Digitaler Wandel: Faktor Mensch
transkript. Herr Schulze, Digitalisierung ist oft sehr unkonkret. Erklärt sich das in einem produktgetriebenen Herstellungsbetrieb alles einfacher?
Schulze. Digitalisierung ist nur zum kleinsten Teil die technologische Umsetzung in einer Software oder Hardware und deren Verknüpfung. Die größeren 80% drehen sich um Transformationen auf vielen Ebenen, vor allem in Geschäftsprozessen bis hin zu neuen Geschäftsmodellen.
transkript. Wie meinen Sie das?
Schulze. Die Geräte anzubinden, die „IT“ zu reformieren, das ist eigentlich ja nur das grundlegende Handwerk. Wichtiger ist es hingegen, für die „Digital Literacy“ im gesamten Unternehmen zu sorgen, damit Mitarbeiter den Transformationsprozess ihres Arbeitsumfeldes beeinflussen und mitgestalten können. Es geht ganz stark darum, in den Leuten das Zutrauen zu erzeugen, auch mitreden zu können, sich nicht vor einer Blamage zu fürchten. Es geht also um die Transformation des berühmten „mind sets“. Und dann geht es auch um diesen Wandel als solchen. Was will man überhaupt erreichen, welches größere Bild kann man aufzeigen? Dabei muss man wiederum aufpassen, keine riesige, unerfüllbare Erwartungshaltung zu erzeugen.
transkript. Und die jüngere Generation hat es da einfach leichter?
Schulze. Das ist nicht meine Erfahrung. Es ist weniger eine Frage des Alters, es geht viel mehr um die Bereitschaft, sich auf Änderungen einlassen zu wollen, und auch, ob man das passieren lässt, oder Neugier und Motivation hat, den ganzen Prozess mitzugestalten.
transkript. Warum ist dieses Mitmachen-Wollen so wichtig?
Schulze. Wie eingangs gesagt, ist Digitalisierung kein Thema, das ausschließlich von der IT bearbeitet wird oder werden kann. Das Engagement ist so wichtig, weil wir uns ja gemeinsam auf eine Reise begeben wollen – und schlichtweg müssen – nicht zur Huldigung des ganzen Digitalisierungshypes, sondern weil wir ein datengetriebenes Unternehmen sind, das damit einen Mehrwert für alle Beteiligten liefert: für die Mitarbeiter in der Vereinfachung von Analysen, Simulationen, Entwicklung von neuen Tools für Verbesserungen in der ganzen biopharmazeutischen Wertschöpfungskette; darum brauchen wir die aktive Einbindung der Mitarbeiter und wollen ihnen nicht einfach etwas überstülpen.
transkript. Wenn es aber kein Selbstzweck ist, wem bringt die digitale CDMO noch etwas?
Schulze. Natürlich den Kunden selbst. Nur wenn wir eine gutdefinierte Datenbasis unserer Prozesse haben, können wir aus den Analysen auch eine Vorhersage oder Modelle für neue Projekte ableiten und uns mit den Auftraggebern auf Augenhöhe austauschen. Hierzu sind wir mit unseren Kunden bereits partnerschaftlich unterwegs, um den effizienten und automatisierten Austausch von Daten während der Produktionsprozesse zu ermöglichen. All die schönen Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Machine Learning hilft einem ja nur weiter, wenn man dort gute Datenqualität einspeist.
transkript. Aber die Schnittstelle bleibt der Mensch?
Schulze. Ganz genau. Das ist die eigentliche Transformation mit den am Anfang beschriebenen 80% Aufwand, dass man den Erfahrungsschatz in die digitale Welt überträgt. Heute nennt sich das „Domänenwissen“ und besagt, dass es da ein sich nicht selbsterklärendes Wissen im Unternehmen gibt über die Verfahrenswege, Prozessschritte, die funktionieren oder die nicht funktionieren. Mehr oder weniger die kollektive Erfahrung von vielen Mitarbeitern bildet dieses Domänenwissen, und wir digitalisieren das zur Nutzbarmachung durch andere.
transkript. Sie sprachen von der „Digital Literacy“, da stelle ich mir eine Schule vor, in die alle nochmal geschickt werden?
Schulze. Tatsächlich haben wir einen großen Schwerpunkt bei Schulungen, um den Lernprozess zu erleichtern. Auch das ist Digitalisierung, dass wir viele und vielfältige modulare Angebote entwickelt haben, die natürlich digital vermittelt werden. Bis hin zur Verwendung von Virtual und Augmented Reality, um auch in eine neue Umgebung mit stärkerem Erleben einzutauchen. Unsere internen Schulungen und Lerninhalte werden von unserer Rentschler Academy entwickelt und an allen unseren Standorten durchgeführt.
transkript. Wenn alles optimal läuft, wie sieht das am Ende dann aus?
Schulze. Entschuldigen Sie den Spruch, aber: Digitalisierung ist nie zu Ende. Aber im Ernst: Der Traum ist eine Verknüpfung der „Büro-IT“ mit der „Prozess-IT“. So eine „IT4OT-Strategie“ haben wir bereits vor ein paar Jahren entwickelt und sie wird auch auf höchster Unternehmensebene unterstützt, damit diese Trennung verschiedener IT-Welten in einem Unternehmen weitgehend verschwindet. Auch das ist wieder kein Selbstzweck oder eine Spielerei der IT-Abteilung, wir haben da ganz konkrete Projekte wie das Digital Lab oder eine digitale Chargenkontrolle in diese Strategie einbezogen, die genau so einen horizontalen wie vertikalen Datenzugriff über die ganze Wertschöpfung abbilden sollen. Auch hiervon versprechen wir uns einen Mehrwert für alle Beteiligten, verbesserte Serviceangebote mit denen man Kunden auch einmal überrascht, und aus denen sich dann im Idealfall auch neue Geschäftsmodelle ableiten lassen.