Zeitschriften
Pro: Oliver Schacht, Vorstandsmitglied, Co-Leiter der AG Finanzen & Steuern, BIO Deutschland (Foto: Curetis GmbH); Kontra: Jens Span (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen (Foto: BMF)

Braucht Deutschland ein Wagniskapitalgesetz?

Pro: Oliver Schacht, Vorstandsmitglied, Co-Leiter der AG Finanzen & Steuern, BIO Deutschland

Die Finanzkennzahlen für 2015 haben wieder deutlich gezeigt, dass es für deutsche Biotechnologie-Unternehmen außergewöhnlich schwierig ist, Venture Capital (VC) einzuwerben. Nur dem Unternehmen CureVac gelang es, in wirklich großem Umfang privates Venture Capital einzuwerben. Es ist also offensichtlich, dass wir in Deutschland dringend attraktive Rahmenbedingungen für Investoren benötigen, um für innovative Start-ups und Unternehmen in Wachstumsphasen Kapital zur Verfügung zu stellen. Daher sollte ein Gesetz für die Verbesserung der aktuellen Rahmenbedingungen für VC-finanzierte innovative Unternehmen besondere Priorität haben. Dieses Gesetz muss umfassend sein und sowohl steuerliche als auch regulatorische Aspekte adressieren.

Der Arbeitskreis Finanzen und Steuern der BIO Deutschland hat Maßnahmen erarbeitet, die hier ansetzen. Die Ausweitung des Programms "INVEST - Zuschuss Wagniskapital" auf ein deutlich größeres Volumen und eine breitere Investorengruppe würde wünschenswerte Anreize schaffen. Die ersten Schritte in die richtige Richtung sind hier schon angekündigt worden. Aber für innovative Biotech-Unternehmen reichen die vorgesehenen Summen leider noch nicht aus. Außerdem plädieren wir für eine Befreiung von der Abgeltungssteuer bei Anteilsverkäufen nach einer Mindesthaltezeit. In Frankreich, wo in jüngerer Zeit deutlich mehr Biotech-Unternehmen den Weg an die Börse gefunden haben als in Deutschland, hat sich ein Innovationsfonds bewährt, der steuerliche Anreize für Privatanleger schafft, sich an Hightech-Unternehmen zu beteiligen. Daher fordern wir analog dazu einen deutschen Innovationsfonds, um so auch hier Privatvermögen zu mobilisieren. Ein Dauerthema für uns sind die steuerlichen Verlustvorträge. Hier besteht eine klare Benachteiligung für kleine und mittlere innovative Unternehmen im Vergleich zu Großkonzernen.

Ganz abgesehen von einem VC-Gesetz, das dringend benötigt wird, wäre in Deutschland aber auch eine veränderte Sicht auf die Börse und Aktien wünschenswert, die nach wie vor nur von wenigen als Möglichkeit einer wertvollen Kapitalanlage gewertet werden. Ein solcher Wandel kann aber nur durch ein klares Bekenntnis der Politik zu Venture Capital und Börse erreicht werden.


Kontra: Jens Spahn (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen

Die Aufregung war groß in den ersten Tagen im Mai: "Finanzministerium blockiert Wagniskapitalgesetz". Wer nur die Überschrift liest, wird leider schnell auf die falsche Fährte geführt. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Die Eckpunkte der Bundesregierung zum Thema Wagniskapital gelten weiterhin. Wir wollen ein funktionierendes Venture-Capital-Ökosystem aufbauen, wir wollen das Thema Verlustvorträge sauber lösen. Niemandem wäre geholfen, wenn wir hier eine Regelung träfen, die am Ende von der Europäischen Kommission wieder einkassiert wird. Es ist auch klar: Wir sind in den vergangenen Monaten doch schon ein gutes Stück vorangekommen. Die Ausweitung des Invest-Zuschusses ist in Arbeit, die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat sich als Ankerinvestor an einer Reihe von Fonds beteiligt, weitere werden folgen; mit Coparion wurde eine neue Art des Ko-Investments aufgesetzt, der ERP-EIF-Dachfonds wurde aufgestockt. Immerhin wird so zusätzliches Risikokapital in Höhe von 1,458 Mrd. Euro mobilisiert. Das ist für Deutschland nicht wenig.

Es gilt aber auch: Der deutsche Venture-Capital-Markt ist mit rund 0,023% des BIP (2014) noch relativ klein, in Israel beträgt der Anteil am BIP 0,31%, in den USA 0,21% und selbst in Schweden ist er noch mehr als doppelt so hoch wie bei uns. Deshalb sollten wir uns abseits der großen Überschriften fragen, welche Regelungen wir konkret verbessern müssen, um diesen Anteil zu steigern. Denn eines ist klar: Die Finanzierung von jungen Unternehmen - gerade derjenigen, die im Bereich Digitalisierung unterwegs sind - wird immer wichtiger für den Industriestandort Deutschland. Das Bundesfinanzministerium hat in den vergangenen Monaten auch mit dem FinCamp deutlich gemacht, dass wir diese Entwicklung verstehen und befördern wollen. Unser Ziel ist es, neue Möglichkeiten zu eröffnen. Dabei kommt es nicht so sehr auf das Format an, sondern auf die Inhalte. Nur weil aus unserer Sicht das, was wir gesetzlich regeln müssten, nicht so viel Stoff hergibt, dass ein gebündeltes Wagniskapitalgesetz nötig wäre, heißt das also nicht, dass die Inhalte wegfallen. Im Gegenteil, wir sind mit Hochdruck dabei. Inhalte zählen dabei mehr als Überschriften.