Von Biopolitik, Planwirtschaft und ewig Gestrigen
Biopolitisches
Ein Gefühl des Gestrigen, aus der Zeit Gefallenen beschlich einen, wenn man die nunmehr gescheiterten „Sondierungsverhandlungen“ der sogenannten Jamaika-Koalition in Deutschland am Bildschirm verfolgte. Wo steht eigentlich, dass die Bundesrepublik am Beginn einer Legislaturperiode einen umfänglichen 4-Jahresplan braucht, der bis ins letzte Detail regelt, was die kommende Regierung zu tun gedenkt? War nicht der Teil Deutschlands, der auf 5-Jahrespläne setzte, vor noch gar nicht so langer Zeit politisch und vor allem ökonomisch gescheitert? Nichts gegen ein Ausloten, ob man miteinander kann, doch ein Blick zurück auf die wirklich disruptiven Entscheidungen der Ära Merkel zeigt doch, dass diese eben nicht im Koalitionsvertrag standen: Atomausstieg nach Fukushima und Flüchtlingskrise durch Syrien.
Mich beschlich während der Sondierungen vor allem das Gefühl, dass hier eine Rundum-
Absicherung der eigenen Parteibasis gegenüber angestrebt wurde. Zudem sollte die Bevölkerung mal wieder mit sozialen Wohltaten sediert werden, die man sich dank sprudelnder Steuereinnahmen leisten zu können glaubt. Einzig beim Klimaschutz schimmerte durch, dass wir eigentlich ganz andere Probleme haben und es vor allem darum gehen müsste, unser komplettes Treiben endlich nachhaltig auszurichten und nicht mehr von der Substanz des Planeten zu leben – zu Lasten aller Kommenden. Schlechte CO2-Bilanz? Schlimm, schlimm, aber wegen ein paar Tausend Arbeitsplätzen im Kohlebergbau leider nicht zu ändern. Schlechte Luft in den Städten? Das Wort Verkehrsvermeidung ist im Autoland Deutschland weitgehend unbekannt. Wissensbasierte Bioökonomie? Biologisierung der Industrie? War da was?
Ursprünglich war ich ein Befürworter der Jamaika-Koalition. Doch nach der peinlichen Vorstellung der letzten Wochen glaube ich, dass wir vor allem einen Generationswechsel in der deutschen Politik brauchen. Die alte Garde gehört in den wohlverdienten Ruhestand, da sie offensichtlich nicht in der Lage ist, das Land in eine nachhaltige Zukunft zu führen. Jüngere müssen an die Schalthebel, die noch in der Lage sind, Visionen zu entwickeln. Die technische Entwicklung verläuft weltweit rasend, da müssen unsere gesellschaftlichen und ökonomischen Strukturen dringend nachjustiert werden. Das ist viel wichtiger als Kanzler- und Ministerpräsidenten-Dämmerungen. Wie es weitergeht? Das weiß ich auch nicht, doch das Grundgesetz ist ein ziemlich festes Fundament in dieser wackeligen Lage.