Natürliche Killer der T-Zell-Antwort
Die Schweizer Novartis AG darf sich freuen: Nach der US-Zulassung der ersten umsatzträchtigen CAR-T-Zelltherapie gegen den Blutkrebs ALL im August winkt ihrem Phase II-Lungenkrebswirkstoff Capmatinib nun eine Karriere im überhitzten Markt für Krebsimmuntherapien. Die Hemmung des c-Met-Inhibitors bremst nämlich nicht nur nichtkleinzellige Bronchialkarzinome (NSCLC), sondern auch die Einwanderung von Immunzellen des angeborenen Immunsystems in den Tumor. Dort machen die vom unter Stress stehenden Tumor angelockten neutrophilen Granulozyten die Wirkung von Immuncheckpoint-Inhibitoren zunichte. Von dem körpereigenen Bremsmechanismus berichteten Ende Oktober Wissenschaftler unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Hölzel vom Universitätsklinikum Bonn und Prof. Dr. Thomas Tüting von der Universitätshautklinik in Magdeburg (Immunity, doi: 10.1016/j.immuni.2017.09.012).
Tüting vergleicht das Verhalten der Neutrophilen mit Dr. Jekyll und Mr. Hyde: „Neutrophile können Krebszellen angreifen“, so der Onkologe. „In unseren Tumor-Mausmodellen [für CAR-T- und Checkpoint-Immuntherapien] schwächten sie aber die Wirkung der Immuntherapien ab, indem sie T-Lymphozyten hemmten, statt ihnen zu helfen.“ Als Ursache für den unerwarteten Wandel der Neutrophilen machten die Forscher Botenstoffe aus, die der Krebs beim Angriff der T-Lymphozyten freisetzte und die normalerweise vermutlich dazu dienen, überschießende Immunreaktionen im Zaum zu halten. „Im Falle der Krebsimmuntherapie ist das allerdings eher hinderlich“, findet Tüting. Hemmten sie indes die Tyrosinrezeptorkinase c-MET mit Novartis’ Antikörper Capmatinib, nahm die Konzentration der immunsupprimierenden Neutrophilen in der Tumorumgebung und in den Lymphknoten ab. Da die Forscher in Patienten beobachtet hatten, dass diese umso weniger auf Checkpoint-Inhibitor-Therapien ansprechen, je höher die Serumkonzentration des c-Met-Liganden Hepatozyten-Wachstumsfaktor (HGF) war, vermuten sie, dass HGF benötigt wird, um die normalerweise im Blut patrouillierenden Neutrophilen in die Lymphknoten und den von T-Zellen attackierten Tumor einwandern zu lassen. Capmatinib stellte in vivo die Wirksamkeit der T-Zell-Therapien wieder her.
Weltweit investieren die Entwickler von Krebsimmuntherapien derzeit Milliardenbeträge, um unbekannte Krebsmechanismen auszuhebeln, die die Wirksamkeit ihrer Immunmodulatoren derzeit noch einschränken. Derzeit sprechen hauptsächlich Tumore mit hoher Mutationslast und bereits in den Tumor eingewanderten T-Zellen auf ihre Checkpoint-Inhibitoren an – bei bis zu 30% dieser Patientenpopulationen sind sie wirksam. Deshalb wird fieberhaft nach Kombinationstherapien gesucht, die eine T-Zell-Antwort gegen den Krebs induzieren.
Wecksignal für T-Zellen
Vielbeachtet ist deshalb eine weitere Entdeckung einer Bonner Forschungsgruppe um Christian Kurts. Das Forschungskonsortium entschlüsselte Ende Oktober, wie Tumoren regulatorische T-Zellen anlocken, um attackierende T-Killerzellen einzuschläfern. Normalerweise sind die Tregs nützlich – sie bremsen die Immunantwort und verhindern so, dass die Killer-T-Antwort aus dem Ruder läuft und auch gesundes Körpergewebe schädigt. Kurts und Kollegen wissen nun, wie sie den Krebs wieder sichtbar für die Killerzellen machen können: „Wir haben einen Weg gefunden, die regulatorischen T-Zellen abzutöten“, erklärt Christoph Heuser, Doktorand bei Kurts und Erstautor der Studie. „Dadurch konnten wir die Schlagkraft der Killer-T-Zellen deutlich steigern.“
Im Zentrum der Forschung stand das körpereigene Protein IKKb, das die Reifung und Aktivierung von Immunzellen fördert. Hemmten die Forscher IKKb in vitro, ging nach etwa zweiwöchiger Behandlung die Anzahl der regulatorischen T-Zellen um etwa die Hälfte zurück. Auch in Tiermodellen wurde die T-Zell-Antwort gegen den Tumor weniger gebremst. Der Krebs wuchs langsamer und die Tiere überlebten länger.
Bei der Entdeckung des neuentdeckten Zielmoleküls kam den Bonner Forschern zugute, dass sich die Vermehrung von Tregs und T-Killerzellen auf unterschiedlichem Wege aktivieren lässt. Während Tregs einen intakten NFkB-Signalweg brauchen, in dessen Zuge das IKKb-Signalmolekül die Expression von CD25 und c-Flip sicherstellt, welche die Zellen brauchen, um zu überleben und sich zu vermehren, verfügen die CD8-positiven Killerzellen über den zusätzlichen NFATc1-Weg. „Eine vollständige Heilung lässt sich durch die Hemmung von IKKb allein allerdings nicht erzielen“, erklärt Forschungsleiter Kurts. „Durch Kombination mit anderen immunologischen Wirkstoffen lässt sich das Immunsystem jedoch eventuell so stark stimulieren, dass der Krebs besser bekämpft werden kann.“
Dass die Aktivierung von T-Zellen zur Tumorbekämpfung ungeahnte Gefahren birgt, berichteten Onkologen um Jürgen Ruland von der TU München Ende November (Nature, doi: doi:10.1038/nature24649). In Mausmodellen für T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphome zeigten sie, dass das Krebsziel PD1 als Tumorsuppressor wirkt, der die Krebskinasen AKT und PKC hemmt und den Suppressor PTEN aktiviert. Ruland zufolge muss diese ambivalente Seite von PD1 mit Blick auf die zugelassenen Therapien kritisch weiteruntersucht werden.
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