Biokompatible, langlebige Implantate

Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Universität Magdeburg arbeitet an haltbaren und biokompatiblen Materialien für dauerhafte Implantate. Damit könnten nicht nur schädliche Wechselwirkungen von Implantaten mit dem umliegenden Gewebe verhindert werden, sondern auch Revisionsoperationen, die Patienten stark belasten. Für seine Grundlagenforschung wurde das Team mit dem Hugo-Junkers-Preis 2023 geehrt.

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Werkstoffingenieure, Biologen und Medizinstudenten haben sich an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg zusammengetan, um gemeinsam neue Materialien für langlebige Implantate zu entwickeln. Biokompatible und antibakterielle Legierungen mit speziellen biomechanischen Eigenschaften sollen künftig schädliche Wechselwirkungen der Implantate mit dem umliegenden menschlichen Gewebe und dadurch entstehende Entzündungsreaktionen beziehungsweise Infektionen verhindern. Das könnte die Haltbarkeit und Verträglichkeit künstlicher Gelenke verlängern und betroffenen Patienten einen Austausch des Implantats ersparen

„Durch die gestiegene Lebenserwartung und anhaltende Aktivität der Zielgruppe, erhöht sich die Belastung der Gelenke enorm, was wiederum zu einem vermehrten Verschleiß führt“, erklärt Projektleiterin Prof. Dr. Manja Krüger vom Institut für Werkstoff- und Fügetechnik der Universität Magdeburg. „Die Folge ist eine Zunahme von Implantationen künstlicher Gelenke bei Patientinnen und Patienten und damit verbunden ein steigender Bedarf an besonders haltbaren und verträglichen Werkstoffen für diese Implantate.“

Um die Zahl der Revisionsoperationen künftig deutlich zu senken, forscht das Wissenschaftlerteam der Universität Magdeburg in zwei Teilbereichen: Am Lehrstuhl für Hochtemperaturwerkstoffe geht es um die Materialentwicklung, das Design der Legierung sowie die mikrostrukturellen und mechanischen Eigenschaften der Materialien und deren Herstellung. In der Experimentellen Orthopädie des Universitätsklinikums wird daran gearbeitet, die Verträglichkeit des neuen Werkstoffs für den Organismus zu verstehen und zu optimieren.

Völlig neue Werkstoffe mit außergewöhnlichen Eigenschaften
„Uns interessieren dabei besonders sogenannte biokompatible Werkstoffe“, so die Materialwissenschaftlerin Manja Krüger, „also im weiteren Sinne für das biologische System verträgliche Materialien.“ Biokompatibel seien, beispielsweise refraktärmetallbasierte Multikomponenten-Werkstoffsysteme, so Krüger weiter. „Diese sogenannten Hoch- und Mediumentropie-Werkstoffe ermöglichen eine große Vielfalt von Kombinationen, was zu völlig neuen Werkstoffen mit außergewöhnlichen Eigenschaften führt. Kürzlich entwickelte Materialien dieser Art zeigen zum Beispiel hervorragende mechanische Eigenschaften, verbesserte Abriebfestigkeit und sowohl korrosive als auch thermische Beständigkeit, die denen von aktuellen Legierungen überlegen sind.“ Diese Legierungen hätten gegenüber den im Moment eingesetzten silberbeschichteten Implantaten den Vorteil, dass bei ihnen noch keine Resistenzen bekannt seien.

„Wir wissen, dass Bakterien im Laufe der Jahre einen Resistenzmechanismus gegen Silber entwickeln können, sodass die ursprüngliche antibakterielle Wirkung des Elements abgeschwächt wird. Das wiederum bedeutet, dass auch Silberimplantate irgendwann nicht mehr antibakteriell wirken und periprothetische Infekte, also Infektionen, die sich um eine künstliche Implantation im Körper herum entwickeln, auftreten können“, fügt die Biologin Prof. Dr. Jessica Bertrand von der Experimentellen Orthopädie des Universitätsklinikums an. Langfristiges Ziel der Forscher ist es deshalb, ein passendes Legierungssystem als neuartigen Implantatwerkstoff zu identifizieren, zu entwickeln und im Labor zu erproben. Die Ausgangslage dafür ist bestens. Denn „die zugrundeliegenden materialwissenschaftlichen Zusammenhänge sind geklärt, die mechanischen Eigenschaften sind bekannt und übertreffen die branchenüblichen Anforderungen aktuell im Einsatz befindlicher Werkstoffe für Endoprothesen beziehungsweise sind entsprechend patientenspezifisch einstellbar und für die Biokompatibilität beziehungsweise die antibakterielle Wirkung des Systems ist der Nachweis erbracht“, so Krüger.

Hugo-Junkers-Preis 2023
Das Forschungsteam, zu dem neben Manja Krüber und Jessica Bertrand Maximilian Regenberg, Dr. Georg Hasemann und Dr. Janett Schmelzer von der Fakultät für Maschinenbau sowie Caroline Grimmer und Munira Kalimov von der Experimentellen Orthopädie gehören, erhielt für seine interdisziplinäre Forschung den zweiten Platz in der Kategorie „Innovativste Vorhaben der Grundlagenforschung“ des Hugo-Junkers-Preises 2023.

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