"Arzneimittel sind Investitionen in die Gesundheit und die pharmazeutische Industrie ein krisenerprobter Garant zur Sicherung und Stärkung des Standortes Deutschland", sagte Hans-Georg Feldmeier, Vorsitzender des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI) auf der Ordentlichen Hauptversammlung 2021. Parallel wurde ein "Masterplan Pharma" vorgelegt.
Neben den erwartbaren Statements des größten deutschen Pharmaverbandes zeichnete sich die hybride Hauptversammlung durch reichlich Spritzigkeit und schräg gebürstete Beiträge aus. So durfte sich Autor und Denker Jan Fleischhauer an der bunt gefärbten Ampelkoalition abarbeiten und seine Erfahrungen aus jahrzehntelanger Begleitung von Politik und Politikern ausbreiten – mit Pharma hatte das fast gar nichts zu tun, aber mit Unterhaltung auf höchstem Niveau. In medias res ging Virologe Hendrik Streeck, der die Zuhörer auch mit mehr wissenschaftlichem Tiefgang auf seine Argumentationslinien mitnahm. Zum einen widerlegte er den Spruch, es gäbe nur noch eine "Pandemie der Ungeimpften". Dies sei nicht so, da die Infektiosität der Geimpften zumindest in den ersten Tagen sehr vergleichbar wäre, erst dann deutlich abnehme gegenüber den Ungeimpften. Auch die ständig wiederholte These der exponentiellen Ausbreitung der Infektion wollte Streeck lieber in ein "heterogenes Verbreitungsgeschehen" umformuliert sehen – womit sich manches Presseorgan wohl einigermaßen schwer tun dürfte. Es sei nämlich nur in einer sehr engen sozialen Gruppe so, dass ein exponentielles Wachstum für kurze Zeit einsetze, aber dann unterbrochen würde, wenn einerseits die meisten in der Gruppe bereits infiziert wurden und andererseits ein Überschwappen in andere soziale Gruppen nicht stattgefunden hat. Die rasche und vollständige Quarantäne wäre daher das beste Mittel dagegen. Zu guter Letzt wies Streeck auch auf eine in der Presse völlig falsch transportierte Studie zur Dauer des Infektionsschutzes durch diverse Impfstoffe hin. Dort haben die Autoren zwar mehrere Monate Tausende Personen beobachtet, gerade in der letzten Zahlenauswertung aber nur noch sechs Betroffene betrachtet, woraus sie und danach die Medien eine voreilige Schlussfolgerung zum dramatischen Abfall des Biontech-Schutzes nach vier Monaten gemacht hätten. Andere, validere Studien belegen einen mehrere Monate länger anhaltenden Schutz vor "schwerem Verlauf" – nicht vor der Infektion als solcher, auch darauf wies Streeck eindringlich hin.
Masterplan Pharma
Passend zur Corona-Thematik waren die generellen Statements und Mitteilungen auf der Hauptversammlung eingefärbt: "Es war noch nie so offensichtlich, wie existenziell die Bekämpfung von Krankheiten für unser Land und für die Ökonomie, die Kultur, das Sozialleben und jeden Einzelnen ist. Dennoch werden Arzneimittel, Impfstoffe und Medizinprodukte zu oft nur als belastender Ausgabenfaktor für das Gesundheitssystem betrachtet", so BPI-Vorsitzener Feldmeier. "Der GKV-Arzneimittelanteil ist aber seit Jahren stabil. Dafür entfaltet die Arzneimittelversorgung eine große Wirkung für die einzelnen Patientinnen und Patienten und das Gesundheitssystem als Ganzes."
Passend zum Koalitionsvertrag publizierte der BPI zeitgleich einen sechs Punkte umfassenden, beziehungsweise die bekannten Punkte nochmals betonenden "'Masterplan Pharma". So geht es dort um die Themen: Forschung und Innovation, Produktion, den Standort, Versorgung, Selbstmedikation sowie digitale Technologien. "Nur durch bessere Rahmenbedingungen können wir den Pharmastandort Deutschland zukunftssicher weiterentwickeln und die bestmögliche Arzneimittelversorgung mit bewährten und neuen Therapien, sicherer Selbstmedikation und digitalisierten Prozessen ermöglichen. Denn es gibt viel zu viele Regulierungen, die einer optimalen Arzneimittelversorgung im Weg stehen", betonte Feldmeier, der unter anderem das weiterhin geltende Preismoratorium, Zwangsrabatte, ruinöse Rabattverträge, Festbeträge und automatische Substitutionsregeln bei gleichzeitig ständig steigenden und kostenverursachenden Anforderungen anführte.
Und passend zum unterhaltsamen, ernsthaften und inspirierenden öffentlichen Teil der Versammlung sei auch der dritte Sprecher nicht verschwiegen, Dr. Tobias Ganter von den healthcare futurists, dessen digitale Visionen eine spannende Brücke aus der Vergangenheit über die Gegenwart zur Zukunft schlugen, jedoch hier den Rahmen der Berichterstattung sprengen würden.
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