Intelligenter Ozean-Dünger
Die Koordination von Aggregaten ermöglicht es meeresdüngenden Bakterien, schnell auf ihre Umwelt zu reagieren, so Wissenschaftler der ETH Zürich.
Trichodesmium – ein weit verbreitetes Bakterium in nährstoffarmen Meeresregionen – ermöglicht das Leben in tropischen und subtropischen Meeren, indem es Stickstoff bindet und anderen Organismen zur Verfügung stellt. Seine Fähigkeit, schnell auf Umweltveränderungen durch die Bildung von Aggregaten zu reagieren, hat in vergangenen Jahren viele Wissenschaftler beschäftigt, auch Forscher der ETH Zürich. In ihrer neuen Studie, die unlängst in Science veröffentlicht wurde, zeigten sie, wie sich die Mikroorganismen während dieses Prozesses anordnen.
Cyanobakterien sind eine der ältesten Bakterienarten, die zur Photosynthese fähig sind. Sie bilden den Grundstein für das Nahrungsnetz im Meer, indem sie Biomasse produzieren – sie sind also Primärproduzenten. Einige Arten, darunter die Angehörigen der Trichodesmium-Gattung, können auch elementaren Stickstoff, der im Wasser gelöst ist, in Ammonium umwandeln. Dieser ist ein lebenswichtiger Nährstoff, den andere Organismen benötigen, um zu gedeihen. Die Meeresmikroben bilden Aggregate aus Filamenten, die ihre Form innerhalb weniger Minuten verändern können und sich so ihrer Umwelt anpassen. Sie können sich zusammenziehen, um sich selbst zu beschatten, oder sich lockern, um sich dem Licht auszusetzen. Auf diese Weise können sie beispielsweise schon auf wechselnde Wolkenbildung reagieren. „Intensives Sonnenlicht kann die Zellen schädigen – daher verdichten sich die Aggregate, um die Lichtmenge zu reduzieren“, wie Ulrike Pfreundt, Meeresbiologin und Erstautorin der Publikation erklärt.
„Wir gehen davon aus, dass Aggregate im Ozean ständig ihre Form verändern, um ihren Auftrieb, ihre Lichtaufnahme oder die Mikroumgebung im Aggregatinnern zu kontrollieren“, so Pfreundt, „wobei all diese Umformungen auf elegante Weise durch ein einfaches dezentrales Verhalten der Filamente vermittelt werden.“ Auch im Labor veränderten die Aggregate innerhalb weniger Minuten ihrer Form. Sie schlossen sich im Licht zusammen, während sie sich im Dunkeln entspannten. Durch Kombination von mathematischer Modellierung und Videomikroskopie zeigten nun die Wissenschaftler, dass diese Umstrukturierung durch „intelligente Umkehrungen“ vermittelt wird, bei denen sich gleitende Filamente umkehren, wenn ihre Überlappung mit anderen Filamenten abnimmt. Die Filamente steuern die Aggregatarchitektur ohne zentrale Koordination durch die Regulierung intelligenter Umkehrungen.
Die Erforschung der Möglichkeiten, die Bakterien seit Jahrtausenden nutzen, um die Umwelt zu beeinflussen und sich ihr anzupassen, könnten als Bauplan für technische Innovationen dienen, die sogar dem Klimawandel entgegenwirken könnten.