Microbify – Kompetenz bei Archaeen gesucht
Durch die regionale Nähe zu Straubing als PlanB-Austragungsort lag dieser Wettbewerb dem Team von Microbify wortwörtlich sehr nahe, und thematisch passt der eigene Ansatz – mit der Mikrobiologie einen Nachhaltigkeitsbeitrag zur Energiebranche zu leisten – genau zum bayerischen Wettbewerb des dortigen Wirtschaftsministeriums für Gründungsideen im Bereich der Bioökonomie. Die neue Runde startet übrigens gerade am 9. Mai 2022, die Teilnahme ist online unter www.planb-wettbewerb.de möglich.
Doch zurück zu Microbify: Das Exotische am Unternehmen sind die Mikroorganismen. Die beiden Gründerinnen Linda Dengler und Andrea Böllmann, die als Co-Gründer auch noch Georg Schmid, Dr. Harald Huber und Prof. Dr. Dina Grohmann im Boot haben, fühlen sich zwar auf diesen Gründerwettbewerben häufig etwas exotisch, doch andererseits meist auch genau richtig mit ihrer Idee, aus dem Wissen über die methanogenen Archaeen eine fast klassische biologische Beratungs- und Untersuchungsdienstleistung aufzubauen.
|transkript.de (|tk) sprach mit Linda Dengler (im Foto oben ganz rechts) über ihren Weg zur Gründerin.
|tk: Methanogene Archaeen, das klingt kompliziert. Was macht Microbify da genau?
Dengler: Wir sind eine Regensburger Ausgründung des Lehrstuhls für Mikrobiologie und Archaeenzentrum der Universität. Dort wird seit Jahrzehnten an diesen extremen Überlebenskünstlern geforscht, einer eigenen Klasse von Mikroorganismen. Unser Schwerpunkt sind die Archaeen, die aus Wasserstoff und Kohlendioxid Methan machen, also Erdgas.
|tk: Die Archaeen sind eher als komplizierte Organismen verschrien, von der Isolation, der Haltung, Kultivierung. Eignet sich das überhaupt für eine Geschäftsidee, die man ja meist möglichst einfach erklären muss?
Dengler: Zum Teil stimmt das. Diese Organismen sind häufig anaerob, Sauerstoff ist für sie schon in kleinsten Mengen toxisch. Das ganze Setting eines Labors ist daher kompliziert: Man arbeitet oft unter Stickstoffatmosphäre, statt einer normalen Petrischale braucht man Glas. Darum sind wir auch froh, dass wir noch an der Uni sitzen und das Biotechnikum mitnutzen können. Aber unsere Kompetenz und Beratungsidee ist eigentlich recht einfach erklärt. (im kleinen Bild ganz unten: Methanospirillum ©Microbify GmbH)
|tk: Wo seht Ihr da die Nachfrage genau?
Dengler: Wir sind Experten für anaerobe Mikroorganismen. Methanogene Archaeen treten bei Biogasanlagen oder bei Power-to-Gas in Erscheinung oder werden dort gezielt eingesetzt. Aber manchmal funktioniert der Prozess nicht so wie gewünscht, dann untersuchen wir das. Das war sogar der Anstoß zur Gründung.
|tk: Wie ist das gekommen?
Dengler: Über exzellente Referenzen unserer Kooperationspartner an der Masaryk Universität Brno in Tschechien sind wir an unseren ersten Auftraggeber RWE Gas Storage West gekommen. Und deswegen haben wir eine Firma gegründet. Das Projekt lief sehr gut, Folgeprojekte sind entstanden, weitere Kunden dazugekommen und jetzt ist unser Kalender für das Jahr schon wieder voll, was wir alles abarbeiten sollen.
|tk: Dann gibt es die üblichen Fragen nach Finanzierung und Investoren bei Euch gar nicht, weil Ihr direkt mit dem ersten Kunden ins Laufen gekommen seid?
Dengler: Genau. Natürlich kann man sich immer eine Finanzierung vorstellen oder braucht das auch einmal, wir planen gerade einen Umzug, werden dort viel Equipment benötigen. Aber bisher gehen diese weiteren Schritte mit einem Bankkredit, da unser volles Auftragsbuch als ausreichende Referenz angesehen worden ist.
|tk: Wie sieht so eine Beratung aus, wo ist da der konkrete Bedarf?
Dengler: Beispiel Erdgasspeicher. Methanogene Mikroorganismen kommen darin vor, stören dort also nicht, aber man könnte sie noch anderweitig „verwenden“. Nämlich wenn man eine externe grüne Wasserstoffquelle und Kohlendioxid hätte, könnte man diese Archaeen den Speicher etwa im Sommer wieder auffüllen lassen, quasi „grünes Methan“ in den Speicher beimischen, man nennt das „Untergrundmethanisierung“. Für eine transformative Übergangsphase der Gasindustrie ist das interessant. Jetzt kommt das Thema Wasserstoff und auch die Speicherung von Wasserstoff. Dieser ist aber für viele Mikroorganismen durchaus auch ein willkommener Energieträger und man muss also sehr gut aufpassen, was in diesen Speichern passiert. Wenn man Pech hat, wird es zu Schwefelwasserstoff umgewandelt, einem sehr korrosiven Gas, das die Anlagen, Ventile etc. sehr schnell kaputtmacht. Die Speicherbetreiber wissen oft überhaupt nicht, was da mikrobiell in ihrem Speicher abgeht.
|tk: Und wie messt Ihr das alles, lassen sich die Archaeen in der freien Wildbahn so leicht bestimmen und analysieren?
Dengler: Da kommt unsere Erfahrung ins Spiel und die jahrzehntelange Forschung von Prof. Stetter. Für den konkreten Einsatz an den Gasspeichern haben wir auch ein eigenes Probennahmegefäß entwickelt, das wir gerade in der Patentierung haben. Für andere Einsatzgebiete werden weitere folgen, so dass wir das Know-how auch in eine kleine Produktpalette überführen können.
|tk: Welche Themen schlagen noch bei Euch auf?
Dengler: Ein Gasspeicher wird auch mal stillgelegt. Das ist ein aufwändiger, teurer Prozess, bei dem am Ende alles geflutet wird. Hier können wir bei der mikrobiellen Überwachung mitwirken, wir können aber eben vielleicht auch dazu beitragen, dass diese Speicher mit „grünem Gas“ weiterbetrieben werden.
|tk: Nun ist „neue Energie“ ja aktuell in aller Munde, kommt Euch das nicht zugute?
Dengler: Genauso einfach stellten wir uns das am Anfang auch vor. Denn die Gründung selbst war schon so eine kleine Schnapsidee. Bereits vor der Anfrage von RWE hatten wir diese Idee und einige Gründungsförder-Anträge geschrieben, weil wir meinten, dass wir damit super in die Zeit passen müssten. Aber wir haben nur Absagen erhalten, teilweise mit der Begründung, wir würden „ja kein Projekt mit Strom“ vorschlagen, was wohl noch ein bisschen mehr en vouge ist. Gas hat den Stempel fossile Quelle und hier ist nochmals Überzeugungsarbeit nötig, dass es auch „grünes Gas“ geben kann, wenn man bei Archaeen genauer hinschaut.
|tk: Selbst ein Power-to-Gas-Unternehmen zu werden, das ist aber nicht der Plan?
Dengler: Nein, definitiv nicht. Wir sehen uns als Berater und Dienstleister. Es gibt in dem Bereich schon Produzenten gerade im Regensburger Raum oder auch aus München. Und die sehen wir eher als unsere Kunden, aber natürlich auch überregional.
|tk: Ist Linda Dengler die „geborene Gründerin“?
Dengler: Nein, überhaupt nicht. Ich arbeite noch an meiner Promotion und hoffe, dass sie fertig wird in diesem Jahr. Ich springe aber gerne ins kalte Wasser und traue mir etwas zu. Und zum Glück haben wir mit Georg Schmid auch jemanden mit Erfahrung in den finanztechnischen und buchhalterischen Dingen gefunden, das ist für mich ein Bereich, den ich gut abgeben kann. Zusammen mit Anja Kaul und Andrea Böllmann sind wir ein Kernteam von vier Personen, jetzt kommen noch ein paar weitere dazu und wir wachsen, auch darum müssen wir nun neue Räume finden.
|tk: Nutzt Ihr die Archaeen so, wie sie in der Natur vorkommen, oder wird da biotechnologisch optimiert?
Dengler: Wir verwenden ja einzelne Stämme in der freien Natur, beimpfen einen Speicher. Da ist natürlich jede genetische Optimierung ausgeschlossen, das kann man überhaupt nicht machen. Wir werden uns aber vermutlich eine eigene Bakterienbank aufbauen, aus den Habitaten beim Kunden, also etwas näher an diese konkrete Umwelt heranrücken. Das wird stückweise aufgebaut und natürlich analysieren wir die Archaeen genau auf Eigenschaften. Eine Modifizierung der Mikroben findet dabei nicht statt, wir können aber sehr gut selektieren, beziehungsweise die „Natur“ macht das für uns, in dem wir die natürliche Adaptationsfähigkeit nutzen.
|tk: Microbify gibt es jetzt gerade ein Jahr. Halten sich Verzweiflung und Hoffnung die Waage, oder wohin tendiert die Grundstimmung?
Dengler: Ich finde, es läuft wirklich super. Die vielen Anfragen und Aufträge sind eine schöne Bestätigung. Ja, wir waren auch mal verzweifelt, als wir am Anfang so fest überzeugt waren von unserer Idee zur richtigen Zeit damit loszulaufen und dann kamen die ganzen Absagen der Projektträger. Daraus habe ich aber gelernt: Niemals aufgeben! Wenn man selbst überzeugt ist, wird es auch irgendwann laufen.
„Microbify setzt den langjährigen Erfolg des Regensburger Schwerpunktes für Mikrobiologie und dem Archaenzentrum fort“, kommentiert Dr. Thomas Diefenthal, Geschäftsführer der BioPark Regensburg GmbH. „Durch die aktuellen Themen Nachhaltigkeit und Energiewende kommt das Geschäftsmodell 'just in time'“.
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