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Von prähistorischen Darmproben zu modernen Viren

Forscher rekonstruierten aus jahrhundertealten menschlichen Darmproben 298 antike Bakteriophagen-Genome und gewannen dadurch neue Einblicke in die langfristige Evolution und Stabilität von Phagen.

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Bakteriophagen, auch als Phagen bekannt, sind Viren, die Bakterien infizieren und sich typischerweise schnell an neue Bedingungen anpassen, was oft zu Veränderungen in ihrem Genom führt. In einer umfassenden Forschungsarbeit im Fachjournal Nature Communications machten Wissenschaftler aus Polen, den Niederlanden und Deutschland bemerkenswerte Entdeckungen in der Welt der Bakteriophagen. Das Forschungsteam analysierte DNA-Sequenzdaten aus alten Stuhlproben und menschlichen Darmproben, die bis zu 5.300 Jahre alt waren.

Eine der wichtigsten Entdeckungen der Studie ist die Rekonstruktion von 298 antiken Phagengenomen, von denen eines fast identisch mit dem modernen Mushuvirus mushu ist, einem Phagen, der Darmbakterien infiziert. Trotz 1.300 Jahren Evolution weist das antike Mushuvirus-Genom eine erstaunliche Übereinstimmung von 97,7% auf Nukleotidebene mit seinem modernen Gegenstück auf. „Bakteriophagen befinden sich in einem ständigen Aufrüstungswettbewerb mit ihren Wirten, also den Bakterien. Deshalb verändern sie sich ständig. Umso ungewöhnlicher ist, dass wir auf ein Phagengenom gestoßen sind, das mit dem des gegenwärtigen Mushuvirus mushu beinahe identisch ist“, sagt Piotr Rozwalak, Erstautor der Studie und Doktorand in der Gruppe rund um den „Balance of the Microverse“-Professor Bas Dutilh an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Diese Entdeckung widerlegt die Annahme einer generell hohen Mutationsrate bei Viren und deutet auf eine langfristige, stabile Beziehung zwischen dem Phagen und seinem bakteriellen Wirt hin. Die hohe Konservierung des Mushuvirus-Genoms könnte auf drei Faktoren zurückzuführen sein: seine Replikationsstrategie, einen umfangreichen Wirtsbereich und die Existenz des Virus als integrierter Prophage im bakteriellen Genom.

Die Studie zeigt, dass die Rekonstruktion alter Phagengenome mit Hilfe moderner bioinformatischer Methoden und gut erhaltenen antiken DNA-Proben möglich ist. Etwa die Hälfte der rekonstruierten Genome wies keine signifikanten Ähnlichkeiten zu bekannten Viren auf, was darauf hindeutet, dass unser Verständnis der Geschichte des menschlichen Darmviroms begrenzt ist. Während die Fokussierung der Studie auf gut erhaltenen Darm- und Paläofäkalproben lag, warten weitere verfügbare Daten aus alten Zähnen oder Zahnbelag auf weitere Erforschung. Zukünftige Studien zu antiken Viromen könnten wesentlich zur Aufklärung der komplexen Geschichte von Viren und ihrer Rolle in der Ko-Evolution mit bakteriellen, tierischen und pflanzlichen Wirten beitragen.

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