
Strategischer Führungswechsel bei Merck
Zum Auslaufen der Amtszeit von CEO Belén Garijo nimmt die Merck KGaA einen strategisch bedeutenden Wechsel vor. Nachfolger wird am 1. Mai 2026 der bisherige Chef von Mercks stark wachsendem Elektronics-Geschäft.
„Ich möchte Belén Garijo dafür danken, dass sie unser Unternehmen fachkundig durch turbulente Jahre des Wandels geführt und es wieder zu profitablem Wachstum zurückgeführt hat“, erkärte Johannes Baillou, Vorsitzender des Vorstands der Merck KGaA, bei der Vorstellung ihres Nachfolgers und deutete an: „Kai Beckmanns bewährte Transformationskompetenz wird für das nächste Kapitel des Wachstums unseres Unternehmens von grundlegender Bedeutung sein.“
Gemeint ist damit die Positionierung von Merck in einem globalen Markt, in dem geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA zwei der drei Geschäftsbereiche des Darmstädter Konzerns – Healthcare (40% Umsatzanteil), Electronics (18% Umsatzanteil) und Life Sciences (42% Umsatzanteil) – des Mischkonzerns stark beeinflussen, nämlich die Halbleiter, Display und Chip-Sparte Electronics und die Arzneimittelsparte Healthcare.
Sowohl China als auch die USA sehen die Arzneimittelentwicklung sowie Halbleiter- und die damit verbundenen Felder KI und Quantencomputing als strategisch und sicherheitspolitisch prioritäre Technologiefelder an. Zwar gab es bislang zollpolitisch derzeit ein Stillhalteabkommen der Großmächte in Sachen Arzneimittelzölle. Doch US-Präsident Donald Trump hat im Rahmen seines Ziels, Produktionskapazitäten in den USA aufzubauen, im April Untersuchungen zu den Auswirkungen von Arzneimittel- und Halbleiterimporten auf die nationale Sicherheit veranlasst. Trump Drohungen mit 100%igen Zöllen auf Halbleiterimporte und 250%igen Importaufschlägen auf im Ausland hergestellte Arzneimittel haben sich nun konkretisiert. Entgegen bisheriger bilateraler Absprachen will der US-Präsident zum 1. Oktober 100%ige Zölle auf Arzneimittelimporte in die USA erheben – nur Unternehmen mit US-Produktion oder -Investitionen sollen davon ausgenommen werden. Namhafte Kenner des US-Arzneimittelökosystems, wie Jeremy Levin, Chairman und CEO von Ovid Therapeutics und Ex-Board der BIO, sehen kleinere Biotech-Unternehmen als Opfer dieses Szenarios. Levin wird dazu auf der BIO-Europe in Wien einen Vortrag dazu halten.
In diesem Spannungsfeld wird der technologisch versierte neue CEO Beckmann den Mischkonzern so navigieren müssen, dass zollbedingte Margenverluste begrenzt und Unternehmenswachstum gesichert werden kann. Betroffen ist von den derzeit 15%igen Zöllen auch Mercks Life Sciences-Sparte, die bereits eine Korrektur der Jahresprognose vornehmen musste, da seine Science & Lab Solutions- (53% Spartenanteil), Process Solutions- (39% Spartenanteil) und Life Science Services-Sparte (8% Spartenanteil) stark exportabhängig sind.
Wohin die Reise von Merck mit Beckmann gehen mag, zeigt eine unlängst verkündete Kooperation mit Siemens Heathineers. Das Komplettmangement der Arzneimittelentwicklung und F&E bis zur Zulassung und Vermarktung unter Siemens‘ KI- und Digitalplattform LUMA, die Daten zusammenführt, mit digitalen Zwillingen analysiert, ICH-konform dokumentiert sowie klinische Prüfungen managt – kurz die Integration von KI, Automation und elektronischen Lösungen in die Arzneimittelentdeckung und -entwicklung inklusive KI-Chip-Entwicklung, wie derzeit bei Open-AI bereits betrieben. Merck will in einem Pilotprojekt mit Siemens Healthineers Lücken in LUMA schließen und bringt seine Expertise aus dem Healthcare-Segment ein.