. Herzlich willkommen!
Das Editorial ist der aktuellen Ausgabe von |transkript entnommen.