Das Leuchten in den Augen

Für viele kleine und mittelständische Unternehmen der deutschen Biotechnologiebranche trifft der Fachkräftemangel genau auf Phasen von enormem Wachstum. Wie geht der Münchner
Geräteentwickler nanotemper damit um? Im Gespräch Andreas Schmitz, seit einigen Monaten Personalleiter bei nanotemper.

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transkript. Herr Schmitz, lassen Sie uns zuerst über Ihren eigenen Weg zur Firma nanotemper in München sprechen. Sie haben kürzlich von Roche Deutschland zu diesem deutlich kleineren Unternehmen gewechselt, warum?

Andreas Schmitz. Ich war über ein Jahrzehnt bei Roche in Penzberg und davor schon bei anderen Großunternehmen und hatte schließlich Verantwortung für 17.000 Mitarbeiter in Deutschland. Ganz zufällig bin ich wegen einer anderen Personalie ins Gespräch mit den Gründern von nanotemper geraten. Ohne Wechselabsichten, aber es hat sich dann eine persönliche Ebene entwickelt und als ich die Begeisterung des Teams kennengelernt habe, habe ich diesen Schritt vor wenigen Monaten einfach einmal gewagt.

transkript. Was ist das gewisse Etwas bei nanotemper, was macht diese Firma aus, was konkret hat da so überzeugend gewirkt?

Schmitz. Es ist dieses Leuchten in den Augen von allen Mitwirkenden. Tiefe Begeisterung für das, was man tut. Das sind die Werte, ist die Art und Weise der Unternehmensführung, die die Gründer vorleben. Das ist alles noch stark auf die beiden zugeschnitten, aber es entwickelt sich eben weiter, beziehungsweise wir erarbeiten das auch gerade aktiv, was noch an „mehr“ in nanotemper steckt, an Köpfen, an Visionen, auch an Werten einer Unternehmensentwicklung, die ohne die Gründer Bestand haben können.

transkript. Die Firma befindet sich in einer Art Umbruchphase, hat Sie das gereizt?

Schmitz. Ja. Das Gründerteam, Philipp Baaske und Stefan Duhr, ist faszinierend, auch weil sie gerade etwas an die Seite treten, andere mehr machen lassen und sich neue Gestaltungsräume entwickeln. Auch die Personalabteilung ist im Wandel, um einem kleinen, aber stark wachsenden Unternehmen eine gute Position für die Anwerbung neuer Mitarbeiter zu verschaffen. Die Kollegen und ich, wir können etwas ausprobieren und sehen dann auch gleich, ob ein neuer Ansatz, eine Idee sich wirklich erfolgreich umsetzen lässt, und müssen dazu keine langen Prozesse aufsetzen.

transkript. Gilt die Bezeichnung „Start-up“ bei nanotemper überhaupt noch?

Schmitz. Wir sind um die 220 Leute, stellen dieses Jahr aber wohl absehbar 70 neue Mitarbeiter ein. Start-up ist ja auch ein wenig ein Gefühl, etwa von weniger Hierarchie, autonomen Entscheidungen, ja, auch chaotisch wirkenden Entscheidungswegen. Nur Autonomie ohne jede Richtung, ohne gemeinsame Ziele, die führt dann ins wirkliche Chaos. Auch die Eigenfinanzierung unterscheidet uns von dem üblichen Start-up, wir haben keine Fremdinvestoren, wir brauchen auch keine, wir können den von uns für richtig befundenen Weg selbständig weitergehen. Wir können Abzweigungen nehmen, wann wir es für richtig halten, auch Extraschleifen drehen. Wir haben also ein Sicherheitsnetz, das vielleicht dazu beiträgt, dass die Mitarbeiter dieses Leuchten in den Augen haben, ihre Kreativität ungefährdet ausleben können mit ganz viel Gestaltungsfreiheit.

transkript. Der Kunde macht das mit?

Schmitz. Das ist auch so eine Besonderheit, wie nahe nanotemper an diesen Kunden dran ist. Der wird sehr stark einbezogen, jedoch nicht so, dass man einfach jeden Kundenwunsch erfüllt. Wir sagen dem Kunden auch, dass er eigentlich etwas ganz anderes braucht, um zu dem Ziel zu gelangen, das er mit den Produktentwicklern angesprochen hat. Man muss dieses Selbstbewusstsein, aber auch die Akzeptanz in der Community haben, um sagen zu können, dieses neue Produkt ist viel besser für die angedachten Experimente geeignet, als irgendein bereits bekanntes Gerät – denn es ist ja neu.

transkript. Nun gilt es, die richtigen Mitarbeiter zu finden, die Chemie muss stimmen. Wo findet man die Kandidaten?

Schmitz. Wir bewerben uns bei den zukünftigen Mitarbeitern. Danach geht es erst um den Match. Dazu muss ich auch Zugänge zu Personen finden, die uns noch nicht kennen. Denn natürlich können wir nicht alleine von der technologischen Kompetenz und der hohen Anerkennung bei unseren weltweiten Kunden zehren und einfach dasitzen und auf die Bewerber warten. Nicht jeder neue Mitarbeiter kommt aus einem Labor, in dem nanotemper-Geräte stehen, wir müssen also über diese Kreise hinaus bekannter werden.

transkript. Da geht es um die Außenwahrnehmung, um Personalmarketing.  Können Sie selbst als frischer Neueinsteiger persönlich etwas einbringen?

Schmitz. Die erste Hürde ist wirklich dieser allererste Kontakt. Jemanden, der noch nie etwas von nanotemper gehört und gesehen hat, aber für uns eine wertvolle Qualifikation mitbrächte, diese Person zu erreichen. Hier gibt es kein Patentrezept und man kann immer nur wieder die Mund-zu-Mund Propaganda nutzen und die Tatsache, dass „kluge Köpfe kluge Köpfe“ anziehen. Was mich selbst begeistert und völlig überraschend in dieses Unternehmen gezogen hat, war diese massive Identifikation der Mitarbeiter mit der Firma. Dieses Leuchten in den Augen kann man nicht verordnen. Es ist eine tief empfundene Begeisterung in diesem Unternehmen vorhanden, die man  manchmal fast etwas abbremsen möchte, weil die Leute auch über die Leistungsgrenzen gehen.

transkript. Nochmal ganz konkret: Wo finden Sie die Mitarbeiter mit der passenden Qualifikation?

Schmitz. Wir brauchen Biologen, Biophysiker, Informatiker, Chemiker, Ingenieure. Unser Vorteil ist, dass diese neuen Mitarbeiter sofort mit dem direkten Gegenüber am zukünftigen Arbeitsplatz sprechen. Da sind keine Fachabteilungen oder Abteilungsleiter dazwischen, ein interessierter Software-Entwickler spricht sofort mit dem Software-Entwickler bei nanotemper auf Augenhöhe. Derzeit finden wir diese Leute mit Hilfe von Netzwerken im Personalmarketing, aber wir wollen das ausbauen.

transkript. Dennoch ist nanotemper eher klein und steht im Wettbewerb mit den Großen der Branche. Womit können Sie Kandidaten überzeugen?

Schmitz. Wir können nur versuchen, mit der nanotemper-Story zu überzeugen. Die hat jedoch so viele Facetten, dass man die Leute aus dem Vertrieb mit den schönen Verkaufszahlen hereinholen kann, die technisch-affinen Bastler mit der Produktwelt, die Wissenschaftler mit der Perspektive an der ganz grundlegenden Forschung und Entwicklung neuer, lebensrettender Medikamente mitzuwirken. Und nicht alles an Qualifikation muss gleich mitgebracht werden, man kann hier von Entwicklungsmaßnahmen profitieren. Das sind ja auch interessante Perspektiven für die Persönlichkeitsentwicklung der neuen Mitarbeiter.

transkript. Aber die Neuen sollten Erfahrung mitbringen?

Schmitz. Wir haben schon einen Mix aus Berufseinsteigern und Berufserfahrenen. Sicherlich suchen wir tendenziell mehr unter den etwas erfahreneren Leuten. Aber da gerade jeder Bereich der Firma wächst und schlicht Nachwuchs braucht, kann man auch als Einsteiger für uns eine wichtige Aufgabe erfüllen.

transkript. Wie kommuniziert man nun am besten? Wie viel der Technologie passt in eine kurze Überschrift, wie viel vom Teamspirit in ein kurzes Video?

Schmitz. Hier werden wir sehr viel aktiver sein und die Zurückhaltung etwas aufgeben. Nicht auf jedem Kanal müssen wir sein, aber beispielsweise LinkedIn werden wir mit unseren Mitarbeitern als beste Botschafter stärker nutzen. Wir müssen dabei sicherlich noch daran arbeiten, den Einsatz, den Wert unserer Geräte auch als einen Gewinn für die Wissenschaft, für die Gesellschaft darzustellen. Diese Geräte sparen sehr viel Zeit, und das ist nicht zu unterschätzen auch als Kostenfaktor. Sie helfen, die richtigen Medikamentenkandidaten auszuwählen, sind also Teil eines neuen Medikaments, das dem Patienten hilft. Und das ist keine Zukunftsmusik, sondern schon bei zahlreichen Arzneimitteln steckt ein wenig von nanotemper drin. Da ist unsere Sichtbarkeit noch viel zu gering.

transkript. Wo sind die aktuellen Herausforderungen in dieser Wachstumsphase?

Schmitz. Diese 70 neuen Mitarbeiter in diesem Jahr einzustellen, ist kein Pappenstiel. Die Auswahl und dann die erfolgreiche Integration wollen gemanagt sein. Dann wollen wir eine Qualitätsoffensive durch das Jahr führen und wir wollen uns weiter ernsthaft um das Wohlbefinden der Mitarbeiter kümmern. Man muss auch proaktiv auf deren Gesundheit achten. Und das darf dann auch in einer Wachstumsphase eines Unternehmens nicht hinten runterfallen, sondern es wird jetzt wichtig sein, diese hohe Leistungsbereitschaft in gesundem Maße zu erhalten, Ausgleiche zu schaffen, etwas an die Mitarbeiter zurückzugeben.     
                                   

Dieses Interview ist Teil des Human-Resources-Spezial in |transkript 1/2023.

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