
Kernspin-Mikroskopie dringt in neue Dimensionen vor
Ein Forschungsteam der TU München hat eine völlig neuartige Mikroskopie-Technologie auf Basis von Quantensensoren entwickelt. Mit der Kernspin-Mikroskopie wird es möglich, magnetische Signale mit einem Mikroskop in bisher unerreichter Auflösung sichtbar zu machen.
Die neue Technologie nutzt die Vorteile der Magnetresonanztomographie (MRT), in die Tiefe des Körpers schauen und Bilder von Organen und Geweben erstellen zu können. Gleichzeitig wird damit eine besonders hohe Geschwindigkeit und eine Auflösung bis in den Bereich mikroskopischer Details ermöglicht. Grundlage dafür ist ein speziell entwickelter Diamantchip als Quantensensor, wie das Team um Dominik Bucher nun im Fachmagazin Nature Communications beschreibt. Bucher ist Professor für Quantensensorik an der Technischen Universität München (TUM) und forscht am Exzellenzcluster Munich Center for Quantum Science and Technology (MCQST).
Seine Arbeitsgruppe an der TUM forscht an der Anwendung von Quantensensoren bei Energieumwandlungsprozessen oder für die Analyse einzelner Zellen in der Mikrofluidik. Bei der neuen Technologie werden sie eingesetzt, um Signale in Lichtimpulse umzuwandeln. „Die verwendeten Quantensensoren ermöglichen es, Magnetresonanzsignale in optische Signale umzuwandeln. Diese Signale werden mit einer Kamera erfasst und als Bilder dargestellt“, erklärt Bucher. Auf diese Weise wird aus der Magnetresonanztomographie die von den Autoren so bezeichnete Optische Weitfeld-Magnetresonanz-Mikroskopie (OMRM) oder kurz Kernspin-Mikroskopie.
Ein winziger Diamantchip, der als hochsensibler Quantensensor für MRT-Magnetfelder dient, ist das Herzstück des neuen Mikroskops. Dieser auf atomarer Ebene speziell präparierte Diamant weist kleine Defekte in der Kristallstruktur auf, sogenannte Stickstoff-Vakanz-Zentren (NV-Zentren). Darin wird ein Kohlenstoffatom durch ein Stickstoffatome ersetzt, ein weiteres in einer benachbarten Fehlstelle bleibt vakant, um ein stabiles Quantenobjekt zu erzeugen. Wird der Diamant-Sensor mit grünem Laserlicht bestrahlt, erzeugt er ein fluoreszierendes Signal, das die Information des MRT-Signals enthält und von einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommen wird. Die so erzeugten Bilder sollen eine Auflösung von zehn Mikrometern erreichen, so dass selbst Strukturen einzelner Zellen sichtbar gemacht werden können.
Seine Technologie der Kernspin-Mikroskopie hat Bucher zum Patent angemeldet. Mit dem von ihm mitgegründeten Start-up QTAS (Quantum Total Analysis Systems) möchte er sie weiterentwickeln und noch präziser und schneller machen. QTAS hatte für die Entwicklung einer Quantensensorik-basierten Flüssigbiopsie für das Krebsmonitoring den Medical Valley Award 2024 erhalten. „Die Verschmelzung von Quantenphysik und Bildgebung eröffnet völlig neue Möglichkeiten, um die Welt auf molekularer Ebene zu verstehen“, so die Autoren. Die Anwendungen der Kernspin-Mikroskopie seien vielversprechend – auch wenn dies bisher noch nicht demonstriert wurde: So könnten sich in der Krebsforschung einzelne Zellen detailliert untersuchen und das Tumorwachstum nachverfolgen lassen. In der Pharmaforschung ließen sich Wirkstoffe auf molekularer Ebene effizient testen und optimieren. In den Materialwissenschaften wiederum könnte sie zur Analyse der chemischen Zusammensetzung von Dünnschichtmaterialien oder Katalysatoren eingesetzt werden. Langfristig soll die Kernspin-Mikroskopie so zum Standardwerkzeug in der medizinischen Diagnostik und der Forschung werden.