Forschungszulage – alles neu seit Meseberg

Der Bekanntheitsgrad der Forschungszulage seit ihrer Einführung im Jahr 2020 sei deutlich gestiegen, stellt der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft in einer aktuellen Studie fest. Die Abrufung der im Haushalt als steuerliche Nachlässe budgetierten Milliarden hält sich jedoch in Grenzen und es ist nicht etwa die forschungsintensive Start-up-Szene der Biotechnologie, die sich der Zulage bedient. Dabei ist diese Zulage eine Kostenerstattung für Innovationsinvestitionen von bald bis zu 3 Mio. Euro jährlich, auch wenn man keine Unternehmenssteuern zahlen muss – dann nicht als Steuernachlass, sondern als Geld aufs Konto.

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Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. – das Netzwerk von Stiftungen, Unternehmen und Privatpersonen – hat vor wenigen Wochen die Ergebnisse einer vom BMBF in Auftrag gegebenen Befragung zur Forschungszulage veröffentlicht.

Demnach ist der Bekanntheitsgrad der Forschungszulage seit ihrer Einführung im Jahr 2020 deutlich gestiegen. Das zeigen die Ergebnisse der Studie „Drei Jahre Forschungsprämie: Eine erste Bilanz der Resonanz“. An der Befragung des Stifterverbandes nehmen jährlich bis zu 7.000 forschende Unternehmen in Deutschland teil.

Während 2019 nur knapp 39 Prozent der forschenden Unternehmen angaben, die Forschungszulage zu kennen, waren es 2021 bereits 60 Prozent. Nicht nur die Bekanntheit des Förderinstruments, sondern auch die Zahl der Anträge für die erste Antragsstufe bei der Bescheinigungsstelle Forschungszulage (BSFZ) stieg deutlich an. Wurden 2021 noch 4.500 Anträge gestellt, waren es 2022 bereits über 6.600. Seit Einführung der Forschungszulage haben Unternehmen insgesamt 12.000 Anträge gestellt. Für das Jahr 2022 gibt fast die Hälfte der in Forschung und Entwicklung (F&E) aktiven Unternehmen (47,6 Prozent) an, bereits einen Antrag gestellt zu haben oder dies zu planen. Demnach ist mit einer deutlichen Zunahme der Nutzung des Förderinstruments zu rechnen.

Die Befragungsergebnisse zeigen jedoch: Je kleiner das Unternehmen, desto geringer ist der Bekanntheitsgrad der steuerlichen Förderung von F&E-Aktivitäten durch den Bund. Geben Unternehmen mehr als 1 Mio. Euro für F&E aus, kennt die überwiegende Mehrheit die Förderung – unabhängig von der Unternehmensgröße.

Ein Blick auf die Branchen zeigt: Besonders bekannt ist die Forschungszulage mit 74 Prozent in der Pharma- und mit 73 Prozent in der Chemiebranche. In der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) kennen nur 51 Prozent die steuerliche Förderung. Bei der Antragstellung verhält es sich jedoch genau umgekehrt: Die meisten Anträge kommen aus der IT-Branche, gefolgt vom Maschinenbau. Zusammen mit der Elektroindustrie, der chemischen Industrie und den Dienstleistungen für F&E machen diese fünf Branchen mehr als die Hälfte aller Anträge aus. Gerade in der Biotechnologiebranche, sei es in der Pharmaindustrie oder in anderen Industriezweigen, klafft noch eine große Lücke zwischen Bekanntheit und Nutzung der Förderung.

Dass dies ein finanziell folgenschwerer Fehler ist, klärt |transkript.de im Gespräch mit Dr. Rosi Hermann (Co-Geschäftsführerin der Leyton Deutschland GmbH), Dr. Saskia Graf (Scientific Consultant) und Sandra Christen (Senior Financial Consultant), beide ebenfalls von Leyton Deutschland GmbH, einer internationalen Beratungsgesellschaft an den Standorten München und Düsseldorf, zukünftig auch in Berlin.

|transkript.de: Die Forschungsprämie leidet unter einem etwas holprigen Start. Es gibt viele Fragezeichen bei der konkreten Umsetzung, vor allem aber viele Vorurteile und Halbwissen: Ein neues Bürokratiemonster sei entstanden, Auftragsforschung könne nicht geltend gemacht werden, nur Personalkosten lohnten sich kaum, und dann habe man es nicht nur mit einem Projektträger zu tun, sondern zusätzlich direkt mit dem Finanzamt. Wie sollen die Mitarbeiter dort ein innovatives Projekt beurteilen? Sind das die üblichen Vorbehalte in Ihren Beratungsgesprächen?

Rosi Hermann: Die Informationslage ist in der Tat diffus, aber aus unseren Beratungsgesprächen ist noch niemand vor lauter Formalitäten weggelaufen oder enttäuscht nach Hause gegangen. Im Gegenteil, wir stellen immer wieder fest, wie einfach es ist, die tägliche Arbeit in einem Unternehmen in einen „kreativen Teil“ von der Routine zu trennen. Und das ist der erste Schritt auf dem Weg zur Förderung.

|transkript.de: Das Instrument einer nachträglichen Steuerermäßigung ist noch nicht in allen Köpfen angekommen, die eingeführten Methoden der Projektförderung sind dort präsenter, oder?

Rosi Hermann: Auch das ist richtig. Daran müssen einfach alle noch mehr arbeiten und auch die Bundesregierung muss noch mehr tun, um das Instrument und das Verfahren besser zu kommunizieren. Das sieht man an der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg, wo alles Mögliche beschlossen wurde, was dann im Tagesgeschäft in der Presse hoch- oder runtergekocht wurde. Eine sensationelle Neuerung oder sogar eine ganze Reihe von Neuerungen bei der Forschungszulage haben nur Eingeweihte mitbekommen.

|transkript.de: Was genau wurde in Meseberg beschlossen? Was sind die wichtigsten Änderungen?

Saskia Graf: Es gibt vordergründige Verbesserungen und eine deutliche Erhöhung der anrechenbaren Kosten sowie eine glatte Verdreifachung der Bemessungsgrundlage. Es gibt aber auch eine wesentliche Änderung bei der Förderfähigkeit von Investitionsgütern oder genauer im Vorhaben genutzte abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die etwas schwierig in einfache Worte zu fassen ist. Das war früher nicht möglich. Gemäß Regierungsentwurf können ab 2024 „für das Projekt notwendige Anschaffungen“ berücksichtigt werden.

|transkript.de: Lassen Sie uns etwas ins Detail gehen und bei den vordergründigen Verbesserungen bleiben. Wie erhöhen sich die anrechenbaren Kosten? Was ist die neue Bemessungsgrundlage?

Saskia Graf: Bei den internen Personalkosten erhöht sich für KMU die Quote der Forschungsprämie, also die Anrechnung auf die Ertragssteuerschuld des Anspruchsberechtigten, von 25 auf nun 35%. Die externen Auftragskosten, die entgegen Ihrer eingangs erwähnten Gerüchtewolke auch bisher schon zu 60% anrechenbar waren, steigen auf 70%. Die Eigenleistung eines Einzelunternehmers wird nun mit 70 Euro/h fast doppelt so hoch angesetzt wie der bisherige Stundensatz von nur 40 Euro. Den größten prozentualen Sprung macht aber die Bemessungsgrundlage, die sich von 4 Mio. Euro pro Wirtschaftsjahr auf 12 Mio. Euro verdreifacht.

|transkript.de: Eigentlich sind das alles gewaltige Steigerungen. Und obwohl um die ganzen Rahmenbedingungen seit vielen Jahre gerungen und gekämpft wird, waren aus der Branche keine Jubelschreie zu vernehmen.

Rosi Hermann: Gerade in der Biotechnologie, die in Deutschland neben wenigen Großunternehmen sehr mittelständisch oder sogar von Start-ups geprägt ist, ist die Zulage zwar bekannt – wenn man die Umfrage des Stifterverbandes liest – aber viele haben sie als zu kompliziert in die Schublade gesteckt und sehen den Nutzen nicht. Jetzt, spätestens mit diesen Erhöhungen, gibt es überhaupt keinen plausiblen Grund mehr, das Verfahren nicht zu nutzen.

|transkript.de: Wie läuft das Verfahren ab und was schreckt ab?

Rosi Hermann: Zunächst einmal muss man sich innerlich vom Begriff „Forschung“ lösen. Denn es geht nicht nur und ausschließlich um die ganz neue wissenschaftliche Forschung mit Experimenten und der Förderung von Personal- und Sachmitteleinsatz im Labor. Jede Tätigkeit, die dem „Erkenntnisgewinn“ dient, kann gefördert werden. Die Forschungszulage beginnt bei der Konzeptentwicklung. Hier sind Personalstunden bereits förderfähig, wenn noch über eine Problemlösung nachgedacht wird. Wir beraten auch viele Dienstleister, Medienunternehmen, die für neuartige, konzeptionelle Ansätze eine Förderung beantragen und erhalten. Das ist keine wissenschaftliche Forschung im klassischen Sinne, aber es erfüllt die fünf Kriterien, nach denen F&E-Projekte identifiziert werden.

|transkript.de: Welche sind das?

Saskia Graf: Das Projekt muss neuartig und kreativ sein, der technisch-wissenschaftliche Ausgang muss ungewiss und risikobehaftet sein, man muss systematisch vorgehen und das Ergebnis sollte übertragbar und/ oder reproduzierbar sein.

|transkript.de: Aber um so etwas zu prüfen, brauchen erfahrene Projektträger selbst bei hochspezialisierten Förderlinien mit relativ genau beschriebenen vorgegebenen Inhalten schon eine ganze Weile, dauert das bei der Förderung dann auch ewig?

Rosi Hermann: Das Verfahren für die Forschungszulage ist zweistufig. Die erste Hürde ist die technische Evaluierung und Zusage durch die BSFZ, die laut Gesetz innerhalb von drei Monaten erfolgen muss. Mit dieser Bescheinigung ist dann der Weg zur steuerlichen Anrechnung auf die Einkommensteuerschuld oder bei Steuerfreiheit auch zur Barauszahlung nicht mehr aufzuhalten, sondern nur noch ein formaler Akt mit vielen Anforderungen an die Dokumentation, aber das gesamte Projekt kann nicht mehr abgelehnt werden. Eine gesetzlich garantierte Dreimonatsfrist ist eher keine Innovationsbremse, sondern schon eine schnelle Geschichte und gewährt zusätzlich Planungssicherheit für zukünftig anfallende F&E-Ausgaben.

|transkript.de: Umso wichtiger wird es sein, die Unterlagen für diese Bescheinigung gut vorzubereiten und zu sortieren, damit das Finanzamt später nicht doch noch einige Kostenpunkte herausstreicht?

Rosi Hermann: Das ist richtig und da zählt wirklich die Erfahrung sehr viel. Denn im Gegensatz zu einem Förderantrag, wo man im Wettbewerb mit anderen Konsortien steht, die vielleicht auch ganz gute Ideen haben, und der Fördergeber sich auch sehr genau anschauen muss, welche Konzepte im Vergleich untereinander bei mehreren Anträgen erfolgversprechender sind, ist die Forschungsprämie kein kompetitives Verfahren. Sie soll ja ein Instrument sein, um Innovationshürden gerade im Mittelstand abzubauen. Deshalb wurde bewusst kein Auswahlverfahren eingeführt. Solange man plausibel machen kann, dass ein innovatives Projekt verfolgt wird oder wurde, das den F&E-Kriterien entspricht, bekommt man in der Regel die Bescheinigung.

|transkript.de: Der bürokratische Aufwand ist also gar nicht so groß und das Verfahren gibt relativ schnell Planungssicherheit, ob man die Förderung bekommt oder nicht. Gleichzeitig ist es für Unternehmen, die bisher keine Ertragssteuerschuld zahlen, bares Geld, wie kommt das und warum gibt es gerade in der Gründerszene keinen Ansturm auf den Zuschuss?

Rosi Hermann: Warum sich immer noch so viele Leute abschrecken lassen, kann ich wirklich nicht beantworten. Wir helfen sehr gerne und sehr erfolgreich. Aber im Ernst: Die Bemessungsgrundlage bezieht sich auf den Forschungsaufwand und nicht auf die Steuerschuld des Antragsberechtigten. Wenn man also diesen neuen Betrag voll ausschöpft, aber keine Ertragssteuern zahlen muss, dann bekommt man (bisher eine, seit Neuestem) 3 Millionen Euro als „reines EBIT“ auf sein Konto. Ohne Verpflichtung, was man damit machen muss.

|transkript.de: Man muss schon einiges im Vorfeld tun, zumindest einmal mit einem Berater sprechen, aber auch die ganze Dokumentation der Personal-, Auftrags- und Sachkosten durchführen, etwaige andere Fördermittel sauber abtrennen. Aber dann müsste der Geldsegen vom Finanzamt doch auch für Investoren attraktiv sein?

Rosi Hermann: Wie gesagt, es gab und gibt keinen Grund, die Forschungszulage als innovatives Unternehmen nicht zu nutzen. Der Finanzchef, der das bis heute nicht tut, sollte nun dringend die Initiative ergreifen. Das Instrument kann – richtig genutzt – als kontinuierlicher Cashflow gesehen werden, der die Reichweite von Finanzierungen einfach verlängert.

|transkript.de: Ab wann gelten die neuen Regelungen?

Saskia Graf: Es fehlen noch die Verabschiedung im Bundestag (geplant im November) und die Zustimmung des Bundesrats im Dezember, sodass ab dem 1.1.2024 die Forschungszulage unter neuen Bedingungen in Kraft tritt.

|transkript.de: Ist das ebenfalls der Stichtag für das etwas kompliziertere Thema, nun auch Abschreibungen auf Geräte vornehmen zu können?

Sandra Christen: Ja. Dieses Thema ist derzeit noch etwas unklar, weil interpretationsfähig formuliert. Wir sind im Austausch mit dem Bundesfinanzministerium, wie konkret die „für das Vorhaben notwendigen Anschaffungen“ auszulegen sind. Denn ein Unternehmen, das neue Laborräume bezieht, sich erweitert und alle möglichen Geräte anschafft, die heute üblich sind, die aber für die gesamte F&E einfach „notwendig“ sind – so etwas sollte unserer Meinung nach auch mit den üblichen Abschreibungssätzen geltend gemacht werden können.

|transkript.de: Und das macht einen großen Unterschied?

Rosi Hermann: Das ist aus unserer Sicht der eigentliche Knaller von Meseberg. Denn in dieses kleine Wörtchen „notwendig“ kann man sehr viel hineinpacken und den gesamten Investitionsbedarf sehr viel enger an diese neue Steuerlinie anpassen. Das bedeutet, dass auch kleinere Betriebe, die teure Anlagen anschaffen, in der Bemessungsgrundlage weit nach oben kommen. Ich würde sogar so weit gehen, davor zu warnen, jetzt im Jahr 2023 große Anschaffungen zu beauftragen, wenn das bis Januar warten kann. Denn der Zeitpunkt der Bestellung kann ganz entscheidend sein.

|transkript.de: Also Hände weg vom üblichen Kaufrausch mit dem Restbudget am Jahresende?

Rosi Hermann: Wir empfehlen eher ein gepflegtes Neujahrsshopping beim Laborausstatter des Vertrauens.

|transkript.de: Jetzt haben wir nur über die Forschungszulage gesprochen, aber Sie beraten auch zu allen anderen Fördermöglichkeiten und branchenübergreifend?

Rosi Hermann: Leyton hat weltweit über 30.000 Kunden und baut den Standort Deutschland weiter aus. In den anderen Ländern haben wir bereits jahrzehntelange Erfahrung mit verschiedenen Tax-Credit-Systemen in F&E, aber auch in der Projektförderung. In unserem deutschen Team kommt die Expertise sehr stark aus der Projektförderung bei Bund und Ländern oder der EU. Wir sind in Deutschland wie die Forschungszulage im Jahr 2020 gestartet und damit jetzt drei Jahre über verschiedene Branchen gewachsen. Nun wollen wir einzelne Branchen, die noch zurückhaltend sind, wie die Biotechnologie, aber auch Akteure, die aus unserer Sicht noch zu wenig aktiv sind, wie Investoren oder die Clusternetzwerke, stärker ins Boot holen. Die Neuerungen von Meseberg sind ein echtes Signal, das nicht überhört werden darf. Zudem muss man auch die geplante Superabschreibung und das Wachstumschancengesetz im Zusammenhang sehen. Es tut sich viel im Innovationsland Deutschland.

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