Seid umschlungen, Millionen!
Es hilft alles nichts, liebe Leser, COVID-19 bestimmt weiterhin einen Großteil unseres Lebens. Den einen stört die lästige Maske beim Einkaufserlebnis, andere liegen auf der Intensivstation. Unzählige Unternehmen kämpfen ums Überleben, andere erleben staunend eine Sonderkonjunktur. In Deutschland macht sich der Staat mit Schuldengeld im Wirtschaftsleben breit, während es an den Börsen in Sachen Corona äußerst lebhaft zugeht. Selbst der Begriff Biotechnologie erweist sich plötzlich wieder als quicklebendig, Forscher und Unternehmen der Lebenswissenschaften stehen im Fokus der Aufmerksamkeit. So eine Pandemie bringt Unglück und Verderben, doch birgt sie auch die Chance, dass wir uns darauf besinnen, was wirklich wichtig ist: nicht Mode, Konsum, Schnickschnack, sondern ein gutes, gesundes, nachhaltiges Leben im Einklang mit den biologischen Gesetzmäßigkeiten unseres Planeten.
Es ist gut, dass wir miteinander streiten, wie es weitergehen soll. Dafür (ge)brauchen wir Worte und Bilder. Der des Zentralismus nicht sonderlich verdächtige Ministerpräsident Bayerns beklagt sich lautstark über den „Flickenteppich“ der Corona-Maßnahmen im föderalen Deutschland – so ein billiges, schlechtes Textil will halt keiner haben. Man könnte das auch anders sehen und formulieren: Deutschland verfügt über eine große Diversität an Maßnahmen, die dem Gemeinwesen eine gesteigerte Resilienz gegenüber einer zweiten Corona-Welle verleihen. Klingt doch nicht schlecht, oder? Nur das mit der Welle ist Käse. Laut Spiegel hält die britische Linguistin Elina Semino von der Universität Lancaster gar nichts von diesem Sprachbild, sondern schlägt als geeignetere Metapher den „Waldbrand“ vor. Anders als bei einer unaufhaltsam heranrollenden Welle würde eine Pandemie eher wie ein Feuer ablaufen: Große Brände wüten verheerend, können aber gelöscht werden, doch es gibt immer wieder Glutnester, die der Wind neu entfacht. Die Gegenmaßnahmen und die Bedingungen ändern sich ständig, man muss für lange Zeit aufpassen, dass nicht wieder ein Großfeuer entsteht. Funken (=Viren) können zu neuen Bränden führen. Abstandsregeln und Masken entziehen dem Feuer die Nahrung. Ein kluger Vorschlag, Frau Semino. Ob er die Dauerwelle in den Köpfen ersetzen kann?
Werfen wir einen Blick in diese |transkript-Ausgabe: Wir staunen unter anderem über die „Performance“ deutscher Biotech-Unternehmen an amerikanischen Börsen, wir schauen auf die innerparteiliche Diskussion bei den Grünen in Sachen CRISPR/Cas & Konsorten, wir beleuchten in der LABORWELT Fortschritte in der Zell- und Genanalyse bis hinab auf das zelluläre und subzelluläre Niveau und fragen in der Titelgeschichte, warum der Corona-Fördergeldregen bislang die Entwickler zielgerichteter Antikörper und Therapien nicht erreicht.
Eben diese Fördermillionen steckt der Staat vor allem in Vakzineprojekte. Mit der Aussicht auf einen baldigen Impfstoff will man beruhigen. Doch die Nähe zu anderen Entscheidungen dieser Art lässt eher Misstrauen keimen: Die derzeitige deutsche Bundesregierung hat den fatalen Hang, nicht nur Ziele vorzugeben und Rahmenbedingungen zu setzen, sondern selbst zu entscheiden, welche Technologien diese Ziele erreichen sollen. Unrühmliche Stichworte: Agentur für Sprunginnovationen, Elektromobilität, Energiewende. Bald auch Impfstoffe?