Proteinabbau mit Wiener Schmäh – Proxygen
Proxygen ist in den Startup Labs Vienna angesiedelt. Dort stehen seit 2020 insgesamt 60 Labor- und 30 Büroarbeitsplätze am Vienna BioCenter (VBC) zur Verfügung, die kostengünstig vermietet in einem „Share-Prinzip“ auf die jeweiligen Bedürfnisse der Gründer individuell angepasst werden können. Durch Kooperation des Gründerzentrums mit „Big Playern“ der Branche gibt es für die Jungen am VBC ein gutes Mentoring. Im Fall von Proxygen hat sich eine daraus entstandene Kooperation mit Boehringer Ingelheim als sehr erfolgreich erwiesen. Nun folgte eine finanziell hoch attraktive Partnerschaft (um die 495 Mio. Euro schwer) mit Merck (im dortigen Beitrag ist der Unterschied von PROTACs und Glues auch näher erläutert).
Die von Georg Winter, Matthias Brand, Stefan Kubicek und Prof. Giulio Superti-Furga gegründete Proxygen setzt bei der Forschung auf „Molecular Glues“ oder „Molecular Glue Degraders“. Im Unterschied zu PROTACs (PROteolysis TArgeting Chimeras) bestehen sie aus nur einer Einheit, welche die Distanz zwischen Zielprotein und Ubiquitin-Ligase überbrückt. Die molekularen Kleber vermitteln so die Bindung zweier Proteine aneinander, die das normalerweise nicht tun würden: Ubiquitin-Ligasen binden an die krankmachenden Zielproteine und markieren diese so für den Abbau. Um nicht mehr von eher zufälligen Entdeckungen solcher molecular glues abhängig zu sein, entwickelte Proxygen eine ausgeklügelte Screening-Methode zum Aufspüren neuer molekularer Kleber. Dies hatte schon zu einem Boehringer Ingelheim Innovations-Preis geführt und zu einer ersten Kooperation mit diesem Pharmaunternehmen. Nun folgt eine vom finanziellen Umfang deutlich größere mit Merck.
Proxygen fischt "mit einem größeren Netz als andere", sagt CEO Bernd Boidol. Zu diesem Zweck führt das Unternehmen große Screenings von Molekülen durch, die ein Abbaupotential haben, und gleicht sie dann mit einer entsprechenden Ligase ab. Der zusätzliche Vorteil dieses Verfahrens besteht laut Boidol darin, dass es neue Ubiquitin-Ligasen jenseits der bekannten Hippel-Lindau- und Cereblon-Proteine aufspüren kann. Im Gegensatz zu strukturbiologischen Ansätzen, bei denen Ligase und Zieleiweiß teils computergestützt bestimmt werden und erst dann ein „Glue“-Molekül entworfen wird, geht Proxygen einen zellbasierten Weg. „Wir screenen Millionen von unterschiedlichen Molekülen auf unseren Reporter-Zellen. Stellt sich heraus, dass eines dieser Moleküle tatsächlich ein Zieleiweiß degradiert, bestimmen wir im nächsten Schritt, welche Ligase für diesen Prozess in der Zelle genutzt wird. Wir umgehen also alle theoretischen, teils sehr zeitaufwendigen und eher ungenauen A-priori-Bestimmungen von 'Ligase-Zieleiweiß-Molekül'-Komplexen und beschäftigen uns direkt damit, was in der Praxis, in der Zelle selbst, passiert.“ Der besondere Trick sei das Analyseverfahren. "Wir sehen nur Degrader, die eine Ligase verwenden, die ein Ziel wirklich degradiert."
Damit böten sich für Entwicklungen ganz neue Räume an, so Proxygen. "Stellen Sie sich vor, Sie haben eine andere Ligase, mit der Sie den bekannten Mechanismus nutzen können, die Ihnen aber von der IP-Seite, vom Target und auch chemisch eine riesige, neue Tür öffnet, durch die Sie gehen können und sich auf unbestelltem Terrain befinden", sagte er. Die Möglichkeiten, in einem heißumkämpften Bereich auf ganz neue Wiesen und Felder zu gelangen, haben bisher schon zwei große Pharmafirmen überzeugen können.
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