
Leberorganoide der nächsten Generation
Ein Dresdner Forschungsteam konnte mit einem „All-in-one-Modell“ aus drei Leberzelltypen die Gewebearchitektur exakt nachbilden. Damit eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten für die Forschung.
Bisher bestanden Organoidmodelle der Leber aus nur einem Zelltyp und konnten die komplexe Gewebearchitektur nicht nachbilden. Ein Team um Meritxell Huch vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden hat nun ein Organoidmodell der nächsten Generation entwickelt. Diese in Nature vorgestellten „periportalen Assembloide“ bestehen aus drei Leberzelltypen und sind voll funktionsfähig: Sie bilden funktionierende Gallenkanalstrukturen und transportieren kontinuierlich Galle
Dank ihrer modularen Bauweise lassen sich die Organoide im Labor leicht untersuchen, handhaben und gezielt verändern – etwa durch genetische Manipulation oder Variation der Zelltypen „Unsere Leber-Assembloide sind das erste All-in-one-Labormodell, mit dem der Gallenfluss, Verletzungen der Gallengänge und die Rolle verschiedener Leberzellen bei der Entstehung von Krankheiten untersucht werden können”, so Huch. Die Zellbiologin ist Direktorin des MPI-CBG. Ihre Forschungsgruppe untersucht grundlegende Prinzipien der Gewebehomöostase, Regeneration sowie Krankheitsmechanismen – unter anderem mit Hilfe von Organoiden aus Pankreas, Magen und Leber.
Für das nun vorgestellte Modell wurden erstmals portales Mesenchym, Cholangiozyten und Hepatozyten miteinander kombiniert. Die Forscher stellten zunächst Organoide her, die ausschließlich aus adulten Hepatozyten bestanden, und ergänzten diese anschließend mit Gallenwegzellen (Cholangiozyten) und Fibroblasten aus dem periportalen Bereich rund um die Gallengänge. Auch wenn bestimmte Zelltypen wie Endothel- und Immunzellen in den Assembloiden noch nicht erhalten sind, bildet das Modell die zelluläre Zusammensetzung und Gewebestruktur des periportalen Leberbereichs genau nach. Dadurch sind die komplexen Organoide funktionsfähig und leiten – ähnlich wie in der natürlichen Leber – Galle kontinuierlich von den Gallenkanälchen in den Gallengang.
Auf diese Weise lassen sich mit dem Modellsystem Aspekte der cholestatischen Leberschädigung und der biliären Fibrose modellieren. So kann es genutzt werden, um die Rolle bestimmter Gene bei Lebererkrankungen zu untersuchen, indem normale und mutierte Zellen gemischt oder Gene ausgeschaltet werden. „Nach der Übertragung auf menschliche Zellen könnte dies ein Weg sein, um von 2D-Modellen, die in pharmazeutischen Screenings verwendet werden, zu physiologischeren 3D-Modellen überzugehen“, so Huch. So kann die Wirksamkeit und Toxizität von Medikamenten in einem physiologisch relevanteren Kontext untersucht werden.
All-in-one-Organoidmodelle, die mehrere Zelltypen umfassen, gewinnen zunehmend an Bedeutung und wurden bereits für Organe wie Pankreas, Herz, Lunge und Gehirn etabliert. Immunkompetente Modelle integrieren zudem aktive Immunzellen, um das Zusammenspiel mit dem Gewebe besser abbilden und so Erkrankungen realistischer modellieren zu können.