Deutsche Biotechnologiebranche traf sich in Hamburg

Werner Lanthaler, CEO der Evotec SE, stellte die datengetriebenen Biowissenschaften als Grundlage für eine erfolgreiche Umsetzung der personalisierten Medizin ins Zentrum seiner Keynote beim diesjährigen Jahrestreffen der nationalen Branchenvertreter. Dass dies bei vielen schon als Botschaft angekommen ist, davon konnte man sich in den weiteren Themensträngen und Vorträgen überzeugen.

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Bei bestem Hamburger Wetter traf sich die Branche im nagelneuen Congresscenter der Hansestadt direkt neben „Planten und Blomen“.

Werner Lanthaler, CEO der Evotec, machte in seiner Keynote zum wiederholten Mal deutlich, dass die datengetriebenen Biowissenschaften nicht nur die Zukunft, sondern in der Gegenwart angekommen sind. Davon konnte man sich in den weiteren Themensträngen und Vorträgen überzeugen. Das ohne coronabedingte Einschränkungen durchgeführte Abendevent im Curio-Haus sorgte für eine Intensivierung der guten Stimmung und beinahe konnte man die schwierige Phase für Präsenzveranstaltungen restlos aus dem Gedächtnis streichen, als wäre nie etwas gewesen.

Dass da schon etwas gewesen ist, und aber gerade die Biotechnologie diese Chance genutzt hatte, eine Lösung in Form von Impfstoffen gegen die Pandemie zu liefern und damit auf der Weltbühne sehr präsent zu werden, zog sich durch Vorträge und Pausengespräche wie ein roter Faden. Dass der Kognitionsforscher Christian Stöcker trotzdem konstatierte: „Ihre Branche hat ein Kommunikationsproblem“, mochte je nach eigener Gefühlslage wie eine Provokation wirken oder wie der realistische Hinweis, dass zwar nach der Pandemie Vieles nicht mehr so wie davor sei, die Gentechnologie aber auch weiterhin eher ein schlechtes Image habe. Selbst millionenfache Impfdosen ohne Neben- oder Nachwirkungen habe keine wirkliche Veränderung in den Denkmustern herbeigeführt. Wenn der omnipräsente Richard David Precht von „gentechnischem Impfstoff spricht, wird das Kommunikationsproblem deutlich“, so Stöcker, der aber vielleicht auch nur der Talkshow-Konkurrenz eins auswischen wollte (*). Da selbst die Ampel-Koalition nun eine „Leitfunktion der Biotechnologie“ konstatiere (wenn dabei auch im Wesentlichen das erfolgreiche mRNA-Projekt gemeint sei), solle doch auch die Branche selbst eine selbstbewusstere Nutzen- (und Risiko-) Diskussion ins Zentrum der Öffentlichkeitsarbeit stellen.

Die Geschäftsführerin des Branchenverbandes BIO Deutschland, Viola Bronsema, freute sich über die Berücksichtigung im Koalitionsprogramm, hätte sich aber eine konkretere Agenda gewünscht, um im Schulterschluss mit allen Akteuren das ganze Potential der Branche zu nutzen und dieser „Leitfunktion“ gerecht werden zu können. Denn wie genau dieses Ziel erreicht werden solle, stünde leider konkret nicht im Regierungsprogramm. Während einerseits der Ruf nach besseren Rahmenbedingungen seit Jahrzenten aus den Biotechnologietagen nach außen dringt, wünschte sich Arik Willner vom Hamburger Großforschungszentrum DESY schlicht „Freiheit für Innovation“. „Wir haben Herausforderungen für die Menschheit wie Klima und Energie, große Querschnittsthemen, die wie Corona nur durch ein Zusammenwirken der Experten und Politik angegangen werden können. Wir gehen diese mit Querschnittstechnologie an und brauchen daher auch Ministerien und Förderprogramme, die horizontal zusammenwirken und als Brücken fungieren, über die Innovationen in größter Freiheit sich auf den Weg machen können. Eine Bundesrechnungshof-Mentalität hilft uns da nicht weiter."

Man hätte sich eine bekannte Hamburger Klimaaktivistin in die Podiumsdiskussion gewünscht, um das Kommunikationsproblem deutlicher herauszuarbeiten: wo ist das konkrete nächste Weltproblem, das den Biotechnologen zur Lösung als Hausaufgabe mitgegeben wird? Worauf sollte sich die Weltforschergemeinschaft als nächstes mit Volldampf konzentrieren? Dies blieb vage. So musste auch der Vertreter des HTGF etwas zerknirscht feststellen, dass die Biotechnologie gerne in der eigenen „Blase“ diskutiert, der Erfolg bei Corona aber nur dann einen Effekt habe, wenn man nicht auf den Stand davor zurückfiele und wieder nur in der eigenen Blase Probleme wälze und man keinen klaren Nutzen für aktuelle Herausforderungen herausstelle.

Die Aufgabe, aus gewohnten Dikussions- und Kommunikationsmustern auszubrechen, bleibt auch den nächsten Veranstaltern erhalten. Der Staffelstab wurde nach Hessen weitergereicht, wo im kommenden Jahr vom 28.3. bis 29.3. das deutsche Branchentreffen in Wiesbaden abgehalten werden wird.

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* Herr Stöcker wies zwischenzeitlich darauf hin, dass er nur ganz selten in Talkshows auftrete, und dann in solchen, zu denen Herr Precht nicht eingeladen werde.

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