Spezial
© BIOCOM

Von neuen Ministern und alten Miesepetern

Schaufenster
Manchmal ist so eine Hauptstadt ja doch zu etwas gut. Zum Beispiel, wenn gleich zwei Großveranstaltungen – die sich sogar an einem Tag überlappten – die nationale und internationale Aufmerksamkeit auf das Thema Biologisierung unserer Wirtschaft lenken. In Berlin fanden im April die Deutschen Biotechnologietage und der Global Bioeconomy Summit statt. Beide mit jeweils nahezu tausend Besuchern wahrlich keine kleinen Kaliber, was denn auch die Bundesregierung in Gestalt von gleich drei neuen Ministern in Bewegung setzte: Wirtschaftsminister Peter Altmaier besuchte die Biotechnologietage am Alexanderplatz, Forschungsministerin Anja Karliczek und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner sprachen beim Bioökonomie-Gipfel am Außenministerium. Aus nationaler und europäischer Sicht waren die Besucher natürlich auf Worte und Zeichen erpicht, die darauf schließen lassen, ob die bislang inhaltlich ja wenig profilierte neue Regierung Deutschlands tatsächlich der Biologisierung endlich Schub verleihen wird. Sie wurden nicht enttäuscht. Die Schwerpunkte waren beim 2. Global Bioeconomy Summit, der übrigens von BIOCOM für den Bioökonomierat im Auftrag der Bundesregierung organisiert wurde, noch deutlich weiter gefasst: Teilnehmer aus fast 80 Ländern der Erde tauschten sich intensiv über ihre Ziele, Erfahrungen und Projekte aus. Eine Ausstellung mit biobasierten Produkten aus aller Welt in den Kategorien Ernährung und Gesundheit, Klimaschutz, nachhaltige Materialien und industrielle Innovationen fand große Beachtung; in teilweise überfüllten Workshops wurde intensiv gearbeitet. Tue Gutes und rede darüber – mit beiden Veranstaltungen wurde Berlin für drei Tage zum Schaufenster der angewandten Biotechnologie. Chapeau!

Schlechtreden
Dass das auch andersherum geht, zeigte unlängst Ernst & Young (EY), die in Zusammenarbeit mit der BIO Deutschland wieder Zahlen zur Lage der Biotechnik-Branche in Deutschland veröffentlichten. Obwohl die EY-Ergebnisse keinen anderen Trend als die neue OECD-Statistik von BIOCOM zeigten, war das Presseecho eindeutig: „Deutsche Biotech-Branche braucht Sprung nach vorn“ titelte die FAZ, „Viel Forschung, wenig Erfolge“ hieß es im Handelsblatt, „Deutsche Biotech hinkt hinterher“ schrieb die Börsen-Zeitung, „Deutsche Unternehmen im Hintertreffen“ die Südwest-Presse, usw. Unser Beitrag über die OECD-Erhebung trägt hingegen den Titel „Biotech-Branche boomt, Rekorde purzeln“. Wie kann das sein? BIOCOM zählt 646 dedizierte Biotech-Firmen mit 21.860 Mitarbeitern, bei EY sind es 647 Unternehmen mit 25.927 Beschäftigten. 4,1 Mrd. Euro zu 4 Mrd. Umsatz wurden ermittelt. Die F&E-Ausgaben stiegen laut BIOCOM um 1,2%, laut EY fielen sie um 3%. Bei den Finanzierungen feiert die OECD-Studie ein Allzeithoch mit 673 Mio., bei EY sind es nur 627 Mio. Euro. Doch aufgrund des vergleichbaren Niveaus der Ergebnisse stellt sich doch die Frage, warum das Glas für die Einen ziemlich voll, für die Anderen jedoch recht leer ist? Des Rätsels Lösung findet sich in der EY-Pressemitteilung: „Entwicklung der Forschungsausgaben, der Börsengänge und der Risikokapitalinvestitionen fallen im internationalen Vergleich zurück.“ Aha, EY hat die deutschen Ergebnisse lediglich mit anderen seiner Länderreports verglichen und findet die Kirschen in Nachbars Garten verlockender. Na denn, alles wie immer. Honni soit qui mal y pense.