Die Schweizer Santhera Pharmaceuticals kommt mit ihrem Wirkstoff Vamorolone (gegen Duchenne-Muskeldystrophie, DMD) voran, vollzieht eine Kapitalerhöhung – und die Börse wendet sich mit Grausen ab?
Die nüchterne Pressemeldung der in Basel angesiedelten Santhera zur Durchführung der bereits länger geplanten Kapitalerhöhung ist das Eine. Gut 20 Mio. CHF hat das Unternehmen mit der Ausgabe von rund 10 Millionen neuen Aktien einsammeln können, zudem konnte eine Wandelanleihe in Höhe von 15 Mio. CHF plaziert sowie eine bestehende Finanzierungszusage um weitere 10 Mio. CHF erhöht werden. Damit konnte insgesamt eine Erhöhung der Finanzmittel um etwa 45 Mio. CHF vollzogen werden. Dario Eklund, Chief Executive Officer von Santhera, kommentierte dies: “Wir sind der Auffassung, dass diese Finanzierung, die durch andere Mittel aus nicht verwässernden Quellen ergänzt werden kann, es uns ermöglichen wird, unseren wichtigen Medikamentenkandidaten näher an den Markt zu bringen” Die bestehenden Investoren wie Idorsia, Highbridge und Waypoint Capital beteiligten sich an der Kapitalerhöhung.
Am 27.9. ergänzte Santhera die Nachrichtenlage mit der Meldung, dass weitere gut 2,5 Millionen Aktien als Nachbrenner in dieser Platzierung und zudem über 5 Millionen so genannte Vorratsaktien ausgegeben worden seien. Insgesamt beliefe sich das Aktienkapital nun auf rund 55 Mio. CHF.
Und dann ist da noch das Andere: Santhera hat über eine recht komplizierte Entstehungs-, Lizenz- und Sublizenz-Geschichte einen neuartigen Wirkstoff in Händen, Vamorolone, der als "dissoziatives Steroid" bezeichnet wird. Erste klinische Daten deuteten vor einigen Jahren darauf hin, dass Vamorolone die entzündungshemmende Wirkung von Steroiden besitzt, jedoch geringere Nebenwirkungen verursacht. Dies würde für Patienten mit Duchenne-Muskeldystrophie (DMD), der primär untersuchten Indikation für Vamorolone, eine erhebliche Verbesserung darstellen gegenüber dem derzeitigen Behandlungsstandard mit herkömmlichen Glukokortikoiden.
Santhera und ReveraGen (die US-amerikanischen "Erfinder" dieser neuen Substanzklasse) gaben kürzlich sehr positiv klingende Daten aus der zulassungsrelevanten Phase IIb-Studie VISION-DMD bei DMD-Patienten bekannt. Demzufolgte zeigte der Wirkstoff in der ersten 24-wöchigen Studienphase im Vergleich zu Placebo statistisch signifikante und klinisch relevante Verbesserungen bei fünf funktionellen Messgrößen und über einen dreifachen Dosisbereich von 2 bis 6 mg/kg/Tag.
Die Wirksamkeitsdaten bestätigen nach Unternehmensangaben frühere Ergebnisse aus einer Phase IIa-Langzeitanschlussstudie, in der Vamorolone nach 30 Monaten Behandlung eine vergleichbare Wirksamkeit wie bei mit Kortikoiden behandelten DMD-Patienten zeigte. Im Vergleich zur Prednison gab es deutlich weniger nachteilige Auswirkungen auf die Knochengesundheit und Verhaltensänderungen. Damit könnte das Medikament ein neuer therapeutischer Ansatz für die Behandlung von DMD-Patienten sein, der ein individualisiertes und optimiertes Behandlungsschema ermöglichen würde – bei geringeren Nebenwirkungen.
Auch hier gibt es eine aktuelle Ergänzungsmeldung, die besagt, dass ReveraGen von der FDA im Rahmen ihres Förderprogramms "Clinical Studies of Orphan Products Addressing Unmet Needs of Rare Diseases (R01)" einen Zuschuss in Höhe von USD 1,2 Millionen erhalten hat. Diese Fördermittel ergänzen die bestehenden Zuschüsse der National Institutes of Health, NIAMS und der Foundation to Eradicate Duchenne, um eine klinische Studie mit Vamorolone bei Erwachsenen und Kindern mit Becker-Muskeldystrophie, einer der Duchenne-Muskeldystrophie ähnlichen aber milderen Form von progressivem Muskelschwund, zu beginnen.
Nun wäre eine (in der Regel den Kurs nach unten drückende) Kapitalerhöhung der Startschuss für den Hoffnungslauf an der Börse, den auch die klinischen Daten beflügeln sollten. Und in diesem Falle ist es fast das genaue Gegenteil. Die Basler Zeitung vermeldete vor wenigen Tagen, dass sich unerklärliche Dinge beim Handel mit Santhera-Aktien abspielen: großvolumige Verkaufsorder wurden über das handelsfreie Wochenende auf entsprechenden Plattformen plaziert, und kurz vor Eröffnung des folgenden Handelstages zurückgezogen. Während dieser Zeit setzte jemand ein deutliches Signal für einen Ausverkauf, was dem Kurs im Umfeld der Kapitalerhöhung nicht gut getan hat und eine gewisse Unsicherheit zurücklässt, wer denn dieser "jemand" ist, und was er noch geplant hat. Wird damit nun etwa auch eine mögliche Kurserholung für längere Zeit auf diese oder andere Weise unterbunden oder möchte dieser "jemand" nur möglichst günstig an Papiere kommen, die verunsicherte Anleger zur Schonung des eigenen Nervenkostüms abstoßen?
©transkript/gkä - aktualisiert am 27.9.2021