Panagopoulos et al.

Live-Tracking enthüllt Vielfalt von Krebszellen

Wissenschaftler der Universität Zürich konnten mit einem innovativen Ansatz verfolgen, wie die zelluläre Vielfalt von Krebszellen unter Stress über Generationen hinweg zunimmt – und damit die Resistenz gegen Therapien begünstigt.

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Gestörte DNA-Replikation oder Strahlenschäden setzen Krebszellen unter Stress. Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Matthias Altmeyer von der Universität Zürich hat nun eine Methode entwickelt, mit der sich am Mikroskop live verfolgen lässt, wie dadurch über mehrere Zellgenerationen hinweg eine zunehmende Vielfalt unter den Tochterzellen entsteht. Die in Nature veröffentlichte Studie zeigt erstmals im Detail, wie verschiedene Mechanismen über Generationen hinweg die genetische Stabilität verändern und die Heterogenität innerhalb der Zellpopulation erhöhen. Diese Vielfalt hilft Krebszellen, sich unter Stress anzupassen – erschwert aber gleichzeitig Therapien und kann zur Krebsentstehung beitragen.

Nur mit Hochdurchsatzmethoden und der Analyse großer Datenmengen lässt sich die Zellvielfalt überhaupt erfassen. „Sehr wahrscheinlich sehen wir zurzeit nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs“, so Altmeyer, dessen Arbeitsgruppe sich mit der Genominstabilität bei Krebs und Alterung beschäftigt. Die neu entwickelte Methode ermöglicht die Echtzeit-Verfolgung einzelner Zellen über mehrere Generationen („multigenerational single-cell tracking“). Mit dualer CRISPR-Cas9-Geneditierung versahen die Forschenden die Markerproteine PCNA und 53BP1 mit Fluoreszenzmarkierungen, um sowohl DNA-Replikation als auch Genomschäden sichtbar zu machen. So konnten sie über drei Tage beobachten, wie Krebszellen auf verschiedene Stressfaktoren reagieren und wie sich dadurch die Heterogenität in der Zellpopulation erhöht.

Neben den Live-Beobachtungen führte das Team auch Endpunktmessungen durch, um das Ausmaß verschiedener Stresssignale in Tochter- und Enkelzellen zu erfassen. Diese Daten ließen sich mit dem Entwicklungsverlauf derselben Zellen abgleichen. Mit Hilfe von Stammbaumanalysen über vier Zellgenerationen hinweg ließ sich so nachweisen, dass Tochterzellen sich nicht mehr synchron verhalten. Sie unterscheiden sich etwa im Zellzyklus-Timing und in der Expression von Regulatorproteinen. Diese Unterschiede durch eine vorübergehende Stresseinwirkung setzen sich über mehrere Generationen fort und erhöhen so die zelluläre Vielfalt.

Die Methode eignet sich auch zur Untersuchung von Polyploidie. Krebszellen mit mehreren Kopien ihres Genoms weisen eine größere genetische Komplexität auf, wodurch sie sich schneller anpassen und Resistenzmechanismen gegen Medikamente entwickeln können. Durch die Kombination von Echtzeit- und Endpunktmessungen ließ sich zeigen, wie sich verschiedene Mechanismen unterschiedlich auf die Genomstabilität auswirken. Die Überexpression von Onkogenen führte nicht nur zu mehr genetischer Vielfalt, sondern auch zu einer höheren Rate an Polyploidie in den Zellen.

Die Erkenntnisse der aktuellen Studie liefern neue Ansätze für die Krebsforschung – etwa zur gezielten Beeinflussung von Polyploidie. Gleichzeitig zeigt die Arbeit auch, wie wichtig moderne Technologien für die Untersuchung zellulärer Vielfalt sind. Die Methode soll in Zusammenarbeit mit den Technologieplattformen der UZH weiterentwickelt, automatisiert und durch KI-gestützte Analysen erweitert werden. Bislang liegt der Fokus auf genetischen Markern, doch durch die Einbindung epigenetischer Ausleseparameter könnten bald noch mehr Facetten der zellulären Heterogenität sichtbar werden.

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