Cimeio Therapeutics – sanftere Immun- und Zelltherapie
Zelltherapien sind stark im Kommen und bei manchen Erkrankungen schon fast ein „alter Hut“. Die Knochenmarktransplantation bei bestimmten Krebsformen der Blutzellen ist schon seit vielen Jahren im Einsatz, neu als Behandlungsoption kommen einige modifizierte T-Zell-Therapien hinzu. Doch auch für andere Krankheiten, bei denen das patienteneigene Immunsystem außer Kontrolle geraten ist, könnte die zelluläre Ersatztherapie mit einem neuen Spender-Immunsystem eine Möglichkeit sein – wenn nicht die Begleitumstände all dieser zelltherapeutischen Ansätze noch immer sehr herausfordernd wären.
Hier setzt die völlig neue Herangehensweise von Cimeio Therapeutics an, deren Grundlage im Forschungslabor von Lukas Jeker in Basel entwickelt wurde. Beim Einsatz einer solchen Zell-Transplantation von Spender-Immunzellen wird heute vorher der Empfänger mit Bestrahlung und Chemotherapie behandelt, um das kranke Immunsystem zu beseitigen. Einerseits geht dies mit Nebenwirkungen einher und andererseits können nur Patienten in ansonsten robuster körperlicher Verfassung diese Prozedur gut verkraften. Wenn dann die neuen hämatopoetischen Stammzellen transplantiert worden sind, kann man eventuelle Restzellen des ursprünglichen Immunsystems nicht mehr selektiv angreifen, man würde auch die neuen, gesunden treffen.
Lukas Jeker und Kollegen haben über eine Mutation bei verschiedenen Mäusestämmen gelernt, dass Zellen einer Antikörper-getriebenen Depletion entkommen können, und damit eine Möglichkeit erkannt, künstlich ein Unterscheidungsmerkmal zwischen altem und neuem Immunsystem einzufügen. Mit nur einer bestimmten Punktmutation in einem Oberflächenmarker können die Forscher die neuen Zellen gleichsam „schützen“, während das „alte“ Empfänger-Immunsystem kontinuierlich mit einem geeigneten Antikörper in den Zelltod getrieben wird. Dadurch wird das Zeitfenster vergrößert, in dem sich das neue Immunsystem im Patienten einnisten kann. Gleichzeitig verspricht dies eine viel schonendere Behandlung und damit auch eine Verbreiterung des Einsatzgebietes von Zelltherapien allgemein.
Die frühe Unterstützung des Projekts durch die Technologietransfer-Plattform Unitectra der Universitäten Basel, Bern und Zürich, das Innovation Office der Universität Basel sowie durch den Start-up-Accelerator BaseLaunch seien laut Jeker ausschlaggebend für den Start gewesen. Mit der Finanzierung nehme Cimeio nun die nächsten Hürden auf dem Weg, die Erkenntnisse aus dieser Grundlagenforschung in die klinische Praxis umzusetzen.
|transkript.de sprach diesmal mit dem Investor, Versant Ventures, vertreten durch Markus Enzelberger.
|tk: Herr Enzelberger, es gibt eine große Zahl von immuntherapeutischen Ansätzen, was macht Cimeio so besonders?
Markus Enzelberger: Die transplantierten Zellen werden vorher in nur einer Aminosäure eines Oberflächenmarkers verändert und sind dann vor einem Angriff einer Antikörperbehandlung geschützt. Man kann so erstmals die „neuen“ von den „alten“ Zellen unterscheidbar machen und diesen Unterschied nutzen, ein sanftes Einnisten zu ermöglichen. Der Trick ist, statt mit einer Bestrahlung und Chemotherapie, also jeweils mit massiven Nebenwirkungen assoziierte Behandlungsschemata, kann man die beiden Immunsysteme parallel fahren und eines davon – nämlich das alte – langsam aber kontinuierlich abschalten.
|tk: Versant ist unter anderem auch in der deutsch-amerikanischen T-Knife investiert, ist das ein vergleichbarer Ansatz?
Markus Enzelberger: T-Knife ist ganz anders. Dort geht es in einer Technologieplattform der Zelltherapie – durchaus auch in einem Umfeld von ähnlichen Unternehmen – darum, schnell neue optimal affine T-Zellrezeptoren für die onkologische zelluläre Therapie zu identifizieren.
|tk: Aber der Kapitalbedarf scheint ähnlich hoch zu sein, wenn man sich die Finanzierungsrunden ansieht, oder?
Markus Enzelberger: Das kann man schon eher vergleichen, der Kapitalbedarf ist ähnlich hoch. Zelltherapien sind einfach teuer. In der Prozessentwicklung und den klinischen Studien hat man große Kostenfaktoren. Aber auch bei Antikörpern war das am Anfang ähnlich, teuer und hochindividuell. Ich schätze, dass man irgendwann auch bei der Zelltherapie zu deutlich niedrigeren Prozesskosten kommen wird.
|tk: Solch hohe Runden sind trotzdem noch immer die Ausnahme in Europa, warum?
Markus Enzelberger: Versant ist ein amerikanischer Investor, und dort ist es üblich, dass man in interessante visionäre Projekte mit viel Geld hineingeht, um schnell Ergebnisse zu erzielen und an der Spitze des Feldes zu laufen.
|tk: Europa hat da noch Nachholbedarf?
Markus Enzelberger: Man sieht eine Veränderung, und hohe Runden sind nicht mehr so selten. Das Spezielle bei Versant ist aber auch eine Infrastruktur mit der Discovery Engine, da haben wir 50 sehr erfahrene Forscher und Manager, die die neuen Projekte unterstützen und den Firmen beim Start und Aufbau helfen.
|tk: Woran fehlt es noch in Europa?
Markus Enzelberger: Nun, es fehlt in der Breite schon noch an ausreichend Finanzierung. Wenn der finanzielle Grundstock aber zu gering ist, dann kommen auch die hocherfahrenen Leute dort nicht hinein. Dann braucht man mehr Infrastruktur für die Translation, wobei ja die Forschung in Europa hochklassig ist. Aber es fehlt oft an einer strategischen Positionierung der innovativen Ansätze – und dazu braucht man Industrie-Veteranen, also ein wenig beißt sich hier immer die Katze in den eigenen Schwanz: Zu wenig Geld, zu wenig erfahrene Leute; zu wenig erfahrene Leute, weniger Geld. Das wird gerade etwas aufgebrochen.
|tk: Zurück zu Cimeio, wie fügt sich dieses Unternehmen in das Feld der zellulären Therapieansätze?
Markus Enzelberger: Wir haben hier eine komplette Plattformtechnologie. Der Schutzmechanismus ist übertragbar auf viele weitere Zelltypen und -linien, das ist das Spannende. Die Anwendungen reichen von der schonenden Konditionierung für die Stammzelltransplantation bis zur Behandlung von Rückfällen in der haematologischen Onkologie. Ich denke, dass Cimeio hier sehr gut positioniert ist.
Vertreter von Cimeio nehmen auch an den kommenden Swiss Biotech Days in Basel teil, am 2. und 3. Mai.
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