Alles fliesst
Einer der größten Erfolge der Biokatalyse der vergangenen Jahre waren neue Enzyme für die selektive und effiziente Synthese von Aminen. Viele dieser Amine sind als Farbstoffe, Tenside, Feinchemikalien, Agrochemikalien sowie pharmazeutische Wirkstoffe bekannt und nachgefragt. Bei der Synthese der Moleküle kommt es sehr häufig darauf an, dass die charakteristischen Aminogruppen in der richtigen räumlichen Orientierung eingefügt werden. Während bei der klassischen Synthese wirksame und unwirksame Molekülspiegelbilder aufwendig getrennt werden müssen, können die neuen Enzyme die Reaktion in das gewünschte Spiegelbild spezifisch katalysieren.
Diese sogenannte enantioselektive Produktion von Aminen mit Enzymen wurde jüngst erstmals in großem industriellen Maßstab (200g/l) durch den US-Pharmakonzern Merck & Co. bei der Herstellung des Diabetes-Medikaments Sitagliptin angewendet. Dem Entwickler des Prozesses, die US-Biotech-Firma Codexis, gelang es, eine bestimmte Transaminase so zu modifizieren, dass das Enzym ein komplexes anstelle seines einfach aufgebauten nativen Substrates sowie die hohe Prozesstemperatur und das organische Kolösungsmittel tolerierte.
Biotechnologie statt organischer Chemie: Steht in der Wirkstoffherstellung ein Umbruch an – oder handelt es sich um einen Einzelfall? Von einer Wachablösung mag Christof Niemeyer, Inhaber des Lehrstuhls für Chemische Biologie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), nicht sprechen, aber „das Thema fliegt“. Enzyme punkten mit einer hohen Chemo-, Regio- und Stereoselektivität. Im Vergleich zur chemischen Katalyse werden zudem keine toxischen, schwer zu installierenden und schlecht zu entsorgenden Schutzgruppen und deutlich weniger organische Lösungsmittel benötigt. Zudem ist die Synthese oft einfacher und schneller. „Bei Naturstoffsynthesen kommen derzeit geschätzt bei 10 bis 15% der Syntheseschritte Enzyme zum Einsatz – Tendenz steigend!“ so Niemeyer. Er räumt allerdings ein, dass der oft tückische Umgang mit Enzymen einer besseren Marktdurchdringung im Wege steht: „Viele Forscher in Industrie und Akademia fassen einen enzymbasierten Syntheseweg anfangs durchaus ins Auge, geben dann aber frustriert auf, weil die schnellen Erfolge ausbleiben.“
Die Umstellung einer etablierten chemischen auf eine neue biotechnologische Synthese ist kein Selbstläufer. Das zeigt auch folgendes Beispiel: Forscher des Austrian Centre of Industrial Biotechnology konnten 2013 die Synthese des Pflanzenschutzmittels Dihydropinidin deutlich vereinfachen (s. Abb. 1). Statt bis zu 14 beschwerliche chemische Schritte benötigt der neue Syntheseweg nur zwei chemische und einen zentralen enzymatischen Schritt mit einer Transaminase – bei hoher Ausbeute und Selektivität. Trotz dieses überzeugenden Forschungserfolgs ist die damals in Aussicht gestellte Industrieproduktion des Mittels zur Bekämpfung von Käferplagen in Nordeuropa noch nicht in Gang gekommen, wie Prof. Wolfgang Kroutil von der Universität Graz auf |transkript-Nachfrage bestätigte. Augenzwinkernd attestiert er den etablierten Herstellern eine hohe „psychische Aktivierungsenergie“. Mittlerweile haben Kroutil und sein Team diese Energie erfolgreich aufgebracht, denn erste Versuche zur großtechnischen Produktion sind im Gange.
Sackgasse Enzym-Lego
Wie für ein recht junges Forschungsfeld wie die Biokatalyse üblich, gibt es Hürden zu überwinden und man endet ab und zu in Sackgassen. „Vor 15 Jahren war das Schlagwort Legoisierung in aller Munde“, erinnert sich Niemeyer, seines Zeichens organischer Chemiker. Anlass waren erste Arbeiten mit Polyketidsyn-thasen, die mehrere katalytische Domänen aufweisen. Die Hoffnung war, dass die einzelnen Domänen solcher Superenzyme einfach nur anders angeordnet und ausgetauscht werden müssen, um komplett neue Synthesen möglich zu machen. Diese Hoffnung wurde aber enttäuscht, da die korrekte Faltung der Aminosäureketten zu solchen Superenzymen in den meisten Fällen misslang.
Fliessen statt rühren
Das Thema Modularisierung treibt die Forscher weiterhin um. Aussichtsreichste Technologie ist die Fluss(bio)chemie beziehungsweise Durchfluss(bio)katalyse. Statt großer Kolben oder Tanks, in denen immer nur eine Reaktion abläuft, liegt die Zukunft Niemeyers Meinung nach in sogenannten meso- (Säulen) und mikrofluidischen Reaktordesigns (Mikrochips): „Die Flusschemie verändert die organische Synthese von Grund auf und die Erweiterung des Konzepts zur Flussbiochemie ist in vollem Gange.“ Weltweit gibt es eine Hand voll Firmen, die Kartuschen mit immobilisierten Palladiumkatalysatoren oder anderen Chemokatalysatoren anbieten. Die Nachfrage ist hoch und Niemeyer verweist auf eine Reihe von neuen, komplexen und hochrangig publizierten Naturstoffsynthesen in den vergangenen zwei Jahren. „Perspektivisch wird es solche Kartuschen auch mit Enzymen als Katalysatoren geben,“ glaubt er.
Egal ob mit chemischen oder biologischen Katalysatoren – die Produktmenge, die ein Mikroreaktor liefert, ist trotz der extrem effizient ablaufenden Reaktion überschaubar. Für Mengen, die die Pharmaindustrie für erste präklinische Tests benötigt, eignen sich solche Systeme aber trotzdem, da die Produktion skaliert werden kann. Weil man bei größeren Durchflussreaktoren den Bereich laminarer, also verwirbelungsfreier Strömungen und damit viele Vorteile des Systems (siehe Hintergrund) wieder verlieren würde, kommen einfach mehrere Mikroreaktoren parallel zum Einsatz. „Heutzutage sind Mikrochips Cent-Artikel. Wenn der Aufbau des Mikrofluidiksystems optimiert ist und auch die Chemie dahinter passt, dann wird der etablierte Prozess einfach tausendfach parallel durchgeführt. 100 Chips, zehn Tage, macht 10 Gramm“, rechnet Christof Niemeyer vor.
Knackpunkt Immobilisierung
Für den Erfolg der Durchflussbiokatalyse ist ein Aspekt besonders wichtig: Wie werden die Enzyme im Mikroreaktor fixiert? Ende 2018 stellte Niemeyer zusammen mit Erstautor Theo Peschke und Gruppenleiter Kersten Rabe ein neues System für die Immobilisierung von Enzymen vor. Das Zwei-Enzym-System zur Synthese eines chiralen Alkohols ist bioabbaubar, recycelbar und leistungsfähig. Der Clou: Beide Enzyme wurden gentechnisch so verändert, dass sie beim Mischen ein stabiles, gelartiges Polymer bilden. Mit dem Gel wurde der Mikroreaktor ausgekleidet und dort damit eine zuvor nicht erreichte Konzentration an immobilisierten Enzymen verwirklicht. „Anhand verschiedener Enzyme und Technologien konnten wir in den vergangenen Jahren zeigen, dass genetisch einfügbare Modifizierungssysteme zur Immobilisierung von Enzymen genutzt werden können, ohne dass diese an Aktivität verlieren“, erläutert Rabe, der maßgeblich an der Entwicklung beteiligt war, gegenüber |transkript. „Das ist alles andere als ein Kinderspiel“, fügt Niemeyer hinzu. „Über viele Jahre wurde mit Lipasen gearbeitet. Diese sind knackstabil – auch wenn sie zum Beispiel mit hochkonzentrierten organischen Lösungsmitteln gemischt werden. Während immobilisierte Lipasen den Weg in technische Anwendungen gefunden haben, ist dieser für fast alle anderen Enzymklassen aufgrund der mangelnden Stabilität noch verschlossen.“
Das Thema Enzymstabilität ist vielschichtig. Enzyme fühlen sich in wässrigen Lösungen zuhause. Da viele Ausgangsstoffe hydrophob sind, kommen aber oft organische Lösungsmittel zum Einsatz. Deren Gegenwart müssen die Enzyme aushalten und noch dazu tolerant gegenüber pH-Wert- und Temperaturänderungen sein. Die Immobilisierung der Lipase LipC12 – mit möglichen Anwendungen bei der Gewinnung von Biodiesel und Aromastoffen – verbesserte laut brasilianischen Wissenschaftlern die Leistung des Enzyms um das 3,5-Fache und seine Stabilität um das 5.000-Fache. Eine Verankerung von Enyzmen kann Aktivität und Stabilität aber auch verschlechtern. Ein Standardverfahren hat sich noch nicht herausgeschält und es gilt, Anwendung für Anwendung das Optimum herauszufinden.
Trägerfrei ist besser
Unter der Vielzahl von Immobilisierungsmethoden (s. Abb. 2) sticht der Gel-Ansatz der Karlsruher Forscher durch einen klaren Vorteil heraus: Es werden praktisch keine zusätzlichen Trägerstrukturen benötigt, die wertvollen Platz im Reaktor einnehmen. Die meisten Enzymträger sind Teilchen oder Gitter aus metallischen Materialien (zum Teil magnetisch), aus Kunststoff, aus Graphen oder es handelt sich um biologische Ma-kromoleküle. Je mehr Masse ohne direkte Bedeutung für die Katalyse im Reaktor vorliegt, desto schlechter ist die Bilanz des Umwandlungsprozesses.
Während das Platzargument bei Mikroreaktoren enorm wichtig ist, rückt es bei größeren Reaktordesigns etwas in den Hintergrund. Bei etlichen großtechnischen Verfahren sind immobilisierte Enzyme Standard, zum Beispiel in der Aminosäureproduktion, der Laktose-Hydrolyse in der Milchindustrie oder der Herstellung von Fruktose aus Stärke. Eines der ersten immobilisierten Enzyme war übrigens vor etwa 100 Jahren die Saccharose-spaltende Invertase, die damals erfolgreich auf Holzkohle fixiert wurde. Statt Holzkohle sind die Trägerstrukturen heutzutage eher aus Kunststoffen. Da diese viele Prozesse in Bezug auf die Nachhaltigkeit stark verschlechtern, wird eifrig an Alternativen geforscht. Italienische Wissenschaftler konnten zum Beispiel 2018 zeigen, dass sich Reisspelzen als preiswerter und zugleich erneuerbarer Träger für in der Industrie etablierte Enzyme eignen. Die getesteten Enzyme Lipase B, Acrylaway High-T und Acrylaway L (zwei kommerziell erhältliche Asparaginasen der dänischen Firma Novozymes) funktionierten auf den Reisspelzen genauso gut wie auf dem umweltschädlichen und deutlich teureren Kunststoff Methacrylatharz.
Ohne Trägerstruktur immobilisierte Enzyme kann man auch durch die Quervernetzung zu Enzymkristallen oder Enzymaggregaten erreichen. Hierzu werden Enzyme eines Typs oder auch unterschiedliche Enzyme aus einer Lösung ausgefällt – ohne sie zu denaturieren. Dann werden die Enzyme untereinander mit sogenannten Crosslinkern zu Aggregaten quervernetzt. Dank gentechnischer Methoden kann die Aminosäuresequenz der Enzyme gezielt verändert werden. Dazu gehört mittlerweile auch das Einfügen nicht in der Natur vorkommender Aminosäuren.
„Unsere Gel-Technologie ist gewissermaßen eine neue Technologie zur Schaffung von Enzymaggregaten. Allerdings basiert sie auf genetisch codierbaren Bindetags anstelle von harschen chemischen Crosslinkern,“ erklärt KIT-Forscher Peschke. „Dadurch eignet sich unser Ansatz auch für empfindliche Enzyme.“ Bestätigt sich die Eignung ihres Systems für die Herstellung industriell relevanter Produkte in ausreichenden Mengen, könnte in Zukunft eine Kommerzialisierung der Technologie folgen. Die KIT-Forscher sind jedoch gewarnt: Der niederländischen Firma Clea Technologies gelang die Kommerzialisierung ihrer Immobilisierungsmethode nicht. Allerdings setzte das in Insolvenz gegangene Unternehmen auf Enzymaggregate der ersten Generation mit Crosslinkern.
Breites Spektrum
Neben der Synthese pharmazeutischer Wirkstoffe gibt es noch weitere Anwendungsfelder für immobilisierte Enzyme. Beispiele sind Biomarker-Assays in der Medizin und in den Biowissenschaften, Biosensoren und Abwasserbehandlungssysteme. Der Biosensor der Firma Certusbio in Neuseeland enthält ein Laktose-spezifisches Enzym. Er wird in milchverarbeitenden Betrieben im Abwasserbereich installiert und kann so in Echtzeit Alarm schlagen, wenn zum Beispiel aufgrund eines Lecks Milch im Wasser ist. Das estnische Start-up Relade will die Funktionsweise von Waschmaschinen umkrempeln. Statt mit jedem Waschgang eigentlich noch funktionierende Enyzme den Abfluss hinunterzuspülen, sollen sie dank magnetischer Nanopartikel wiedergewonnen werden. Das erklärte Ziel ist, die Enzympartikel nur einmal im Jahr austauschen zu müssen.
2016 kam die Relizorb-Kartusche der US-Firma Alcresta Therapeutics in den USA auf den Markt. Sie wird bei Mukoviszidose-Patienten genutzt, die künstlich über Magen- und Darmsonden ernährt werden müssen. Die Kartusche enthält auf Kügelchen immobilisierte Lipasen. Jenes Enzym ist für die Verdauung von Fetten wichtig. Mukoviszidose-Patienten weisen nur geringe Lipase-Spiegel auf, aber dank der Kartusche können sie trotzdem 90% der in der verabreichten Nahrung vorhandenen Fette verwerten.
Immobilisierte Enzyme könnten auch den Durchbruch für die Biodieselherstellung aus pflanzlichen Ölen, Abfallöl oder Algenöl bedeuten. Etliche Forschergruppen arbeiten daran, Lipasen so zu verankern, dass die teuren Enzyme länger als bisher im Einsatz bleiben und so der Betrieb solcher Bioreaktoren wirtschaftlich wird. Spannend ist auch das Projekt der Greifswalder Firma Willpower. Mit einer kleinen Kaskade aus drei Enzymen (je eine Formiatdehydrogenase, Formaldehyddehydrogenase und Alkoholdehydrogenase) soll das Willpower-System atmosphärisches Kohlendioxid in energiereiches Methanol umwandeln. Ziel ist, dass die Kartusche mit den Enzymen mindestens sechs Monate nicht gewechselt werden muss.
Enzymkaskaden wie bei Willpower funktionieren wunderbar in Mikroreaktoren – wenn die einzelnen immobilisierten Enzyme geschickt plaziert werden. Aufgrund der räumlichen Nähe der Enzyme zueinander können – anders als bei zum Beispiel in unterschiedliche Segmente aufgeteilte Bioreaktoren – auch instabile Enzym(zwischen)produkte als Substrat verwertet werden. Das bereichert den Baukasten der Biotechnologen um unzählige Möglichkeiten. Ganz allgemein reduzieren solche Kaskadenlösungen Arbeitsaufwand und Abfallmengen. Auch toxische Zwischenprodukte sind seltener ein Problem, weil sie in der Kaskade sofort wieder umgewandelt werden.
Auch das Bundeswissenschaftsministerium in Berlin glaubt an das Potential solcher Enzymkaskaden und fördert das Verbundprojekt CASCADE KIT seit Anfang 2018 im Rahmen der Ausschreibung „Neue Produkte für die Bioökonomie”. Ziel ist, eine Plattform zur Optimierung von Enzymkaskaden auf Bioträgern zu entwickeln. Getestet wird das System an industriell relevanten Prozessen. Im Erfolgsfall könnte am Ende ein kommerziell verwertbarer Kit stehen.
Während an Kaskaden sowohl mehrerer klassischer (chemischer) als auch mehrerer Enzyme schon lange geforscht wird, ist die Kombination der beiden in einer Reaktionskette Neuland. Die Idee dahinter: das Beste aus beiden Welten verbinden. Chemokatalysatoren sind nicht wählerisch, was das Substrat angeht, und sie weisen eine hohe Produktivität auf. Biokatalysatoren sind umweltfreundlicher in Herstellung, Unterhalt und Entsorgung – und sie katalysieren spezifischer, sauberer. Größte Herausforderung ist, eine geeignete Reaktionsumgebung zu schaffen. Chemokatalysatoren mögen hohe Temperaturen und organische Lösungsmittel, Enzyme physiologische Temperaturen und wässrige Lösungen. Annäherungen gibt es von beiden Polen zu vermelden. So wurden Lipasen entdeckt und weiterentwickelt, die bei bis zu 100° C und in Gegenwart von organischen Lösungsmitteln aktiv sind. Auch Zweiphasensysteme, bei denen das Produkt des ersten Katalysators in einer Phase zum zweiten Katalysator in der anderen Phase wechselt, werden bereits erfolgreich angewendet.
Licht in die Sache bringen
Einen anderen Weg hat Sandy Schmidt eingeschlagen. Die Wissenschaftlerin forscht an der Technischen Universität Graz auch an Chemo- und Biokatalysatoren, will das Zusammenspiel der beiden Welten aber durch Nutzung des sichtbaren Lichts verbessern. „Chemische Photokatalysatoren wie Titandioxid und biologische Photokatalysatoren wie DNA-Photolyasen sind seit vielen Jahren bekannt“, so Schmidt. Etliche chemische Photokatalysatoren werden in der Biotechnologieforschung genutzt, um die oft bei enzymatischen Reaktionen benötigten Kofaktoren zu regenerieren. Kofaktoren sind quasi eine Art Energiewährung, also Verbindungen, die in der Zelle allgegenwärtig vorhanden und universell einsetzbar sind. „Bei reinen Enzymkaskaden hat man viele Probleme schon gelöst – darunter auch die Kofaktorregenerierung“, sagt Schmidt. „Mittlerweile wird an In-vitro-Kaskaden mit bereits acht bis zehn Enzymen geforscht.“
In einer Ende 2018 veröffentlichten Studie konnte Schmidt erfolgreich zeigen, dass chemische Photokatalysatoren bei der Kombination von Chemo- und Biokatalyse nicht nur zur Kofaktorregeneration genutzt werden können: „Bei unserer Reaktion wird das Licht direkt genutzt, um eine Reaktion zu einer bestimmten Verbindung zu katalysieren, die gleich im Anschluss enzymatisch zum Endprodukt verarbeitet wird.“ Der verwendete chemische Photokatalysator, Anthraquinonsulfat, arbeitet auch in wässriger Umgebung und ist preiswert sowie schwermetallfrei. Schmidt glaubt, dass er als Biokatalysator in der „grünen Chemie“ Karriere machen könnte.
Der nächste Schritt
Ihre ungewöhnliche Zweierkaskade hat Schmidt klassisch in einem Tank etabliert, aber sie denkt bereits daran, das Verfahren mit immobilisierten Katalysatoren in einem Mikroreaktor zu etablieren. „Wenn man mit Licht arbeitet, eignen sich Durchflussreaktoren hervorragend. Bei diesem Reaktordesign erhält der Photokatalysator immer genügend Licht – ganz im Gegensatz zum klassischen Tankreaktor.“
Auch in dem von der EU mit 3 Mio. Euro finanzierten Projekt Photobiocat spielt das Licht die Hauptrolle. Die lichtgetriebenen Biokatalysatoren sind allerdings keine In-vitro-Systeme mit Enzymen. Vielmehr stehen In-vivo-Systeme mit Cyanobakterien im Vordergrund. Die geförderten Vorhaben sind anwendungsnah, was auch die Beteiligung eines Pharmakonzerns und einiger kleiner und mittelständischer Unternehmen wie Cyano Biotech in Berlin oder Subitec in Stuttgart verdeutlicht. Wie bei Sandy Schmidts bereits erwähnter Zwei-Enzym-Kaskade geht es bei der Einbindung von Cyanobakterien im Kern darum, den Einsatz der teuren Kofaktoren (1.000 Euro pro Gramm) zu vermeiden. Denn auch wenn Schmidt, Peschke und Niemeyer immer betonen, dass ihre Arbeit die Basis für neue und überlegene Produkte legt, der Preis spielt natürlich immer eine Rolle.
Erschienen in |transkript 01/2019