
Medigene: der CEO verlässt die Titanic?
Frauen und Kinder zuerst, heißt es auf den sinkenden Schiffen dieser Welt. Und der Kapitän bleibt bis zuletzt. In der Biotech-Szene hat sich das entweder noch nicht herumgesprochen oder man kann den Abgang von CEO Selwyn Ho auch etwas undramatischer sehen.
Ein Führungswechsel bei Medigene AG während des laufenden Insolvenzverfahrens lässt einige Fragezeichen entstehen: CEO Dr. Selwyn Ho verlässt das Unternehmen zum 24. Juli – während die Frist zur Eröffnung des offiziellen Insolvenzverfahrens noch bis zum 31. Juli läuft. Die Gesellschaft betont zwar, dass der Wechsel planmäßig erfolgt und nicht im Zusammenhang mit der finanziellen Lage steht. Dennoch wirft das Timing Fragen auf.
Ralph Schäfer, bislang General Counsel und Prokurist, übernimmt die Führung in einer denkbar schwierigen Phase ab dem 25. Juli. Seine Möglichkeiten zur strategischen Neuausrichtung sind jedoch schlicht vom gegebenen Zeitfenster her sehr begrenzt: Im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt die Kontrolle über zentrale Entscheidungen beim Insolvenzverwalter. Ob der Wechsel an der Unternehmensspitze noch einen neuen Impuls setzen kann, darf daher bezweifelt werden.
Doch unter ganz sachlichen Gesichtspunkten mag der Nichtverlängerung des Vertrages für den CEO (und dies ist formal der Trennungsgrund) auch eine der Sachlage geschuldete realistische Einschätzung zugrunde liegen. Eine Vertragsverlängerung hätte genau über den Zeitpunkt der möglichen Insolvenz eine kostenintensive Bürde bedeutet, die eine ebenso kostspielige Auflösung zur Folge gehabt hätte. Das alles noch in der Schwebe des Verfahrens, bei dem zwar noch immer versucht wird, das Unternehmen in seiner jetzigen Form zu erhalten, wo es aus der vorläufigen Insolvenzverwaltung jedoch auch zwischenzeitlich verlautete, dass ein Erhalt der Aktiengesellschaft als Firmierung nicht unbedingt das Endergebnis des Verfahrens sein müsse. Ist dann die Nichtverlängerung und damit die Verschlankung an der Spitze eher die logische Konsequenz, um sich von solchen Altlasten zu befreien und gänzlich unbelastet neue unternehmerische Wege zu gehen? Für Aktionäre mag das jedenfalls die letzte Leuchtrakete als Warnsignal des sinkenden Schiffes gewesen sein.
Bereits im Frühjahr hatten zwei weitere Führungskräfte bei Medigene die Segel gestrichen. Die frühere CEO und CSO Dolores Schendel schied als Vorstand für Forschung regulär aus, Frank Mathias (ebenfalls vor einigen Jahren einmal CEO des Unternehmens) legte sein Mandat im Aufsichtsrat aus „persönlichen Gründen“ nieder. Für die Mitarbeiter klärt sich nun endgültig in den nächsten zehn Tagen, ob ein Restunternehmen Medigene bestehen bleibt, das ehemalige Führungspersonal wird dabei jedenfalls keine Rolle mehr spielen.