Andera Partners führt 60 Mio. Euro-Serie B in Münchner Tubulis an

Im Antikörper-Drug-Konjugate-Feld (ADC) entwickelt sich das Unternehmen Tubulis (München/Berlin) mit großen Schritten. Erst 2019 gegründet, folgte eine 10 Mio.-Serie A schon 2020. Nun haben sich zur zweiten Finanzierungsrunde weitere Investoren hinzugesellt, allen voran die französische Andera Partners, die wohl hauptverantwortlich für die Größe der Runde ist: mit 60 Mio. Euro stößt Tubulis ins Vorderfeld der Finanzierungsrunden in Deutschland in diesem Jahr vor.

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Tubulis ist eine gemeinsame Ausgründung der LMU München (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Heinrich Leonhardt) und des Berliner Leibniz-Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie im Forschungsverbund Berlin e.V. (FMP) am Campus Berlin-Buch (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Christian Hackenberger), was vor allem an den damaligen Forschern in beiden Laboren, Jonas Helma-Smets und Dominik Schumacher, liegt. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt fanden sie neue Ansätze, um die ADC in zweierlei Hinsicht zu optimieren: Einerseits verwenden sie ein Peptidstück aus dem Bereich der Mikrotubulibauteile (daher der Firmenname), das sie in jedes interessante Antikörperformat einfügen können. Das Peptid trägt eine Erkennungssequenz für die Tubulin-Tyrosin-Ligase, die dort an ein Tyrosin andockt. Hierdurch erfanden die Forscher eine spezifischere Andockstelle für die "Payload" genannten zytotoxischen Moleküle, die bei den Konjugaten nun aus einem großen Blumenstrauß an Möglichkeiten ausgewählt werden können.

Andererseits schaut sich Tubulis diese "Payloads" sehr genau an, ob die gewünschte zell- und organspezifische Wirkung auch durch diese einen Verstärkereffekt erreichen kann, oder nicht etwa zuviel unspezifische Zelltoxizität den Einsatz im Patienten von vornherein ausschließt. Das ADC-Feld ist durch einige Zulassungen in letzter Zeit und eine größere Pipeline in verschiedenen Unternehmen derzeit sehr stark in die Aufmerksamkeit von BigPharma, aber auch von Investoren gerückt.

Olivier Litzka, Partner im Münchner Büro von Andera Partners, kommentiert das Investment: "Die Finanzierung von Tubulis ist für Andera von großer Bedeutung, da es unsere erste neue Investition in Deutschland nach der Eröffnung unseres Münchner Büros im April 2021 ist. Während wir bereits seit 2001 in Deutschland investieren, sehen wir eine zunehmende Anzahl von hochkarätigen Unternehmen, was zu unseren jüngsten Portfoliozugängen T-Knife in Berlin, TRiCares in München und Exciva in Heidelberg führte."

|transkript.de sprach mit den beiden Gründern, Schumacher und Helma-Smets (siehe Foto), über die neueste Entwicklung.

|transkript.de: Glückwunsch zur großen Runde! Was bedeutet das konkret für Ihr Unternehmen?

Schumacher: Wir haben einen wichtigen Wendepunkt in der Entwicklung unserer Plattformtechnologien sowie unserer Pipeline von neuartigen Protein-Wirkstoff-Konjugaten erreicht. Diese Finanzierung unterstreicht, dass Tubulis einzigartig positioniert ist, um die Erkenntnisse der letzten 20 Jahre auf dem Gebiet der ADCs zu konsolidieren und in sinnvolle therapeutische Vorteile für Patienten umzusetzen.

|transkript.de: Es gibt viel Bewegung im ADC-Feld, Zulassungen, große Finanzierungsrunden. Wie findet  Tubulis einen Platz in diesem dynamischen Wettlauf?

Schumacher: Die Dynamik sehen wir auch, aber wir sehen ebenfalls, dass nicht alles in den vergangenen Jahren bei den ADCs funktioniert hat. Ein Thema dabei ist: ADCs neigen zu unspezifischer Toxizität. Wir haben aber mit unserer Technologieplattform eine andere Herangehensweise und adressieren damit genau diese unspezifische Toxizität, um sie aktiv biochemisch zu verringern.

|transkript.de: Wie kann man sich das vorstellen?

Helma-Smets: Die erste Frage ist ja schon, warum derzeit nur eine kleine Auswahl an möglichen Konjugaten verwendet wird als „payload“? Das liegt schlicht daran, das man bisher nur bei diesen die Chemie und Toxizität gut im Griff hat. Ein Antikörper ist wasserlöslich, die chemische Komponente meist fettlöslich, man muss also Biologie und Chemie versöhnen. Und das bietet unsere Plattform, die aus mehreren Komponenten besteht und damit ein breiteres Feld an Payloads überhaupt erst wirklich zugänglich macht.

|transkript.de: Aber es gibt doch diese große Menge an möglichen Zellgiften, woran hakte es bisher, die alle in ganzer Breite auch zum Einsatz zu bringen?

Helma-Smets: Ja, es gibt viele denkbare Payloads, einen riesigen Blumenstrauß. Das heißt aber noch nicht, dass diese Stoffe dann auch gut konjugierbar sind, dass sie dann auch noch aktiv sind wie gewünscht, dafür muss man viel Zeit und Energie in der Erforschung aufwenden.

Schumacher: Und diese Stoffe sind eben ganz generelle Zellgifte, meist total unspezifisch. Insgesamt muss man bei einem ADC mehr tun, als nur eine ortsspezifische und stabile Konjugation zu bewerkstelligen. Wenn die unspezifische Toxizität, – die durch den ADC-Komplex auch eine ganz eigene Dynamik bekommen kann, als die jeweiligen Moleküle alleine aufweisen –, nicht niedrig bleibt, hat man ein Problem, und daran scheitern viele ADC-Projekte beim Schritt von der Präklinik in die Klinik. 

|transkript.de: Was macht die Tubulis-Technologie hier besser?

Helma-Smets: Die Spezifität wird bisher nur über den Antikörper gewährleistet und nicht über die Payload, die ist derzeit nur eine unspezifische toxische Substanz. Diese bringt eventuell eine größere Hydrophobizität dazu, womit die unspezifischen Zellmembraneffekte steigen, wirkt also latent als eine Minimierung der Spezifität. Mit unser Linker-Technologie tragen wir aktiv dazu bei, die Spezifität zu erhöhen, außerdem können wir mit unserer Technologie ganz neue Wirkstoffe an den Antikörper binden, die auch selber schon eine Spezifität mitbringen, also einen bestimmten Pathway in der Tumorzelle adressieren. Damit wollen wir noch mehr gezielte Ansätze für bestimmte Tumorindikationen schaffen.

|transkript.de: Und darum wagen Sie sich wie so viele andere auch an Targets wie CD30?

Schumacher: Genau, weil wir hier ganz gezielt auf die unspezifische Toxizität achten, ja diese in den Fokus nehmen. Das Target ist wichtig, der richtige Antikörper, aber es genügt dann nicht, einfach irgendetwas anzuhängen, sondern man muss dieses ADC wirklich ganzheitlich betrachten und nicht als Legobausteine auffassen, sondern das Endgebilde als ein eigenständiges Molekül mit eigenständigen Wechselwirkungsparametern.

|transkript.de: Und die Finanzierung beschleunigt nun den Eintritt in die klinische Phase, macht aber aus Tubulis auch ein anderes Unternehmen, oder?

Schumacher: Mit der Finanzierung können wir nun wirklich die nächsten entscheidenden Meilensteine erreichen. Die große Erfahrung der Investoren hilft uns sehr, wir sind daher sehr zufrieden, dass wir das alles so bei uns integrieren können. Aber wir selbst verändern uns nicht, erleben hier auch keinen Kulturschock, sondern diese Entwicklung geht schrittweise. Der Aufbau des Klinikteams erfolgt schon über einen längeren Zeitraum, da kommt viel externe Erfahrung herein, die in der letzten Zeit zu Tubulis gestoßen ist.

Helma-Smets: Wir haben diese Entscheidung für unseren Weg ja schon zur Serie A vor einiger Zeit getroffen, dass wir dorthin wollen in die klinische Entwicklung, eine eigene Pipeline aufbauen, uns auch den soliden Tumoren zuwenden. Die Veränderung des Unternehmens ist also nichts Plötzliches, sondern eine Wegstrecke, auf der wir den nächsten wichtigen Meilensteinen nun sehr nahe sind.

In der Pipeline des jungen Unternehmens werden derzeit drei Projekte verfolgt, eines rings um das Zielmolekül CD30 befindet sich kurz vor der Beantragung einer klinischen Studie. Tubulis habe zwar einzelne Unternehmenspartnerschaften, etwa mit Wuxi Apptec und der Berliner Glycotope, doch dienten diese eher dem Manufacturing und seien nicht als Entwicklungspartnerschaften zu sehen, so die beiden Firmenlenker.

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