Wie Musik Diabetiker retten kann
Queen‘s „We will rock you“ aktiviert einen neuartigen Gen-Schalter, der die Insulinabgabe von Zellen in Mäusen zu stimulieren.
In Deutschland allein leben rund 11 Millionen Menschen mit Diabetes. Dabei handelt es sich um eine chronische Erkrankung, die entweder durch eine unzureichende Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse oder eine ineffiziente Insulinverwendung durch den Körper verursacht wird. Das Hormon Insulin steuert den Blutzuckerspiegel. Diabetes ist zwar gut behandelbar, eine Heilung ist aber bis heute nicht möglich. Grundlage jeder Behandlung von Diabetes ist eine angepasste Lebensweise und oft müssen in regelmäßigen Abständen Spritzen verabreicht werden. Eine neue Entdeckung könnte nun die Therapiemöglichkeit revolutionieren. Forscher am Departement für Biosysteme der ETH Zürich in Basel haben einen Genschalter entwickelt, der bei bestimmten Geräuschen – am besten wirkt Rockmusik – Designerzellen in Mäusen zur Insulinproduktion anregt. Damit dies geschieht, müssen die Zellen einer direkten Beschallung in der richtigen Lautstärke und Tonhöhe ausgesetzt werden.
Die Forscher rund um Martin Fussenegger implantierten synthetische Zellen, die Insulin produzieren, in Kapseln. Damit die Zellen unter Schallwellen Insulin produzieren, nutzten sie ein Protein aus dem häufig vorkommenden Bakterium E. coli. Natürlicherweise sitzt dieses Protein in der Membran des Bakteriums und steuert den Einfluss von Kalzium-Ionen in das Zellinnere. Das Konstrukt dieses bakteriellen Ionenkanals wurde von den Forschern in die insulinproduzierenden menschlichen Zellen integriert. Dies ermöglicht es den Zellen, den Ionenkanal selbst zu synthetisieren und in ihre Membran zu integrieren. Durch die Steuerung der Ladungen um den Ionenkanal lässt sich sein Öffnen und Schließen steuern und somit die Insulinfreisetzung regulieren.
Um die effektivsten Frequenzen und Lautstärken für die Steuerung der Ionenkanäle zu identifizieren, wurden Zellkulturen beschallt. Anschließend untersuchten sie bei einer Lautstärke von 85 dB, welche Musikgenres die stärkste Insulinreaktion bei Mäusen hervorrufen. Der Queen-Song „We will rock you“ und die Titelmelodie aus dem Action-Blockbuster „Avengers“ waren die erfolgreichsten Beispiele für Rockmusik mit tiefen Bässen. Die Reaktion auf klassische Musik oder Gitarrenklänge war dagegen deutlich geringer. Innerhalb von fünf Minuten nach dem Queen-Song wurden rund 70% des Insulins ausgeschüttet, nach 15 Minuten sogar das gesamte. Dies stimmt mit der normalen, durch Glukose ausgelösten Insulinreaktion von gesunden Personen überein.
Nur wenn die entsprechende Musik direkt auf der Haut der Mäuse über dem Implantat gespielt wurde, konnten die veränderten Zellen reagieren. Auf gewöhnliche Reize wie Flugzeuglärm, Rasenmähergeräusche, Feuerwehrsirenen oder Gespräche gab es keine Insulinreaktion. Die Forschungsgruppe geht daher davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit, dass implantierte Zellen aufgrund von Hintergrundgeräuschen kontinuierlich Insulin produzieren, minimal ist, was sehr wichtig ist für die sichere Umsetzung im Alltag von Patienten.