Warum die Translation von Stammzelltherapien stockt
Das German Stem Cell Network (GSCN) stellte sein White Paper „Translation – von der Stammzelle zur innovativen Therapie“ Mitte November in Berlin in Gegenwart von Parlamentariern vor. Das deutsche Stammzellnetzwerk hat darin bestehende Hürden und Lücken im Translationsprozess analysiert und Handlungsempfehlungen zur klinischen Translation von Stammzellforschung in Deutschland erstellt. Das „internationale Wettrennen“ um Zelltherapieanwendungen sei gestartet und Deutschland darauf nicht gut vorbereitet.
„Obwohl der Forschungsstand in Deutschland internationales Spitzenniveau hat, bleibt die medizinische Translation, also die Anwendung in Form von Therapien, hinter den Erwartungen zurück", so Daniel Besser, Geschäftsführer des GSCN. Die für das White Paper befragten nationalen und internationalen Stammzellexperten empfehlen unter anderem die Einrichtung von auf ATMP-Therapien („Arzneimittel für neuartige Therapien“ – Advanced Therapy Medicinal Products), spezialisierten „Clinical Trial Units“ an deutschen Universitätskliniken. Solche Therapien sind neuartige und meist individualisierte Therapieansätze, deren Erprobung in randomisierten kontrollierten klinischen Studien nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechendes Know-how in Planung, Durchführung und Auswertung erfordert. In besagten „Clinical Trial Units“ könnten Stammzellforscher, Kliniker und die zuständigen Behörden eng zusammenarbeiten.
Das größte Potential für künftige stammzellbasierte Therapien sehen die Stammzellexperten in der Anwendung von humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen). So stehen zum Beispiel mehrere Forschergruppen aus Deutschland in fortgeschrittenen Stadien der präklinischen Entwicklung von im Labor hergestelltem Herzmuskelersatzgewebe, das aus solchen pluripotenten Stammzellen gewonnen wurde. Sollte sich dieser Therapieansatz in Zukunft als sicher und wirksam erweisen, ließe sich damit ein breiter Markt mit einem großen medizinischen Bedarf bedienen. Eine große Hürde ist laut GSCN der im Stammzellgesetz festgelegten Stichtag (1. Mai 2007). Mit nach diesem Datum gewonnenen hES-Zellen darf nicht geforscht werden. Nur wenn der Zugang zu in jüngster Zeit gewonnenen hES-Zellen sichergestellt sei, werde eine effiziente Zusammenarbeit und Nutzung der Ergebnisse aus europäischen und weltweiten Netzwerken möglich.
„Es ist absehbar, dass als Ausgangspunkt für Gewebeprodukte künftig vor allem Zellen zur Anwendung kommen, die im Ausland nach dem Stichtag gewonnen wurden”, sagt Besser. Weiterhin sei der größte Teil klinisch zulassungsfähiger ES-Zellen erst in den vergangenen Jahren unter den erforderlichen Bedingungen der guten Herstellungspraxis (GMP) gewonnen worden.
Ein zweiter Punkt ist der Forschungsvorbehalt. Gemäß Stammzellgesetz können hES-abgeleitete Zellen in klinischen Studien untersucht werden, da es sich hier um Forschungsaktivitäten handelt. Sobald hES-Zellen jedoch routinemäßig für die Herstellung von Zellprodukten für klinische Anwendungen genutzt werden sollen, wäre dies gemäß Stammzellgesetz nicht zulässig. Dieser Forschungsvorbehalt schränkt den Translationsprozess erheblich ein, stellt das GSCN fest. Die Möglichkeit einer über die Forschung hinausgehenden Nutzung von ES-Zellen zur Herstellung von Zellprodukten für die Entwicklung von Therapien sei jedoch essentiell.
„Eine Lösung wäre die Einführung eines nachlaufenden Stichtages oder dessen komplette Streichung. Zudem sollte der Forschungsvorbehalt im Stammzellgesetz zugunsten einer möglichen klinischen Anwendung auf hES-Zellen basierten Zelltherapien aufgehoben werden”, fasst Besser die Forderungen der Stammzellexperten zusammen.
© transkript.de/ml