Degrader mit Proteomics validieren – NEOsphere Biotechnologies
Der gezielte Proteinabbau (Targeted Protein Degradation, TPD) zielt darauf ab, krankheitsverursachende Proteine zu beseitigen, statt sie nur zu hemmen. Im Gegensatz zu herkömmlichen niedermolekularen Arzneimitteln, die nur die Zielproteine hemmen, markieren Moleküle, die den Abbau induzieren, ihre Zielproteine und schicken sie in den natürlichen Abbauprozess. Sie benötigen keine aktiven Bindungsstellen im reaktiven Zentrum des Zielproteins, um ihre Wirkung zu entfalten. In kurzer Zeit hat sich im Degrader-Feld eine große Vielfalt an verschiedenen Ansätzen entwickelt: molekulare Klebstoffe (Glues), heterobifunktionelle Degrader, die als Proteolyse-Targeting-Chimären (PROTACs) bekannt sind, monovalente Degrader und Deubiquitinase-Inhibitoren. Dieser neuartige therapeutische Mechanismus macht Proteinabbauer zu vielversprechenden Therapeutika für Indikationen mit hohem medizinischem Bedarf, die von konventionellen Medikamenten nicht abgedeckt werden.
Während einige Unternehmen und Forscher versuchen, über die Proteinstruktur und eventuell den Einsatz von Machine Learning und Künstlicher Intelligenz die besten Kombinationen an Degrader-Molekülen zu identifizieren oder neu zu designen, ist die Vorgehensweise von NEOSphere Biotechnologies eine andere. Dort wird eine Proteomik-Plattform verwendet, die umfangreiche niedermolekulare Substanzbibliotheken gegen das gesamte Proteom analysiert, und somit nach zellulären Zielmolekülen durchforstet, die bisher als nicht behandelbar galten, hierbei sind auch einige Neuentwicklungen in Arbeit. Mit einer Hochdurchsatzmethode und der Beherrschung der Datenanalyse betritt NEOSphere Biotechnologies nicht von ungefähr das Spielfeld, vielmehr sind die treibenden Persönlichkeiten dahinter in der Proteom-Analyse sehr erfahren. Henrik Daub, Andreas Jenne und Jutta Fritz kennen sich schon aus Zeiten des Unternehmens Kinaxo, das mittels Phosphoproteomanalysen die Wirkungsweise von Wirkstoffen auf den Phosphorylierungsgrad des Gesamtproteoms analysierte. Dies war ein so gefragtes Thema, dass schließlich die Hamburger Evotec Kinaxo übernahm und diese Analyse in das eigene Screeningangebot für BigPharma integrierte.
In einer weiteren Zusammenarbeit schufen Andreas Jenne und Jutta Fritz mit Forschern der Kölner Uniklinik die NEO New Oncology, eine Diagnostikfirma im Bereich der Liquid-Biopsy und der Analyse solider Tumoren. Auch diese Firma fand das Interesse von globalen Playern, in diesem Fall kaufte Siemens Healthineers die NEO New Oncology.
Während bei der Namensgebung des neuesten Start-ups Anklänge zum letzten gemeinsamen Diagnostikunternehmen leicht zu entdecken sind, ist die Technologieplattform eine gänzlich andere. NEOsphere Biotechnologies nimmt für sich in Anspruch eine Lücke zu füllen, den Zugang zu ganz neuen „Gebieten“ (Sphären) zu eröffnen. Obwohl Proteinabbauer das Potenzial haben, in vielen therapeutischen Bereichen wie Krebs und Neurologie zu Blockbuster-Medikamenten zu werden, ist ihre Entdeckung bisher weitgehend zufällig erfolgt. Daher sind die Reichweite und Selektivität vieler TPD-Verbindungen noch weitgehend unbekannt. NEOsphere Biotechnologies kombiniert die datenunabhängige Akquisitions-Massenspektrometrie (DIA-MS) mit einer maßgeschneiderten Dateninterpretation, um eine Hochdurchsatz-Proteomanalyse mit überlegener Empfindlichkeit, Präzision und Datenvollständigkeit zu liefern. Die Plattform ist schnell und hochgradig skalierbar, und kann daher auch begleitend zur Arzneimittelentwicklung durchgeführt werden. Es können ganze Substanzbibliotheken und damit Tausende von Wirkstoffmolekülen gegen mehr als 10.000 Proteine getestet werden. Sobald potentiell interessante zelluläre Zielmoleküle identifiziert sind, werden sie mit Hilfe leistungsfähiger Technologien wie der Hochdurchsatz-Interaktomik oder der Ubiquitinierungsanalyse mit einer beispiellosen Tiefe von 50.000 Stellen als neue Degrader-Targets validiert.
Prof. Henrik Daub, wissenschaftlicher Gründer und Chief Scientific Officer von NEOsphere Biotechnologies, erklärt das so: "Um das volle Potenzial der TPD auszuschöpfen, sollte die proteomweite Analyse idealerweise die Entwicklung jedes Degrader-Moleküls begleiten, von der ersten Charakterisierung im Screening-Stadium bis zur endgültigen Auswahl als echten Kandidaten.“ Er betont die neue Dimension, die Proteomics im gesamten Entwicklungsprozess ermöglichen. „Unsere Plattform ermöglicht ein tiefgehendes proteomisches Screening, das sowohl mit der frühen Entdeckung von Zielmolekülen als auch mit der fortgeschrittenen Optimierung von Wirkstoffen vereinbar ist und einen beispiellosen Zugang zu bisher nicht zugänglichen Zielmolekülen ermöglicht. In Zusammenarbeit mit unseren Partnern wollen wir deren innovative Degrader-Chemien mit dem gesamten Proteom verbinden. Auf diese Weise schaffen wir neue Möglichkeiten für die Arzneimittelentdeckung in großem Maßstab und ermöglichen unseren Partnern den Aufbau breiter und robuster Pipelines mit erstklassigen Therapeutika." Er betont dabei, dass die vielen Ansätze, die derzeit auf das Screening am Computer setzen und dabei Künstliche Intelligenz einsetzen nur eine Perspektive auf die Kandidaten beisteuern, und nur mit sehr guter Datengrundlage auch zu validen Ergebnissen kommen werden. In Ergänzung sollte man aber die „echten“ Proteine und Wechselwirkungen studieren.
Als Geschäftsfeld sieht NEOsphere Biotechnologies die Kooperation mit strategischen Partnern, denen ein gründliches Screening von Substanzbibliotheken beliebiger Größe gegen das gesamte menschliche Proteom ermöglicht wird, um die Entdeckung von Wirkstoffmolekülen zu initiieren und voranzutreiben. Jutta Fritz weist dabei auf die langjährig gewachsenen Partnerschaften in früheren Unternehmungen hin und sagt: „Wir führen bereits viele Gespräche mit Interessierten.“
Interims-CEO Andreas Jenne, der sich nach einer Anfangsphase wieder zurückziehen wird, hat sich mittlerweile zu einer Art „Berufsgründer“ entwickelt, der mit einer eigenen Investment-Einheit (Ventura BioMed Investors) und einem Netzwerk von Investoren auch die Finanzierung im mittleren einstelligen Millionenbereich für NEOSphere Biotechnologies darstellte.
Jenne sagte dazu: „Wir sehen für dieses Start-up eine sehr gute Positionierung und werden mit unserer Finanzierung und unserem langfristigen Engagement das Unternehmen bis zum Erreichen der Gewinnzone begleiten. Auf so einem Weg ist es gut, die Agilität und Flexibilität als Start-up zu haben und mit einer gewissen Offenheit an die nächsten Schritte heranzugehen.“
Dass München sich zu einem international anerkannten Zentrum für die Massenspektrometrie entwickelt hat, läge nicht nur an exzellenten Forschern in den Instituten, sondern auch am dynamischen Ökosystem der Unternehmen. Hier wolle NEOsphere Biotechnologies einen neuen technologischen Ansatz ins Degrader-Feld einbringen. In Kürze wird man dies in neuen Räumlichkeiten im Zentrum von Martinsried machen, nur einen Steinwurf entfernt von den Max-Planck-Instituten und dem Gründerzentrum IZB.
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