Nach einem Hochdurchsatz-PCR-Test zum Nachweis einer aktiven Infektion mit SARS-CoV-2 punktet die Roche Diagnostics mit einem COVID-19-Antikörpertest und Millioneninvestitionen.
Der Roche Diagostics GmbH könnte die COVID-19-Krise ein Traumergebnis bereiten. Punktete der Konzern im März bereits mit dem Markteintritt eines COVID-19-PCR-Tests mit täglichem Millionendurchsatz, der auf Roches cobas-Plattform läuft, verkündete das Unternehmen nun die Verfügbarkeit des ersten Antikörpertests in Deutschland mit akzeptabler Sensitivität und Spezifität. In Anwesenheit von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und des Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder verkündete Roche-Verwaltungsratschef Christoph Franz in Penzberg zudem eine 420 Mio. Euro-Investition. Rund 170 Mio. Euro davon fließen in den bereits begonnenen Ausbau von Produktionsanlagen am Standort Penzberg, wo der neue Test namens Elecsys® Anti-SARS-CoV-2 zum Nachweis von Antikörpern gegen das Nucleocapsid (N)-Protein von SARS-CoV-2 in zweistelliger Millionenzahl pro Monat produziert wird. Weitere 250 Mio. Euro sollen Roche Penzberg zum weltweiten Exzellenzzentrum des Konzerns für die Diagnostik machen – in der Krebspaneldiagnostik hat Penzberg diesen Status bereits. Nun soll am Standort ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum für diagnostische Tests entstehen.
Der neue Elektrochemilumineszenz-Test Elecsys® Anti-SARS-CoV-2, der auf Roches cobas e-Plattform und verwandten Modulen läuft, weist nach Unternehmensangaben Antikörper gegen das ruthenylierte Nucleocapsisprotein von SARS-CoV-2 nach – mit einer Testspezifität von 99,8% und einer Sensitivität von 100% zwei Wochen nach PCR-bestätigter Infektion mit dem neuen Coronavirus. Die an 5,272 Probanden getestete Spezifizität gibt an, wie oft ein Test negativ anschlägt, also welcher Anteil der negativen Fälle richtig identifiziert wird. Die an wesentlich weniger Patienten bestätigte Sensitivität gibt an wie viele der positiven Resultate korrekt sind. Maßgeblich dafür, wie sehr man dem Testergebnis vertrauen kann, wie hoch also die klinische Relevanz ist, sind der positive beziehungsweise negative prädiktive Wert des Tests.
Noch Anfang April hatte die Arbeitsgemeinschaft akkreditierter medizinischer Labore (ALM e.V.) zu viele falsch-positive Ergebnisse bei Antikörpertests moniert und darauf hingewiesen, dass auch Kreuzreaktionen von Antikörpern möglich seien, zurückzuführen auf eine überstandene Infektion mit einem der saisonalen Corona-Erkältungsviren. Bis dahin stand die Spezifität von Antikörpertests zum Nachweis einer erfolgten Infektion mit dem COVID-19-Erreger bei 97,3%. Bereits Ende März hatten Virologen darauf gedrängt, Antikörpertests mit hoher Aussagekraft einzusetzen, um den tatsächlichen Durchseuchungsgrad mit dem COVID-19-Erreger zu erfassen und so eine Datengrundlage für eine stufenweise Lockerung der aktuellen Ausgangseinschränkungen zu haben. Der Elecsys® Anti-SARS-CoV-2-Test wurde angesichts des hohen Bedarfs anscheinend im Eiltempo entwickelt. Noch im letzten Aprildrittel sagte Roche-Sprecherin Maren Schulz auf Anfrage von |transkript.de, sie könne keine Angabe zu Spezifität und Sensitivität des Tests machen, der nach Validierung an COVID-19-Infizierten neben der technischen Unbedenklichkeitsbescheinigung durch die EU Ende April nun auch von der US-Behörde FDA die Freigabe für den Notfallgebrauch erhielt.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat mit Roche vereinbart, dass bis Mitte Mai drei Millionen der Antikörpertests an Gesundheitseinrichtungen in Deutschland ausgeliefert werden sollen, in den Folgemonaten steigt die Zahl auf 5 Millionen. Roches Test spielt Spahn in die Karten, der für einen Immunitätspass wirbt. Er möchte für Personen mit nachgewiesenen SARS-CoV-2-Antikörpern Lockerungen des Kontaktverbotes ermöglichen. Spahns Plan basiert auf der Annahme, dass die Antikörperbildung erwiesenermaßen vor einer Neuansteckung schütze. Bisher ist die Datenlage aber laut WHO zu dünn, um dies mit Gewissheit sagen zu können. Bayerns Ministerpräsident Söder betonte, dass er den Ausbau von Penzberg als Diagnostikstandort begrüße und der Freistaat diesen finanziell unterstützen werde.
Erste Tests wurden laut Unternehmensangaben bereits ausgeliefert.