Brauchen wir eine Debatte über künstliche Intelligenz?
Pro: Prof. Dr. Dr. Roland Benedikter, Center for Advanced Studies, Eurac Research Bozen
Ja, wir brauchen die Debatte nun auch im deutschen Sprachraum. Künstliche Intelligenz (KI) wird in den kommenden Jahren immer mehr Bereiche unseres Lebens mitbestimmen und verändern. Die jüngste Debatte zwischen Elon Musk, einem Kritiker-Befürworter, und Mark Zuckerberg, einem Pauschal-Befürworter, hat gezeigt, dass die Diskussion im anglo-amerikanischen Raum massiv geführt wird – und zwar seit Jahren. Die Öffentlichkeit nimmt daran starken Anteil, vor allem junge Menschen, die dadurch für Vor- und Nachteile sensibilisiert werden. Steve Wozniak, Bill Gates, Stephen Hawking, Bill Joy und viele andere führen die Diskussion mit Studenten und Zivilgesellschaftern seit geraumer Zeit.
Daraus sind zahlreiche konkrete Initiativen hervorgegangen, die sich darum bemühen sicherzustellen, dass KI für und nicht gegen den Menschen arbeiten wird. So etwa Stiftungen von Elon Musk, Initiativen an der Bill Gates Computer School der Stanford University und sogar eine eigene Universitätsgründung, die Singularity University auf einem ehemaligen NASA-Gelände in Kalifornien, die ebenfalls der Vorbereitung auf das Erwachen der KI zu einem möglichen „Selbstbewusstsein“ dient. Wissenschaftler wie Nick Bostrom, Direktor des „Zukunft der Menschheit Instituts“ der Universität Oxford, haben zu dieser Diskussion Werke verfasst, die in der Öffentlichkeit breit diskutiert wurden und hauptsächlich für die breite Öffentlichkeit geschrieben wurden. Darunter ist zum Beispiel das Buch „Superintelligence“ (2013), in dem Bostrom darstellt, die größte Herausforderung der Menschheit in den kommenden Jahren bestehe darin, die zur Superintelligenz entwickelte KI menschenkonform zu halten. Dazu ist eine Debatte nötig, die ständig mit den Entwicklungen mitgeht, sie kommentiert, befragt, teilt, versteht. Diese Debatte brauchen wir jetzt auch im deutschen Sprachraum, wenn wir nicht zu reinen „Kunden” der Entwicklung werden wollen.
Kontra: Dr.-Ing. Matthieu Schapranow, Program Manager E-Health & Life Sciences, HPI, Potsdam
Die Informatik arbeitet schon lange an der Nachahmung menschlichen Verhaltens, etwa um neue Ein-/Ausgabesysteme zu entwickeln oder Computer in unvorhersehbaren Situationen agieren zu lassen. Die Künstliche Intelligenz umfasst dabei eine Vielzahl mathematisch-technischer Verfahren, die erst durch jüngste Fortschritte in der Kombination von Datenquellen und deren rasanter Verarbeitung Anwendung finden.
Ein konkretes Beispiel aus der Medizin demonstriert, wie Radiologen bei der Befundung von Bilddaten, beispielsweise von Tumoren, unterstützt werden. Algorithmen analysieren dazu eine Vielzahl historischer Befunde, identifizieren Gemeinsamkeiten und leiten Korrelationen ab. So können Auffälligkeiten in Aufnahmen hervorgehoben werden und Radiologen mehr Zeit für deren Analyse aufbringen. Die KI unterstützt sie bei ihrer Arbeit, trägt zur Effizienzsteigerung bei und sichert die Qualität der Befundung. Denn Algorithmen operieren rund um die Uhr bei gleichbleibender Qualität.
Die KI ist also keine Schreckensvision oder Science Fiction. Dennoch gilt es, ihre Resultate korrekt zu interpretieren und nicht ungeprüft Handlungen zu initiieren. KI-Algorithmen resultieren oft in Wahrscheinlichkeiten statt in klassischen Ja-/Nein-Aussagen. Dafür ist die Ausbildung der Anwender erforderlich, die Anwendungsmöglichkeiten, aber auch Grenzen der Technologie und der zugrundeliegenden statistischen Verfahren vermittelt.
Künftig müssen wir in Deutschland neben dem wissenschaftlichen Einsatz auch die praxisnahe Erprobung der KI entlang konkreter Anwendungsfälle fördern. Nur so können Mehrwert und Nutzen ganz konkret demonstriert werden und verhindert werden, dass wir in eine Abhängigkeit geraten, in der Innovationen im Gesundheitswesen ausschließlich von ausländischen Konzernen dominiert werden.