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Nanocarrier im Gewebe visualisieren
SCP-Nano kombiniert modernste Bildgebungstechnologien mit künstlicher Intelligenz. Die Technologie ermöglicht es, Nanocarrier in einzelnen Zellen des ganzen Organismus nachzuverfolgen.
Um eine gezielte Verabreichung von Medikamenten oder Gentherapien an die Zielzellen im Körper zu ermöglichen und schädliche Nebenwirkungen zu vermeiden, müssen sich solche Therapeutika nachverfolgen lassen – bisher eine große Herausforderung. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums München, der LMU und der TU München hat eine neue Technologie entwickelt, um verschiedene Transportvehikel in kleinsten Mengen im gesamten Körper einer Maus zu visualisieren. Dabei lassen sich einzelne Zellen, die solche Nanocarrier aufgenommen haben, mit bisher unerreichter Präzision sichtbar machen. Seine Innovation namens Single-Cell Profiling of Nanocarriers (SCP-Nano) stellte das Team um Ali Ertürk nun in Nature Biotechnology vor (LINK). Sie soll den Weg für sicherere und effektivere Therapien ebnen – einschließlich mRNA-Impfstoffe und Gentherapien.
Ertürk ist Direktor des Institute for Intelligent Biotechnologies (iBIO) am Helmholtz-Zentrum, wo er sich mit Organkartierung, Präzisionskrebstherapien sowie 3D-Bioprinting von Geweben beschäftigt. Seine Technologie SCP-Nano kombiniert optisches Gewebeclearing, Lichtblattmikroskopie und Deep-Learning-Algorithmen. Zunächst werden die Maus-Körper vollständig transparent gemacht. Für diese innovativen Gewebe-Reinigungstechniken, die auch zur Erstellung von Ganzkörper-Atlanten (LINK) genutzt werden können, erhielt Ertürk 2024 den Falling Walls Award in der Kategorie Life Sciences (Link Interview). Am nun transparenten Gewebe können durch ein dreidimensionales Multi-Photonen-Imaging die Fluoreszenz-markierten Nanocarrier bis auf Einzelzellebene identifiziert werden. Eine KI-unterstützte Analyse kann dann präzise bestimmen, welche Zellen und Gewebe mit den Vehikeln interagieren. SCP-Nano soll sich problemlos auf menschliche Gewebe und Organe übertragen lassen.
„Jeder Nanocarrier ist wie ein Paket, das eine wichtige Fracht transportiert und genau an die richtige Wohnung geliefert werden muss – nicht an die nebenan“, beschreibt Ertürk. „Mit SCP-Nano können wir genau verfolgen, wohin diese Pakete gelangen, ob sie ihr genau vorgesehenes Ziel erreichen oder versehentlich an unerwünschte Orte geliefert werden.“
Je nach Anwendung werden verschiedene solcher Transportsysteme mit jeweils einzigartigen Eigenschaften als Genfähren (LINK) verwendet: DNA-Origami-Strukturen etwa sind vielseitig und einfach zu programmieren (LINK), adenovirale Trägersysteme eignen sich gut für die Gentherapie, Polyplexe lassen sich flexibel modifizieren, während Liponanopartikel (LNPs) eine gezielte RNA-Abgabe erlauben und daher für moderneremRNA-Impfstoffe und viele andere RNA-Therapien eingesetzt werden.
Wie das Team um Ertürk herausfand, erreichen diese verschiedenen Vehikel ganz unterschiedliche Zielzellen: So bevorzugten DNA-Origami-Carrier Immunzellen und Adenoviren bestimmte Hirnregionen und Fettgewebe. LNPs dagegen können sich im Herzgewebe anreichern und dort vermeintlich zu Entzündungen beitragen.
„Präzisionsmedizin und die gezielte Abgabe von Wirkstoffen werden häufig diskutiert, aber es gab bisher nur in begrenztem Umfang skalierbare und effektive Werkzeuge dafür“, so Ertürk. „Unser neuer Ansatz bietet eine Lösung für eine zentrale Herausforderung in der Arzneimittelentwicklung.“ So könnten sich eine problematische, nicht-zielgerichtete Verabreichung von Medikamenten und die damit verbundenen Nebenwirkungen schon früh in der präklinischen Entwicklung identifizieren lassen.