Vom Bohren dicker Bretter
Dringlich I
Von „Parallelwelten“ sprach in einem Interview, das ich dieser Tage irgendwo gelesen habe, ein Jungunternehmer und meinte die quirlige Gründerszene in Berlin und die behäbige Regierung nebenan. Nach dem wochenlangen Streit von Seehofer, Nahles, Merkel & Co. über die Causa Maaßen fragt man sich wirklich, ob „die Politik“ überhaupt noch die Zeit findet, sich um die wirklich wichtigen Probleme des Landes zu kümmern. In der Rubrik „Klartext“ finden Sie, liebe Leser, im aktuellen Heft zum Beispiel die Einschätzung, dass die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zu CRISPR-Cas & Co. nicht nur den Agrar-, sondern auch den Pharma- und Lebensmittelsektor betrifft. Was es noch einen Schuss dringlicher macht, dass die neue Technik des Genomeditierens gesetzlich schnell und umfassend neu geregelt wird. Wie kommt es nur, dass mir bei diesem Gedanken ein oller Schlager aus den 60ern durch den Kopf dudelt: „Sag mir quando, sag mir wann …“
Dringlich II
Auch auf die im Grundlagenvertrag der GroKo versprochene „Agenda Biologisierung“ warten wir noch. Der einflussreiche Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) macht jetzt im Schulterschluss mit der BIO Deutschland und Großunternehmen Druck. Immerhin scheint nunmehr die Hightech-Strategie 2025 Fahrt aufzunehmen: schnellere Umsetzung von Forschungsergebnissen in marktfähige Produkte, Dekarbonisierung der Industrie und Aufholjagd bei der Digitalisierung – das Ganze ausgerichtet an 12 großen Zielen für gesellschaftlichen Fortschritt. Da beschreiben wir ein dickes Brett, das es zu bohren gilt. Dass VCI & Co. dabei gleich die steuerliche Förderung von F&E auch für Großkonzerne fordern, obwohl es die noch nicht einmal für winzige KMUs gibt, ist da wohl nur eine Randnotiz.
Dringlich III
Die Weltbank hat ausgerechnet, dass die Menschheit aktuell 2 Mrd. Tonnen Müll pro Jahr produziert. Wenn nicht entschieden gegengesteuert wird, dürfte dieser gigantische Müllberg durch Bevölkerungszunahme und Urbanisierung bis 2050 um 70% auf 3,4 Mrd. t ansteigen. Immerhin scheint das Thema in der Wirtschaft anzukommen, während „die Politik“ noch die eine oder andere Absichtserklärung unterschreibt. Alle großen Einzelhändler zum Beispiel versuchen ernsthaft, die Plastikflut zurückzudrängen. Wenn nun noch die Verbraucher mitmachen würden. Im Supermarkt meines Vertrauens packen weiterhin alle das lose Obst in Plastiktüten – sogar die Bananen!
Erfolgreich
Die jüngsten Indexumstellungen der Deutschen Börse wurden viel beachtet, vor allem die nun mögliche Parallelnotierung der TecDAX-Werte in S-, M- und DAX-30. Die Biotechnologie ist im TecDax mit Qiagen, Evotec, Sartorius und Morphosys weiterhin gut vertreten. Interessant ist, dass dies alles mehr oder weniger „Hacke und Schaufel“-Unternehmen sind, die neben eigener Forschung auch Dienstleistungen oder Produkte für Dritte anbieten. Also genau das Geschäftsmodell, das die „Fokussierung“ liebenden VC-Investoren den KMUs so gerne ausreden. Mit Medigene musste der letzte reine Medikamentenentwickler den TecDax gerade verlassen.