
Design therapeutischer RNA-Carrier revolutioniert
Die neue digitale Nanocarrier-Designplattform Bits2Bonds kombiniert Simulation und KI, um wirksame Polymere für den sicheren Transport von RNA-Therapeutika automatisiert, materialsparend und sicher zu entwickeln und Gen-Delivery-Systeme effizient zu optimieren.
Münchner Wissenschaflter haben ein Verfahren entwickelt, das das Hauptproblem viraler und LNP Drug Delivery-Systeme löst: Die leicht abbaubare RNA nebenwirkungsfrei und effizient in die richtige Zelle zu bringen. Das Team um Prof. Olivia Merkel von der LMU München schlägt dazu ein automatisiertes iteratives Screeningverfahren vor, um RNA-Nanocarrier weitgehend in silico herzustellen. Dabei nutzen die Forscher Design of Experiments (DoE) KI-Strukturvorschläge und physikalische Simulationen, um das fehleranfällige empirische manuelle Design von RNA-Trägersystemen zu revolutionieren. Ihre Plattform Bits2Bonds kombiniert erstmals Molekulardynamik-Simulationen mit Machine Learning, um neue Polymere für den RNA-Transport vorherzusagen, bevor sie synthetisiert werden müssen.
Chemie für labile RNA
RNA-Moleküle sind biologisch aktiv, aber extrem fragil. Sie müssen vor Abbau geschützt, in Zellen eingeschleust und dort gezielt freigesetzt werden. Polymere können diese Aufgaben übernehmen, doch ihre Entwicklung ist schwierig:
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Die chemische Struktur der Polymere bestimmt, wie fest sie RNA binden.
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Für ein effizientes Gene Delivery müssen sie Membranen überwinden.
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In der Genetik zählt, dass siRNA oder mRNA am richtigen Ort aktiv wird.
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Die Vielfalt möglicher Polymere ist riesig, aber experimentell kaum systematisch testbar.
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Herstellungs- und Labortests ganzer Polymerbibliotheken dauern Monate und sind kostspielig.
Genau hier setzt Bits2Bonds an. Die neue Plattform simuliert biologische Schlüsselschritte mit Hilfe einer stark vereinfachten, aber biologisch relevanten Molekulardynamik. Dabei wird etwa getestet, wie gut ein Polymerstrang an siRNA bindet, ob sich stabile Komplexe bilden oder wie sich Polymer-RNA-Komplexe an Membranen verhalten.
Diese physikalisch fundierten Ergebnisse dienen anschließend als Datengrundlage für Machine-Learning-Modelle, die Muster erkennen und neue chemische Strukturen vorschlagen. Das Besondere: Die KI generiert De-novo-Polymerdesigns, also komplett neue chemische Bausteine, die es bisher nicht gibt. Dieser Zyklus aus Simulation, Analyse und Optimierung schafft ein Hochdurchsatz-Screening, das rein experimentell nicht möglich wäre. Tausende Varianten können virtuell getestet werden, bevor ein einziges Molekül im Labor entsteht.
Labor-Validierung
Um die Leistungsfähigkeit der digitalen Pipeline zu überprüfen, wählte das Forschungsteam gezielt mehrere vielversprechende Polymere aus und synthetisierte diese im Labor. Die Experimente bestätigten die Vorhersagen der Bits2Bonds-Plattform: So stimmte die vorhergesagte siRNA-Bindung genau mit den gemessenen Werten überein, und die biologische Wirksamkeit der Polymer-siRNA-Komplexe korrelierte eng mit den Simulationsergebnissen. Darüber hinaus konnten neuartige Polymere mit besonders hoher Effizienz identifiziert werden. Damit zeigt sich, dass Bits2Bonds weit über ein theoretisches Modell hinausgeht und tatsächlich valide Experimentalkandidaten für die Entwicklung effizienter RNA-Trägersysteme liefert.
Strategischer Fortschritt
Für die biomedizinische Forschung stellt Bits2Bonds einen bedeutenden strategischen Fortschritt dar. Anstelle von mühsamem Trial-and-Error basiert das Polymerdesign nun auf physikalisch fundierten und datengestützten Optimierungen, wodurch Entwicklungsprozesse deutlich effizienter werden. Gleichzeitig erlaubt die Plattform die Optimierung komplexer Eigenschaften wie Bindungsstärke, Stabilität, Abbauverhalten und Membraninteraktionen. Darüber kann Bits2Bonds für verschiedene Polymertypen sowie unterschiedliche RNA-Formate wie mRNA, siRNA oder CRISPR genutzt werden. „Unsere Arbeit zeigt erstmals, dass die Kombination aus physikalischer Simulation und datengetriebener Optimierung eine effiziente Strategie zur Entdeckung völlig neuer Materialien für RNA-Therapeutika darstellt“, so Prof. Merkel.
Perspektive: Personalisierte RNA-Medizin
Je besser Trägersysteme an spezifische biologische Anforderungen angepasst werden können, desto eher lassen sich RNA-Therapeutika individualisieren – etwa für unterschiedliche Krankheitsbilder oder Patientengruppen. Bits2Bonds könnte langfristig sogar ermöglichen, Trägerstrukturen maßgeschneidert zu entwerfen, passend zu einem bestimmten RNA-Wirkstoff oder Zielgewebe.


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