Die Regierungsfraktionen im bayerischen Landtag wollen die Entwicklung von COVID-19-Therapeutika mit 50 Mio. Euro fördern.
Große Summen an Steuergeld gibt der Staat derzeit für die Entwicklung von Impfstoffen gegen COVID-19 aus. Vernachlässigt dagegen hat er die Erforschung von Therapeutika. Die Regierungsfraktionen von CSU und Freien Wählern im bayerischen Landtag wollen das nun ändern. 50 Mio. Euro könnten an bayerische Biotech-Unternehmen fließen, um die Entwicklung von Therapeutika voranzutreiben. Sie sollen neben Prävention, Tests und Impfungen zur vierten Säule in der Pandemie-Bekämpfung werden. Die Pläne wurden nun im bayerischen Landtag präsentiert.
Prof. Clemens Wendtner, Chef-Infektiologie München Klinik Schwabing, stellte einen drastischen Vergleich an, um die Dringlichkeit zu verdeutlichen: "In Deutschland haben wir zwischen 350 und 400 COVID-19-Tote pro Tag. Das heißt: Ein Jumbo-Jet stürzt jeden Tag ab." Es seien statistisch mehr COVID-19-Tote als Verkehrstote zu beklagen. Derzeit würden in der Behandlung von COVID-19-Patienten lediglich zwei Medikamente angewendet: das Kortikosteroid Dexamethason und das Nukleosidanalogon Remdesivir, wobei Remdesivir nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO nur sehr eingeschränkt eingesetzt werden könne. "Das deutsche Gesundheitssystem kommt an eine Belastungsrenze, wenn wir nicht dringend auch bessere Medikamente haben. Wir müssen in den Kliniken Optionen haben, um Patienten besser zu therapieren und genesen nach Hause zu entlassen."
Wendtner zeigte sich in Anbetracht der bestehenden Entwicklungsprojekte optimistisch, dass Medikamente zeitnah zur Verfügung stünden. Dies könne schon im ersten Quartal 2021 der Fall sein. Er sieht zwei positive Faktoren: Zum einen müssten Ärzte im Gegensatz zur Gabe von Impfstoffen an Gesunde nicht auf die Zulassung der Behörden warten, sondern könnten Medikamente nach Einzelfallentscheidung bereits vorher an Patienten verabreichen. Für die Entwicklungsprojekte würden zudem 5 bis 10 Mio. Euro, etwa für eine Phase II-Studie, ausreichen. "Es geht nicht um große Phase III-Studien, sondern um eine Option für Start-ups, vom Labor in die Klinik zu kommen." Trotzdem glaube er, dass bis 2022 Patienten mit schweren Verläufen in den Kliniken behandelt werden müssten.
Nach Angaben von Prof. Horst Domdey, Geschäftsführer der BioM Biotech Cluster Development GmbH in Martinsried bei München, gibt es derzeit in dem Cluster etwa 20 Therapie-Entwicklungsprojekte, von denen bis zu zwölf in das Förderschema passen könnten und damit zu den besten und schnellsten gehörten. Die Summe von 50 Mio. Euro erscheint in Anbetracht der sonst in Zusammenhang mit COVID-19 ausgegebenen Summen gering. Domdey geht jedoch davon aus, dass spätestens nach einer Phase II-Studie auch private Investoren einsteigen, sofern das wirtschaftlich erfolgversprechend sei, und dass auch der Staat in so einem Stadium weiteres Fördergeld bereitstellen würde. Bisher sind die Therapeutika-Entwickler laut Domdey eher in kleinen Schritten vorangekommen. "Aber jetzt kann richtig geklotzt werden, jetzt wird nicht mehr gekleckert wie in den vergangenen Wochen und Monaten."
Nach Angaben der CSU- und FW-Fraktion sollen die nötigen Beschlüsse im Landtag und im bayerischen Kabinett bis zur kommenden Woche fallen, sodass noch im Dezember mit der Auszahlung des Fördergelds begonnen werden könne. Die Fraktionen fordern jedoch auch andere Bundesländer und den Bund auf, Geld für die Therapeutika-Emtwicklung bereitzustellen und eine gesamtdeutsche Strategie zu entwerfen.
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