Vektoren stark nachgefragt
transkript. Welche Rolle spielt Vibalogics bei der Entwicklung Vektor-basierter Medikamente?
Stefan Beyer. Vibalogics gehört zu einer der weltweit führenden CDMOs für die Bereitstellung viraler Vektoren, wobei Dienstleistungen der Produktgruppe ,Onkolytische Viren’ den Schwerpunkt ausmachen. Onkolytische Viren eröffnen vielversprechende Möglichkeiten zur Immuntherapie bei Krebs. Die natürlichen Eigenschaften des Virus, sich insbesondere in Krebszellen zu vermehren und diese zu lysieren, lassen sich durch den Einsatz von rekombinant integrierten immunstimulierenden oder die Kombinationsgabe mit immunmodulierenden Faktoren noch um ein Vielfaches verstärken.
Schon kurz nach Gründung der Vibalogics 2002 in Cuxhaven konzentrierte man sich auf die Bereitstellung onkolytischer Viren für Kunden in Europa und Nordamerika. Eine Reihe von Produktionsplattformen wurden seitdem etabliert. Die Entwicklung von Herstellprozessen unter Verwendung verschiedener Zellsubstrate für die Vermehrung umhüllter und nicht umhüllter DNA- und RNA-Viren werden seitdem angeboten. Die zur Verfügung stehenden GMP-Reinräume der Klassen A,B,C und D erlauben eine komplett aseptisch geführte Produktion, was in vielen Fällen die Verwendung nicht nur von in Suspension, sondern auch von adhärent wachsenden Zellsubstraten erlaubt.
In Cuxhaven werden für die Bereitstellung onkolytischer Viren Herstellprozesse entwickelt, um im Anschluss Prüfmaterial für klinische Prüfungen entsprechend der GMP-Standards zu produzieren. Zur Verfügung stehen zwei Linien mit 200 oder 500 Litern Volumen sowie zwei Produktionssuiten für die Herstellung von Viren zur aseptischen Vektorproduktion auf adhärent wachsenden Zellsubstraten . Zudem gibt es eine Abfüllanlage mit einer Kapazität von mehr als 25.000 Einheiten pro Charge.
transkript. Was wird das jüngste Investitionsvorhaben für die Vibalogics-Gruppe bedeuten?
Stefan Beyer. Was mit der Etablierung einer modernen, für Viren spezialisierte Abfüllanlage für die Fertigprodukte begann und sich mit der Erweiterung von Bioreaktorkapazitäten fortsetzte, konnte ab Mai 2019 nach dem Erwerb durch den amerikanischen auf Wachstum ausgerichteten Investor Ampersand Capital Partners nochmals beschleunigt werden. Die von Vibalogics vorgeschlagene Strategie zum Ausbau des Standorts in Cuxhaven, aber insbesondere die Etablierung eines zweiten Standortes mit deutlich größeren Kapazitäten in den USA, um die nordamerikanischen Kunden besser bedienen zu können, wurde in den vergangen drei Jahren konsequent umgesetzt. Mit der Etablierung der Anlage in Boxborough/Boston, Massachusetts, USA, zog das Headquarter der Vibalogics ebenfalls um. Zusammen mit Cuxhaven deckt Vibalogics jetzt die gesamte Wertschöpfungskette zur Herstellung onkolytischer Viren, viraler Vektoren für die Gentherapie und Virusvektor-basierter Impfstoffe für klinische Prüfphasen und zugelassene Marktprodukte ab.
transkript. … und was passiert in Cuxhaven?
Stefan Beyer. In Cuxhaven handelt es sich um einen dreiphasigen Ausbau. Mit der ersten Phase entstand ein zusätzliches Gebäude und die Kapazität für auf Suspensionszellen wachsenden Viren wurde mehr als verdoppelt. Die neue Anlage besteht aus zwei Räumen für die Anzucht des Zellsubstrats sowie jeweils einem Raum für die sogenannten Upstream- und Downstreamprozesse (USP, DSP). Die Anlage ist mit hochmodernen Steuerungs- und Überwachungssystemen speziell für die Herstellung viraler Vektoren bis zur biologischen Sicherheitsstufe 2 ausgestattet. Kunden gefällt insbesondere die Möglichkeit, über große Fensterbereiche die USP- und DSP-Produktion verfolgen zu können.
Vibalogics Cuxhaven betreibt jetzt zwei komplette Linien zur Herstellung onkolytischer Viren, wobei der Kunde zwischen zwei unterschiedlichen Einweg-Bioreaktorplattformen (Single Use Bioreactors, SUB) wählen kann. Innerhalb beider Systeme kann mittels Tech-Transfer und vorliegenden Standardarbeitsanweisungen einfach gewechselt werden. Mit der neuen 500L Linie bietet Vibalogics dem Kunden jetzt auch reibungslose 1:1 Tech-Transfers „at Scale“ zwischen den beiden Standorten in Cuxhaven und den USA an. Die technischen Systeme sind gleich und die Mitarbeiter sind auf die gleichen technischen Systeme und Arbeitsanweisungen trainiert. Gemeinsame operative Abläufe und ein über beide Standorte ausgerolltes Qualitätsmanagementsystem, welches zurzeit durch die Implementierung eines elektronischen Systems ergänzt beziehungsweise. ausgetauscht wird, erlaubt Vibalogics‘ Kunden die freie Wahl, ob die Herstellung ihres Produktes durch die FDA oder EMA überwacht werden soll. Das gilt sowohl für die sogenannte Drug Substance als auch für das steril abgefüllte Endprodukt für die klinische Prüfung. Beide Standorte betreiben die entsprechend qualifizierten Abfüllanlagen.
transkript. Wie sehen die nächsten Ausbauschritte aus und wie profitieren Ihre Kunden von der Erweiterung?
Stefan Beyer. Neben der Erweiterung der GMP-Herstellkapazitäten für suspensionsbasierte Zellsubstrate wurden sowohl die Prozessentwicklung als auch die Qualitätskontrolle mit zusätzlichen Systemen ausgestattet.Vibalogics bietet seinen Kunden jetzt an beiden Standorten zusätzliche Kapazitäten, mehr Flexibilität und Agilität, um zeitnäher virale Vektoren für die Krebs- und Gentherapie als auch für die präventive und therapeutische Vakzinierung zur Verfügung zu stellen.
Mit der Phase 2 werden zum Ende 2022 zusätzliche ca. 550 m2 Laborfläche für die Qualitätskontrolle und Prozessentwicklung übernommen, nachdem Vibalogics im August den gesamten Gebäudekomplex als Eigentümer übernommen hat.
Die sich kurz danach anschließende Phase 3 erhöht die Infrastrukturkapazitäten, um den Ende 2023 mehr als 200 Mitarbeitern Platz zu bieten, zusätzliche Lagerkapazitäten, Materialvorbereitungs- und -nachbereitungsbereiche zu schaffen sowie weitere Redundanzen kritischer Systeme aufzubauen. Damit werden die Gesamtkapazitäten nochmals erweitert.
Auch in den Phasen 2 und 3 wird auf eine sehr enge Zusammenarbeit beider Standorte geachtet. Die Schulung der Mitarbeiter beider Standorte auf die gleichen Systeme bietet den Kunden Flexibilität, aber vor allen Dingen auch eine Risikominimierung im Falle eines kurzfristigen zusätzlichen Personalbedarfs. Ein gemeinsames Lager- und Logistiksystem erhöht in Zeiten von unsicheren Lieferketten die Lieferfähigkeit.
transkript. Das klingt attraktiv und ambitioniert …
Stefan Beyer. Genau. Im April 2022 wurde Vibalogics von der schwedischen Recipharm-Gruppe übernommen, welche als global agierende CDMO mit mehr als 9.000 Mitarbeitern an mehr als 30 Standorten weltweit zusammen mit den Unternehmen Arranta Bio (USA) und Genibet (Portugal) den Dienstleistungsbereich für neuartige Therapien (ATMP) bilden wird. Hierdurch eröffnen sich Synergien, die es erlauben, Vibalogics Kunden zukünftig besser und nachhaltiger global bedienen zu können. Dem Kunden wird ab sofort ein sehr breites Serviceangebot geboten, was ihm erlaubt, unter einem Dach mikrobiotische sowie Virus- und Nukleinsäure-basierte Produkte zu entwickeln und zu kommerzialisieren.
Dieses Interview wurde der |transkript-Ausgabe 3/2022 entnommen.