Boehmert & Boehmert

Antikörper + Fast Follower

Die wirksame Abwehr von Antikörper-Nachahmer-Präparaten oder von Fast Followern wird durch ein Urteil mit ­globaler ­Ausstrahlung erschwert. Doch auch nach dem Urteil des US ­Supreme Court in der Sache Amgen vs. Sanofi (2023, USA) ­bleiben Original-Herstellern Optionen.

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Die Hürden werden nicht geringer, Patentschutz zu erlangen, der geeignet ist, generischen Eintritt oder den von Fast Followern abzuwehren. Medikamente sollen für jedermann zugänglich und erschwinglich sein. Patente aber begründen ein Monopol und scheinen dem entgegenzustehen, deshalb werden sie „gestutzt“.

Antikörper konnten bis vor gar nicht langer Zeit problemlos über funktionale Merkmale in den Patentansprüchen beschrieben werden, beispielsweise über eine (spezifische) Bindung an ein biologisches Molekül oder ein Epitop davon. Der Antikörper wurde nicht (nur) über seine Struktur beansprucht, sondern über seine Eigenschaften, an bestimmte Epitope von Zielstrukturen zu binden. Dafür finden sich gute Gründe: Antikörper mit gleichen funktionalen Eigenschaften können trotzdem vollkommen unterschiedliche Sequenzen, selbst unterschiedliche CDRs, aufweisen, und es ist für den Fachmann Routine, Antikörper mit beliebigen Eigenschaften herzustellen, sobald bekannt ist, woran diese binden und welche Eigenschaften sie aufweisen sollen.

Verwässerung des Schutzes
Derart funktionale Ansprüche bieten einen wirksamen Schutz gegen Generika und Fast Follower, die Antikörper mit gleichen Eigenschaften, aber abgewandelten Sequenzen entwickeln. Die Entscheidung Amgen vs. Sanofi (2023, USA) des US Supreme Courts hat Fast Followern die Tür jedoch weit geöffnet. Der US Supreme Court entschied, dass die Beschreibung von „wenigen“ Beispielen nicht genügt, um eine ganze Klasse von Antikörpern (funktional) zu beanspruchen. Die Ansprüche müssen nun strukturelle Merkmale enthalten, um valide zu sein. Strukturelle Merkmale können jedoch leichter umgangen werden. Diese Entscheidung hat Auswirkungen über die USA hinaus.

Auch andere Länder verlangen nun strukturelle Merkmale in den Ansprüchen. In Europa ist es noch möglich, Antikörper funktional zu beanspruchen, jedoch wird es in den Erteilungsverfahren schwieriger. Die Prüfer argumentieren, dass Antikörper komplexe Moleküle sind – kleine Änderungen können große funktionelle Unterschiede bewirken.

Mehr Daten nötig
Es sei nicht glaubhaft, dass auch andere Antikörper als der strukturell offenbarte den gleichen medizinischen Effekt haben. Eine ausreichende Menge an Daten und viele verschiedene Antikörper mit den beanspruchten Eigenschaften sind daher unerlässlich, um breiteren Schutz für Antikörper zu bekommen. Eine Vielzahl an „repräsentativen Spezies“ hilft, einen breiteren funktionellen Anspruch zu stützen. Trotzdem kann es sein, dass die Basisanmeldung nicht ausreicht, um Fast Follower weltweit abzuwehren. Es braucht dazu ein strategisches Patentportfolio. Das muss kein „Patent Thicket“ sein. Das können Formulierungspatente sein: AbbVie entwickelte eine hochkonzentrierte, zitratfreie Formulierung von Humira, die weniger schmerzhaft zu injizieren war. Diese neue Formulierung wurde durch wenige Patente geschützt, die es Kompetitoren erschwerten, vergleichbare Produkte ohne Verletzung dieser Patente zu entwickeln. Patente, die auf Dosierungs- und Behandlungsschemata gerichtet sind, können gegen Nachahmer schützen, wenn sie aufgrund regulatorischer Bestimmungen nicht umgehbar sind.
Fazit – es ist seit Amgen vs. Sanofi nicht einfacher geworden, Antikörper-Fast Follower abzuwehren, es ist aber auch nicht unmöglich.

Der Gastbeitrag von Dr. Ute Kilger, Patentanwältin, Partnerin, Boehmert & Boehmert, Berlin, ist dem |transkript-Spezial der Ausgabe 2/2025 entnommen.

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