
Biobasierte Resilienz
Von der Natur lernen, heißt, biobasierte Lösungen als Schlüssel für die notwendige, nachhaltige Transformation der Industrie und Gesellschaft zu begreifen: So schaffen wir Wohlstand für alle und entkoppeln Wachstum von Ressourcen- und Energieeinsatz.
Angesichts der aktuellen globalen Verwerfungen und des in seinen Auswirkungen immer deutlicher werdenden Klimawandels stellen die Merkmale „Rohstoff-
Autarkie”, „technologische Souveränität“ und „robustes Unternehmertum” Schlüsselfaktoren für einen prosperierenden europäischen Binnenmarkt und eine stabile, Demokratie-basierte europäische Gesellschaftsordnung dar. Benötigte technologische Lösungen, um dieser Herausforderung zu begegnen, liefern sowohl die Umstellung auf erneuerbare Energien, auf CO2 und Biomasse als Ausgangs-Rohstoffe sowie die Nutzung der Fortschritte in Bio- und Quantentechnologie, in Verknüpfung mit Computer-gestützten Simulationen und künstlicher Intelligenz (KI).
Der Abbau von Innovationshemmnissen in diesen Bereichen durch gezielte Anreize für Unternehmen und Investoren ist entscheidend, ebenso wie eine umfassende Deregulierung und der Ausbau strategischer Fördermaßnahmen (Programme und institutionelle Förderung), um den technologischen Vorsprung einerseits zu sichern und andererseits dessen zügige Überführung in wertschöpfende Produkte und Prozesse in Europa zu ermöglichen.
Im Bereich erneuerbarer Energien sind wesentliche Fortschritte sichtbar. Allerdings sehen wir noch deutlichen Aufholbedarf im Bereich der Konversion des klimaschädlichen CO2 – aus fossilen und biologischen Quellen – zu sogenannten Plattformchemikalien für die Sektoren Chemie und Baustoffe. Die Verfügbarkeit nachhaltig bereitgestellter biogener Roh- und Reststoffe muss erheblich gesteigert werden, um bedeutende Sektoren wie die Chemieindustrie zu versorgen. Hierzu müssen verstärkt neue biogene Rohstoffe erschlossen und die Primärproduktion optimiert werden, etwa durch den Einsatz moderner Züchtungsmethoden und Digitalisierung. Bevorzugte Partnerschaften mit Flächenländern wie Kanada und der Ukraine könnten die Resilienz Biomasse-basierter Lieferketten stärken. Der Aufbau einer nachhaltigen Bioökonomie in der EU erfordert eine legislative und finanzielle Technologieoffensive, um kontinuierlich neue Prozesse zu entwickeln und marktfähige Produkte zu schaffen.
Voraussetzungen schaffen
Bildung und Forschung schaffen die Voraussetzung für eine gelingende Transformation zu nachhaltigem und profitablem Wirtschaften: Stärkung der Ausbildung in MINT-Fächern und frühe Sensibilisierung für Entrepreneurship bereits an Schulen schaffen nötige Grundlagen, Technologie-Führerschaft und Wertschöpfung am Standort zu erlangen und weiter auszubauen, Fachkräfte auszubilden und erfolgreiche Gründerinnen und Gründer von morgen zu fördern.
Hightech-Know-how muss in der Errichtung von Pilotanlagen sichtbar werden, gerne auch in öffentlichen Institutionen oder via Public-Private-Partnerships, um bekannte Risiken entlang der Innovationskette über die verschiedenen Technologie-Skalierungsstufen zu minimieren und potentielle Investoren oder an biobasierten Lösungen interessierte Unternehmen von der Machbarkeit und Skalierungsfähigkeit zu überzeugen.
Zwar erkennt der Koalitionsvertrag richtig, dass es mehr Unterstützung braucht für Gründungen auf Basis von Biotechnologie; allerdings fehlen geeignete Anreizsysteme und Maßnahmen für die Finanzierung von Unternehmenswachstum und Skalierung solcher Hightech-basierten Lösungen. Nur damit gelingt es, Deutschland zum Land der Innovatoren zu machen und die Unternehmen, die Inventionen schließlich zu Innovationen entwickeln und an den Markt bringen, wirksam an Deutschland zu binden. Derzeit streben bereits zu viele erfolgreiche Unternehmen mit Forschung und Produktion ins Ausland. Mit hierzulande skalierten, effizienten Prozessen werden die Wettbewerbsfähigkeit verbessert und zugleich Ressourcen entlastet sowie substantielle Lösungsbeiträge zu Klimaschutz und Wiederherstellung von Ökosystemen erzielt.
Genehmigungs- und Zulassungsverfahren müssen vereinfacht und harmonisiert werden sowie transparent und nachvollziehbar sein. In Europa bekannte und standardisierte Kennzeichnungssysteme für biobasierte nachhaltige Produkte schaffen Vertrauen. Staatliche Beschaffung und Anreize für lebendiges Unternehmertum und Kapitalmarkt bilden die Basis, verstärkt in Europa zu forschen, zu produzieren und biobasierte Produkte und Spitzentechnologien global anzubieten.
Dieses Statement von Prof. Dr. Thomas Brück (Werner Siemens Lehrstuhl für Synthetische Biotechnologie, School of Natural Sciences, Technische Universität München, Garching bei München), Dr. Markus Wolperdinger (Institutsleiter Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, Stuttgart), Prof. Dr. Stefanie Heiden (Lehrstuhl für Innovations-Forschung, Technologie-Management & Entrepreneurship ITE, Leibniz Universität Hannover (LUH), Hannover), Prof. Dr. Iris Lewandowski (Fachgebiet Nachwachsende Rohstoffe in der Bioökonomie, Chief Bioeconomy Officer, Universität Stuttgart, Stuttgart), Prof. Dr.-Ing. Daniela Thrän (Lehrstuhl Bioenergiesysteme, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Universität Leipzig und Leiterin des Departments Bioenergie (BEN), Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH – UFZ, Leipzig) ist der |transkript-Ausgabe 2/2025 entnommen.