Krebsdiagnostik – der künstliche Pathologe hilft

Die schnelle und präzise Analyse der Biopsieproben von Krebspatienten bereits während der OP könnte künftig der TissueGrinder übernehmen. Die Miniatur-Mühle für empfindliches Zellgewebe ist eine Entwicklung von Forschern am Fraunhofer IPA.

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Normalerweise wird während einer Krebsoperation eine Gewebeprobe an den Pathologen geschickt, der den Zustand des Gewebes einschätzt – die Basis für das weitere Vorgehen der Chirurgen. Das kostet Zeit. Dies könnte sich nun ändern, denn Forscher haben eine automatisierte Miniatur-Mühle entwickelt, den TissueGrinder, mit dem diese Untersuchung parallel zur laufenden OP erfolgen kann. Das Gerät, das am Fraunhofer IPA von Dr. Jens Langejürgen und seinen Kollegen entwickelt wurde, zerkleinert schonend das Gewebe, ohne Zellen zu zerstören oder zu verändern.

„Der TissueGrinder entfaltet ein enormes Potential für die Probenvorbereitung in der Krebsdiagnostik und anderen medizinischen Anwendungen, insbesondere für diagnostische Analyseverfahren, die auf Einzelzellen basieren und die Grundlage für die personalisierte Medizin bilden“, so der Abteilungsleiter Klinische Gesundheitstechnologien Jens Langejürgen. Bisher mussten die Zellen aufwendig von Hand herauspräpariert oder mit Enzymen herausgelöst werden, die wiederum Spuren auf der Zelloberfläche hinterlassen können und damit das Ergebnis der weiteren Untersuchungen beeinflussen. Die automatisierte, schnelle und enzymfreie Extrahierung von lebenden Zellen mit dem TissueGrinder vereinfacht die Untersuchung von Biopsieproben wesentlich. „Die effiziente Probenvorbereitung am Anfang des diagnostischen Prozesses ebnet den Weg für modernste Analysemethoden wie die Echtzeit-Verformbarkeitszytometrie (RT-DC) oder Verfahren der Künstlichen Intelligenz und verbessert zudem die Qualität der Analyseergebnisse. Wir sind überzeugt, dass der TissueGrinder eine zentrale Rolle dabei spielt, die Diagnose von Krankheiten zu optimieren und damit eine schnellere und genauere Behandlung der Patienten zu ermöglichen“, erklärt Stefan Scheuermann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IPA.

In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Mannheim, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und dem Universitätsklinikum Erlangen gelang es Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts und des Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin, die Zellanalyse und die anschließende Bewertung durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz weitgehend zu automatisieren.

Physikalische Analyse der Zelleigenschaften
Im nächsten Schritt werden die gewonnenen Einzelzellen mit der Echtzeit-Verformbarkeitszytometrie (RT-DC) analysiert. Dabei handelt es sich um eine im Labor von Prof. Jochen Guck entwickelte markierungsfreie Methode zur Analyse der Zellverformbarkeit, die physikalischen Eigenschaften von bis zu 1.000 Zellen pro Sekunde analysiert und 36.000-mal schneller ist als ältere Methoden. Ähnlich wie das Abtasten bei einer ärztlichen Untersuchung liefert die Verformbarkeit von Zellen wichtige Informationen. Um diese zu nutzen, werden einzelne Zellen mit hoher Geschwindigkeit durch einen mikroskopischen Kanal geschoben, wo sie sich unter dem Druck und der Belastung verformen. Anhand der Bilder, die dabei aufgenommen werden, können Wissenschaftler dann physikalische Eigenschaften wie Form, Größe und Verformbarkeit bestimmen.

Bewertung durch Künstliche Intelligenz
Um eine Diagnose stellen zu können, müssen die Ergebnisse der physikalischen Analyse in einem letzten Schritt bewertet werden. Den Max-Planck-Wissenschaftlern ist es gelungen, ein KI-Modell zu entwickeln, das die komplexen Datensätze der RT-DC-Analyse auswertet und anschließend Aussagen darüber treffen kann, ob eine Probe Tumorgewebe enthält oder nicht. Außerdem konnte der Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Bedeutung der Zellverformbarkeit als Biomarker bestätigen.

Das gesamte Verfahren nimmt von der Gewebeprobe bis zur Bewertung der Ergebnisse weniger als 30 Minuten in Anspruch und kann ohne ausgebildeten Pathologen oder Physiker durchgeführt werden. Des Weiteren kann die Methode auch eingesetzt werden, um Gewebeentzündungen in einem Modell für entzündliche Darmerkrankungen (IBD) nachzuweisen. Nun wollen die Forscher herausfinden, wie das Verfahren der automatisierten Zellanalyse am besten in Kliniken angewendet werden kann, um die klassische pathologische Analyse zu unterstützen und zu ergänzen.

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