Nach der Inflarx N.V. hat das zweite Unternehmen, das einen Hemmstoff gegen mit systemischen Gefäßentzündungen einhergehende gesundheitliche Komplikationen entwickelt, vielversprechende Daten vorgelegt.
Zwar sind die Ergebnisse, die die Adrenomed AG aus Hennigsdorf in Biomolecules präsentiert, alles andere als statistisch abgesichert, denn es wurden nur acht Patienten mit ernstem Verlauf des COVID-19-Syndroms untersucht, die gerade ein bis drei Tage mechanisch beatmet wurden. Dennoch zeigen sie einen positiven Trend: Gerade ein Patient der heterogenen, multimorbiden Gruppe, die teils bereits unter Leber- und Nierendysfunktion litt und auf Organersatz wartete, starb, vier Patienten stabilisierten die Krankheit immerhin binnen 13 bis 27 Tagen nach einer einzigen Injektion von Adrecizumab, Adrenomeds experimentellem Sepsis-Antikörper, drei konnten von der Intensiv- auf die Normalstation entlassen werden.
Der Antikörper Adrecizumab wurde entwickelt, um die mit systemischen Entzündungen wie etwa einer viralen Sepsis einhergehenden Gefäßveränderungen – die vaskulare Dysfunktion – zu normalisieren und so Blutdruck, Gefäßpermeabilität etc soweit wiederherzustellen, dass die mit deren Deregulation einhergehenden systemischen Konsequenzen begrenzt werden. Wissenschaftler des Zürcher Universitätsspitals hatten unlängst in Lancet berichtet, dass das SARS-CoV-2 nicht primär das Lungenepithel, sondern multiple Organe über das Endothel – die innerste Schutzschicht der Blutgefäße – befällt, und so die vielgestaltigen, mit COVID-19 einhergehenden Symptome hervorruft.
Ähnliche Erfolge wie mit Adrecizumab verzeichnet eine Entwicklung der börsenotierten Inflarx BV. Sie entwickelte mit IFX-1 einen Antikörper gegen den proinflammatorischen Komplementfaktor C5a, der auch die vaskulare Entzündung sowie die Blutgerinnungsstörungen bei COVID-19-Patienten mit ansprechender Rate zu beheben scheint. In einer kleinen Phase II-Studie konnte er die die Gesamtsterberate in COVID-19-Patienten halbieren. Phase III-Studien, in deren Rahmen IFX-1 an voraussichtlich 300 Patienten getestet werden soll, wurden im Juli angekündigt. Nach Aussage von Inflarx-CEO Niels Riedemann ist "alles, was wir über die virale Lungenentzündung und vorherige Erreger wissen, bei SARS-CoV-2 völlig anders".
Beide Therapieentwickler sind im Gegensatz zu den meisten Biotech-KMU bei der klinischen Entwicklung unabhängig von öffentlicher Finanzierung. Diese fließt derzeit weltweit fast ausschließlich in die COVID-19-Impfstoffvorproduktion, obgleich noch gar nicht bekannt ist, ob es einen Immunschutz gegen Coronaviren geben wird, oder ob man Infizierten – ähnlich wie bei HIV, RSV oder HCV – nur durch eine Therapie helfen kann: Inflarx stehen durch einen Börsengang rund 100 Mio. Euro an liquiden Mitteln zur Verfügung. Die Adrenomed AG wird von Andreas Bergmann mitfinanziert, der zusammen mit seinen sechs Mitgründern die Diagnostikfirma B.R.A.H.M.S. an Thermo Fisher Scientific verkaufte.
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