HZI/Janne Reinking

HZI entwickelt Pille mit Klebsiella oxytoca

Rund 2,2 Mio. Euro steckt das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung in die Entwicklung eines lebenden Mikrorganismus, der die oft arzneiresistenten Darmpathogene Salmonella typhimurium und Klebsiella pneumoniae aus der Darmflora verdrängen soll. Nach Beweis der Sicherheit des lebenden Biotherapeutikums steht die Ausgründung des Unternehmens Arvalus Therapeutics an.

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Forscher um Dr. Lisa Osbelt-Block, Dr. Christian Brandtstetter und Prof. Dr. Till Strowig vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig haben gezeigt, dass eine Subspezies des Darmbakteriums Klebsiella oxytoca schwere Infektionen mit häufigen Darmpathogenen verhindern kann. Jetzt haben sie 2,2 Mio. Euro eingeworben, um das Biotherapeutikum klinisch zu testen und durch eine Firmengründung – Arvalus Therapeutics – zu kommerzialisieren. Veröffentlichungen in den Fachzeitschriften Nature und Nature Communications belegen, dass das Biotherapeutikum im Mausmodell sicher ist und wirkt – selbst bei  zucker- und fettreicher, ballaststoffarmer Ernährung („Western diet“).

Patente auf das Verfahren zur Herstellung einer Pille mit gefriergetrockneten Klebsiella-oxytoca-Bakterien sind angemeldet. Sie verdrängt nachweislich häufige Pathogene wie antibiotikaresistente Salmonella typhimurium oder Klebsiella pneumoniae aus dem Darm von Nagermodellen.

„Viele Infektionen im ganzen Körper nehmen ihren Anfang im Darm. Krankmachende Bakterien können dort ein Reservoir bilden und sich von dort auf andere Organe ausbreiten. Wir wollen erstmals eine Möglichkeit schaffen, dieses Reservoir zu beseitigen, bevor eine Infektion entsteht, indem wir den Darm von schädlichen Bakterien befreien“, sagt Dr. Lisa Osbelt-Block.

Präklinische Sicherheit
Klebsiella oxytoca ist eigentlich als Erreger opportunistischer Infektionen bekannt“, erklärte Osbelt-Block gegenüber transkript.de. „ Es gibt  aber bei den bisher neuen Unterarten von K. oxytoca, wie bei jedem Bakterium, extreme Unterschiede. Unsere Stämme tragen krankmachende Faktoren wie das bakterielle Toxin Tilimycin natürlicherweise nicht. Tilimycin ist in anderen Subspezies der Auslöser einer hämorrhagischen Kolitis.“ Drei Studien (siehe: PubMed 37329880, PubMed 31959968, bioRxiv Preprint) stützen den positiven Effekt der Subspezies. Die Sicherheit wurde bereits in verschiedenen Mausmodellen umfassend nachgewiesen. Die nun geplanten Tests im Schwein sollen diese Daten bestätigen und helfen, die geeignete Startdosis für eine erste klinische Studie am Menschen zu bestimmen.

Ein zusätzlicher Vorteil des potentiellen Biotherapeutikums: Es kann auch bei laufender Antibiotikatherapie gegen Beta-Lactam-resistente Darmpathogene eingesetzt werden, da es über sogenannte Beta-Lactamasen verfügt, welche diese Erreger unwirksam machen.

Klinische Perspektive und Ausgründung
Erst nach dem Sicherheitsnachweis werden die Wissenschaftler das Unternehmen Arvalus Therapeutics mit Hilfe von Helmholtz Enterprise ausgründen und nach Seed-Investoren suchen, so Osbelt-Block gegenüber transkript.de. „Anders als Probiotika, die frei verkäuflich sind, ist ein lebendes Biotherapeutikum ein Arzneimittel und muss als solches klinisch geprüft und zugelassen werden“, so Strowig. „Unser Ziel ist es, am Ende eine Kapsel in den Händen zu halten, in der statt eines antibiotischen Wirkstoffs das gefriergetrocknete Bakterium enthalten ist. Damit würden wir dann in die erste Phase einer klinischen Studie gehen“, erklärt Osbelt-Block das Projektziel. Insbesondere immungeschwächte Patienten mit hartnäckiger K. pneumoniae-Besiedlung könnten mit dem lebenden Biotherapeutikum behandelt werden. Auf klinischer Seite arbeitet das HZI-Team mit der Arbeitsgruppe Klinische Mikrobiomforschung unter der Leitung von Prof. Maria Vehreschild an der Uniklinik Köln zusammen.

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