Vor etwas mehr als einem Jahr schluckte die österreichische Biocrates Life Sciences AG den Berliner Konkurrenten Metanomics Health GmbH. Doch der gemeinsam geschmiedete Wachstumsplan ging nicht auf. Jetzt wurde für die Tochtergesellschaft ein Insolvenzverfahren eingeleitet.
Anfang 2018 sah |transkript die Metabolom-Analytik „Auf dem Weg in die Routinediagnostik”. Damals übernahm die Biocrates Life Sciences AG in Innsbruck die Berliner Metanomics Health. Das Ziel war, einen spezialisierten, schlagkräftigen Metabolomik-Mittelständler zu formen, der es mit den großen Konzernen Roche und Thermo Fisher Scientific aufnehmen kann.
Die BASF Plant Science GmbH hielt seitdem eine Minderheitsbeteiligung an Biocrates. Größter Investor ist nach wie vor die MIG AG, die seit 2006 aus den MIG Fonds 1 bis 6 und 8 in Biocrates investiert hatte. Laut Matthias Kromayer von der MIG Verwaltungs AG hatte das Tiroler Unternehmen mit der Übernahme eine „kritische Masse” erreicht, um auf dem Metabolomik-Markt weiter wachsen zu können.
Durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für Metanomics Health beim zuständigen Amtsgericht Berlin-Charlottenburg am 22. Mai ist nun klar geworden, dass die Rechnung nicht aufgegangen ist. „Der strategische Plan konnte nicht wie erhofft umgesetzt werden, so Kromayer gegenüber transkript.de. So sollten die beiden Dienstleistungsgeschäfte gebündelt und dank der gemeinsamen Kundenkartei neue Aufträge akquiriert werden. Metanomics bietet das sogenannte Stoffwechselprofiling an, eine ungerichtete, nicht quantitative Suche nach nicht zwingend bekannten Substanzen in Proben. Biocrates misst im Kundenauftrag Proben, um definierte Metabolite präzise, quantitativ und reproduzierbar nachzuweisen. Doch am Ende gelang es insbesondere Metanomics nicht, in die schwarzen Zahlen zu kommen.
Tim Bölke, langjähriger Managing Director von Metanomics Health, wurde inzwischen durch den auf Interimsmanagement spezialisierten Volkswirt Moritz Seuster abgelöst. Von den ehemals knapp 30 Angestellten stehen derzeit noch 20 bei Metanomics in Lohn und Brot. Ob und wie es für sie weitergeht, entscheidet sich in den kommenden Wochen. Die Metanomics Health GmbH soll mit den Mitteln des deutschen Insolvenzrechts saniert und für die Zukunft strukturell neu aufgestellt werden. Der Insolvenzverwalter Joachim Voigt-Salus wägt aktuell zusammen mit der Geschäftsführung um Seuster, der zugleich Finanzvorstand der Muttergesellschaft Biocrates ist, die verschiedenen Optionen für die Zukunft des Unternehmens ab.
Auch das zweite Standbein von Metanomics ist weiterhin wackelig: Seit 2007 wurde ein Portfolio an Metabolit-basierten Biomarkern im Bereich onkologischer und kardiologischer Diagnostik aufgebaut – ein Bereich, an dem bei der Übernahme auch Biocrates interessiert war. Aktuell halte sich Biocrates aber bei der kapitalintensiven In-vitro-Diagnostika-Entwicklung eher zurück, so Kromayer. Trotzdem misst Insolvenzexperte Voigt-Salus dem Diagnostik-Bereich einen hohen Stellenwert bei: „Wir werden in den nächsten Tagen intensiv mit Kunden, Lieferanten und potentiellen Geldgebern sprechen. Dafür bietet die hohe Kompetenz des Unternehmens und seiner Mitarbeiter auf dem speziellen Feld der metabolischen Biomarker eine gute Ausgangsbasis.“
Biocrates will sich von seiner defizitären Tochtergesellschaft auch deswegen trennen, weil aktuell eine Fokussierung des Geschäfts ansteht. War Biocrates-Chef Wulf Fischer-Knuppertz nach der Metanomics-Übernahme noch stolz, „über das breiteste Technologie- und Produktportfolio der Industrie” zu verfügen, konzentriere man sich jetzt allein auf das Kerngeschäft, die Entwicklung, die Herstellung und den Vertrieb von Metabolomics-Kits, mit denen in einem Test im Multiplex-Verfahren gleichzeitig bis zu 400 Metaboliten quantifiziert werden können.
MIG-Manager Kromayer zufolge läuft die Markteinführung des Ende 2018 vorgestellten Kits vielversprechend: „Mit MxP® Quant 500 hat Biocrates den Zukunftsmarkt Mikrobiom-Diagnostik und -Therapie im Blick.” Die mit dem Kit gewonnenen Metaboliten-Profile können mit unterschiedlichen Erkrankungsbildern von Krebs über Diabetes bis hin zu neurologischen Erkrankungen korreliert werden. „Bei vielen Erkrankungen ist die Interaktion unseres Organismus mit dem Mikrobiom von immenser Bedeutung. Unser neuer Kit produziert einen einzigartigen Schnappschuss, der diese Dynamik erfasst und damit auch greifbar macht,“ ergänzt Wulf Fischer-Knuppertz. „Unser neues Analyseverfahren ist ein Scheinwerfer, der Einblicke in eine große ‚Black Box‘ erlaubt.“
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