Worldview-Ranking der Gesundheits-Biotech-Branche
Die Autoren John Hodgson (langjähriger Branchenkenner von Nature Biotechnology) und Deanna Schreiber-Gregory haben in zahlreichen nationalen oder internationalen Studien eine uneinheitliche Berichterstattung und Unstimmigkeiten in den Daten festgestellt, was einen umfassenden Ansatz zur Bewertung der relativen Stärken und Schwächen der nationalen Biotech-Sektoren eher schwierig macht.
Hodgson und Schreiber-Gregory präsentieren nun ihrerseits fünf neue "Daten-Säulen", die sie zusammenstellen und kombinieren, um die jeweiligen Rankings der untersuchten Länder zu erstellen. Die Säulen konzentrieren sich auf die „börsennotierte Biotechnologie“ und beinhalten Daten aus den Erhebungen von Nature Biotechnology über Biotech-Unternehmen an internationalen Aktienmärkten. Die Säule "Bildung" spiegelt die Anstrengungen der Länder bei der Ausbildung in MINT-Fächern wider, z. B. die Anzahl der Hochschulabschlüsse und Studenten. Die weiteren Säulen sind "Investitionen" für F&E, "Grundlagen", die gesellschaftliche Faktoren einbeziehen, und die Säule "Forschung und Technologietransfer". Sie zeigt die F&E-Anstrengungen. Alle Säulen sollen die Stärken und Schwächen der nationalen Biotech-Sektoren aufzeigen.
Die Nature-Studie von Anfang Juni ergab, dass die Schweiz, Schweden und die Vereinigten Staaten an der Spitze stehen, gefolgt von fünf europäischen Ländern sowie Israel und Singapur als die zehn führenden Biotech-Länder. Die Schweiz steht mit ihrem wettbewerbsfähigen multinationalen Pharmasektor an der Spitze der Rangliste in Bezug auf den öffentlichen Sektor/Börsen. Dahinter folgen Schweden, die Vereinigten Staaten und Israel. Israel, Belgien und die Niederlande schneiden in den Bereichen Bildung und Forschung sowie im Finanzwesen sehr gut ab.
Dies war eine Überraschung, da angenommen wurde, dass die US-amerikanische Biotechnologie den ersten Platz belegen würde. Die Autoren sehen die USA auch in allen untersuchten Sektoren an der Spitze, aber im Bildungsbereich fallen sie zurück. Der Grund dafür liegt in den privaten Investitionen in die Bildung. Das dieser Studie zugrundeliegende Rankingsystem, das sich auf das öffentliche Bildungswesen konzentriert, verschlechtert das Abschneiden der USA im Vergleich zu anderen Ländern. Außerdem entscheide sich nur eine Minderheit der Studenten (17%) für MINT-Fächer, während in Singapur oder Deutschland etwa 30% eine solche Ausbildung wählten, was die geringere Zahl Wissenschaftler aus den USA begründe.
Länder außerhalb der Vereinigten Staaten und der Westlichen Union schneiden im Bereich Bildung, insbesondere in MINT-Fächern, sehr gut ab. Die osteuropäischen Länder führen die Rangliste in den Bereichen Bildung und MINT-Karrieren aufgrund ihrer Investitionen in diesen Bereichen an. Einige Länder wie Finnland, Estland, Ungarn, Polen und die Tschechische Republik werden durch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union positiv beeinflusst, so dass viele Studenten im Ausland studieren können.
In den Niederlanden nimmt der Biotechnologiesektor einen sehr hohen Stellenwert ein, er liegt weltweit an sechster Stelle. Außerdem ist die niederländische Biotech-Industrie gewachsen und rangiert jetzt vor dem Vereinigten Königreich, Deutschland und Frankreich.
Im weltweiten Vergleich geben die Länder außerhalb der USA und Westeuropas weniger Risikokapital für die Biotechnologie aus. Die Länder unterscheiden sich in der Stärke der fünf ausgewählten Aspekte. Für einen objektiven Vergleich der nationalen Biotech-Sektoren wurden die unterschiedlichen Bedingungen der Länder berücksichtigt.
In dieser Studie wurde der Fokus auf Unternehmen mit intensiven Investitionen in Forschung und Entwicklung im Bereich der Gesundheitsversorgung gelegt. Diese Definition schloss jedoch viele Unternehmen aus, die in einzelnen Nationen einen großen Anteil an der dortigen Biotechnologie-Landschaft darstellen. Wegen der finanziellen Variablen wurden indexierte Daten verwendet.
Während die europäischen Länder am stärksten in die Bildung investieren, Luxemburg an der Spitze, liegt der Schwerpunkt in den Vereinigten Staaten auf dem Sektor der öffentlichen Biotech-Unternehmen, Investitionen und Grundlagenforschung. Kanada verzeichnet die höchsten Risikoinvestitionen in der Biotechnologie sowie die meisten Forschungspublikationen. Ein zentrales Ergebnis dieser Studie ist, dass die Annahme, die Vereinigten Staaten hätten den stärksten Biotech-Sektor, nicht bestätigt werden kann. Bei den Vergleichen bleibt die Größe eines Landes in Bezug auf die Dichte und Intensität der Biotech-Bemühungen bisher unberücksichtigt.
Das Fazit der Autoren lautet: Biotech ist globalisiert, und hier liegen die Fallstricke für einen nationalen Vergleich von Biotech-Branchen. Die Unternehmen sind international, die Wissenschaft ist in vielen Ländern vertreten und der Standort, an dem Innovationen entwickelt werden, kann sich von Jahr zu Jahr unterscheiden. Die Erhebung könnte um weitere Datenquellen ergänzt werden, und es bleibt spannend, wie sich die Länder im Laufe der Jahre in der Rangliste entwickeln. Die jetzige Länderposition in der allgemeine Rangliste errechnet sich aus der Gesamtleistung eines Landes in allen fünf Säulen.
Viola Bronsema, Geschäftsführerin der BIO Deutschland, kommentiert, dass die Studie ein "transparenteres" Bild des internationalen Rankings der Gesundheitsbiotech-Branchen zeichnet. "Der Ansatz von Hodgson und Schreiber-Gregory ist ein interessanter und respektabler Versuch, Biotech-Nationen zu vergleichen", bescheinigt sie den Autoren ihr Bemühen, merkt aber an, dass "der Vergleich zumindest für Deutschland funktioniert, indem er die Stärken des deutschen Bildungssystems und der Rechtsstaatlichkeit aufzeigt“. Darüber hinaus sieht sie ein Problem im zugrunde liegenden Datensatz. "Der Ausschluss so vieler privater Unternehmen, die eindeutig dem (Gesundheits-)Biotech-Sektor angehören, ist eine Schwäche des Rankings. In Deutschland sind biotechnologische Dienstleistungen, die von KMU angeboten werden, das Rückgrat der Biotech- und Pharmaindustrie." Deshalb, so argumentiert sie, sollte das Ranking als "Worldview national ranking of very R&D intensive health biotech sectors" bezeichnet werden.
Deutschlands 11. Platz in dem Ranking schätzt Bronsema aber als realistisch ein und akzeptiert diese Plazierung mit der Feststellung, dass es "noch ein Stück Weg ist, um die Vision der Bundesregierung zu realisieren, aus Deutschland einen weltweit führenden Biotechnologie-Standort zu machen“.
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