Im Eisschrank war noch Platz
transkript. Woran arbeitet T3 Pharma?
Ittig. Wir sind in der Immunonkologie tätig und entwickeln lebende, gentechnisch veränderte Bakterien, um solide Tumore zu bekämpfen. Entscheidend ist das für unsere Firma namensgebende Typ III (T3)-Sekretionssystem der Bakterien, mit dem in der Mikrobe hergestellte Proteine in die Tumorzellen gebracht werden.
transkript. Anderen Firmen arbeiten an Therapien mit Clostridien, Listerien oder Salmonellen. Welche Bakterien nutzt T3 Pharma und wie werden sie modifiziert?
Ittig. Wir arbeiten mittlerweile fast ausschließlich mit Yersinia enterocolitica. Das funktioniert unserer Meinung nach wunderbar. Y. pestis ist der bekannte und böse Bruder von Y. enterocolitica. Letzteres löst beim Menschen aber nur eine leichte Durchfallerkrankung aus. Hinzu kommt, dass zwischen dem Wildtypstamm und unseren modifizierten Kandidaten noch einmal Welten liegen. Über genetische Veränderungen haben wir die Bakterien so geschwächt, dass sie nur in der immunsuppressiven Umgebung solider Tumore überleben. Außerhalb davon werden sie vom Immunsystem sofort vernichtet. Anders als den Wildtypstamm kann man unsere modifizierten Varianten systemisch applizieren. Neben der Schwächung sind natürlich noch weitere Modifikationen für die Anti-Tumor-Wirkung nötig. So können unsere Bakterien beispielsweise bioaktive Humanproteine, virale oder murine Proteine herstellen, die über das besagte T3-Sekretionssystem direkt in die Tumorzellen eingebracht werden.
transkript. Das klingt ganz stark nach einer Plattformtechnologie ...
Ittig. Stimmt, nur dass wir zusätzlich Wirkstoffe und ein biologisches Vehikel entwickeln. Abhängig vom gewünschten Effekt wird die Ladung der Bakterien angepasst. Der Vorteil zur klassischen Aufnahme von Wirkstoffen in die Zelle ist, dass es sich bei unserem System explizit nicht um eine Endozytose handelt. Man umgeht also die endolysosomale Prozessierung, unter der oftmals die Wirkung von eigentlich guten interzellulären Proteinwirkstoffen leidet.
transkript. Wo steht T3 Pharma jetzt?
Ittig. Unser Leitprogramm zielt auf die Aktivierung eines intrazellulären Typ 1-Interferon-Signalwegs in den Tumorzellen ab. Hier konnten wir beobachten, dass – je nach Krebsmodell – bis zu 60% der Tiere auf die Therapie ansprechen und der Tumor dauerhaft und vollständig verschwindet. Das Team und die Finanzierung stehen. Aktuell stellen wir die Daten für die Bewilligung der ersten Phase-I/II- Studie zusammen.
transkript. Apropos Finanzierung: Wer gehört zu T3 Pharmas Geldgebern?
Ittig. Seit 2014 haben wir Fördergelder von mehreren Stiftungen bekommen. 2016 gab es dann die erste und in diesem Jahr die zweite Finanzierungsrunde. Die Geldgeber sind einige wenige Privatinvestoren. Wir sprechen auch ab und zu mit institutionellen und unternehmensassoziierten Wagniskapitalgebern. Für ein stärkeres Engagement von dieser Seite bestand bisher wenig Bedarf. Das kann sich aber noch ändern. Das Feedback aus dieser Richtung ist generell positiv. Einmal soll ein erfahrener Investor über uns gesagt haben: ‚The science is impressive but they look like they‘re in their twenties.‘ Für uns ist das natürlich ein Ansporn, ohne Frage. Um allfällige Vorbehalte wegen unseres jugendliches Alters zu kompensieren, setzen wir natürlich auch auf ein sehr erfahrenes Beraterteam.
transkript. Wer hatte eigentlich die Idee zu diesem Therapieansatz?
Ittig. Einer unserer Berater ist Guy Cornelis. Er war Professor hier am Biozentrum der Universität Basel. Bis zu seinem Ruhestand vor sechs Jahren hat er jahrzehntelang am T3-Sekretionssystem von Bakterien gearbeitet. Als es um den Verbleib der unzähligen, von seinem Team entwickelten Bakterienstämme ging, habe ich gleich Platz in meinem Gefrierschrank angeboten. Vielleicht kann man da noch was draus machen, habe ich damals gedacht. Wie der Zufall so will, hatte ich bei einem meiner Projekte das Problem, ein bestimmtes Protein funktionsfähig in eine Zelle einzubringen. Da habe ich einfach mal das T3-Sekretionssystem ausprobiert – und das mit durchschlagendem Erfolg. Die Idee, darauf ein Geschäftsmodell aufzubauen, hat dann nicht lange auf sich warten lassen.
transkript. Warum hat in all den Jahren niemand die Translation dieser Erkenntnisse in ein Medikament versucht?
Ittig. In den 90er Jahren gab es einige Versuche. Aber die Lehrbuchmeinung war lange, dass die Nadel des T3-Sekretionssystems zu eng ist, um größere Proteine dort hindurch transportieren zu können. Viele haben sich auf den Impfstoffansatz und den Transport von Peptiden konzentriert, was meist im Sande verlief. Ich war womöglich einfach nur naiv genug, um mein Glück einmal mit dem Transport eines größeren Proteins mit diesem System zu versuchen. Das Ergebnis war eindeutig: Bis zu 100 kDa große Proteine werden problemlos übertragen. Zu diesem Ergebnis hat mit beigetragen, dass wir das bakterielle Sekretionssignal optimiert haben. Insgesamt spielt uns zudem der wissenschaftliche Fortschritt in die Karten, denn mittlerweile sind beispielsweise viele kleine Antikörper-Formate wie die von Alpakas oder Lamas bekannt. Damit ist der Kasten mit potentiell wirksamen biopharmazeutischen Werkzeugen prall gefüllt.
transkript. T3 Pharma hat an der Premierenrunde des Accelerator-Programms Baselaunch teilgenommen. Wie lief es?
Ittig. Wie überall gibt es auch in der Schweiz, zahlreiche Programme, bei denen die Ziele nicht immer klar sind. Baselaunch ist anders und der Aspekt, Firmen wirklich helfen zu wollen, steht im Vordergrund. Wir waren beim Aufsetzen des Programms von Anfang an mit dabei und konnten teilweise unsere Vorstellungen einbringen. Anfangs waren wir so etwas wie ein Vorzeigefirma: ‚Seht her, mit dem Programm könnte man Projekte wie diese voranbringen.‘ Dass ausgerechnet die Region Basel ein solches Förderprogramm initiiert hat, mag überraschen, zeugt aus meiner Sicht aber vom Willen, den Biotech-Cluster mit Geld und Expertise zu unterstützen.
Erschienen in |transkript 11-12/18